Restrisiko auch in der Apotheke Julia Pradel, 11.09.2013 15:25 Uhr
Der Zoll hat von Januar bis Juni 1,4 Millionen gefälschte Tabletten, Pulver und Ampullen sichergestellt – 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das teilte das Zollkriminalamt (ZKA) mit. „Arzneimittelfälschungen sind ein zunehmendes Kriminalitätsfeld mit enormen Zuwachsraten“, sagte ein ZKA-Sprecher. Auch Apotheken sind nicht mehr sicher: „Der Handel ist so lukrativ, dass wir nichts ausschließen können.“
Gemeinsam mit der ABDA warnte das ZKA vor Arzneimittelfälschungen und den gesundheitlichen Folgen. Professor Dr. Martin Schulz, der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), wies daraufhin, dass in den USA beispielsweise im vergangenen Jahr 76 Patienten gefälschtes Avastin (Bevacizumab) ohne Wirkstoff erhalten hätten.
Schulz sagte, dass selbst in deutschen Apotheken Fälle wie dieser nicht mehr hundertprozentig ausgeschlossen werden könnten. Er verwies auf die Omeprazol-Fälschungen, die im März aufgetaucht waren, und den Biviol-Rückruf Mitte August. Statt 15 weißer und sieben blauer Tabletten hatten einige Blister des Kontrazeptivums 22 weiße Tabletten enthalten. Der Hersteller MSD Sharp & Dohme hatte dies als Fälschung bestätigt.Der AMK-Vorsitzende setzt auf Securpharm, um „das bestehende System wieder von 99 Prozent auf 100 Prozent sicher zu machen“. Das System, bei dem jede Packung mit einem 2D-Code versehen und so zu einem Unikat gemacht wird, wird in Deutschland seit 2013 getestet. Bis 2017 soll das European Stakeholder Model (ESM) eingeführt werden, mit dem EU-weit alle Packungen mit einem Code versehen und kontrolliert werden können.
Schulz betonte, dass es sich bei den Fälschungen in Apotheken um Einzelfälle und Ausnahmen handele und dass der Anteil an Fälschungen in der Apotheke im Vergleich zum Internet „verschwindend gering“ sei.Auch der ZKA-Sprecher ist überzeugt: „Wenn es ein weitgehend sicheres System gibt, dann ist es das unsere.“ Die Ermittler seien froh, dass es den vorgeschriebenen und abgesicherten Vertriebsweg über Apotheken gebe. „Im Ausland werden Arzneimittel in Supermärkten, in Drogerien oder auf Wochenmärkten abgegeben – ohne Kontrolle.“
In den vergangenen Jahren wurden dem ZKA zufolge immer häufiger Ermittlungsverfahren wegen gefälschter Arzneimittel eingeleitet. Demnach waren es 2005 lediglich 268 Verfahren, im vergangenen Jahr aber bereits 1805. In diesem Jahr wurden bis Ende Juni mehr als 1000 Verfahren eingeleitet.„Es ist aber leider nicht so, dass wir mehr entdecken“, so der ZKA-Sprecher. Die Dunkelziffer sei nach wie vor hoch. Er schätzt, dass die Zahl gefälschter Packungen im ersten Halbjahr bei etwa 5 Millionen lag – 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Das ZKA sieht die Gründe für den Anstieg der Fälschungen in den hohen Gewinnen: Während die Gewinnspanne bei klassischen Drogen wie Heroin und Kokain bei etwa 2400 Prozent liege, seien es bei Viagra-Fälschungen bis zu 27.000 Prozent. Die Herstellung eines Kilogramms Tabletten koste 40 bis 50 Euro, die Erlöse lägen bei bis zu 23.500 Euro pro Kilogramm, rechnen die Ermittler vor.