BTM-Handel

BGH: Online-Rezepte sind Scheinrezepte APOTHEKE ADHOC, 07.01.2014 14:18 Uhr

Rezepte für Unbekannte: Verordnet ein Arzt Arzneimittel ohne direkten Patientenkontakt, muss laut BGH im Zweifelsfall von Scheinrezepten ausgegangen werden. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

In München steht ein Apotheker wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln (BTM) erneut vor Gericht. Bereits 2011 war er zu einer Geld- und Haftstrafe verurteilt worden. Nun könnte die Strafe aber noch höher ausfallen: Denn die Rezepte für die Präparate wurden von Ärzten ausgestellt, die die Patienten nie persönlich untersucht hatten. Der Bundesgerichtshof (BGH) geht daher von Scheinrezepten aus.

Der Fall beschäftigt das Landgericht München I seit 2008: Insgesamt acht Männer und Frauen sollen von 2004 bis 2007 einen illegalen Handel mit Psychopharmaka betrieben haben. Initiator des Handels soll der Gründer und Chef eines Pharmagroßhandels in Neubiberg bei München gewesen sein.

Nach dem Wegfall des Versandverbots für Apotheken 2004 hatte er beschlossen, zusammen mit Mitarbeitern, Ärzten und Apothekern einen Internethandel aufzubauen. Über diesen wurden im Ausland häufig nachgefragte „ausgenommene Zubereitungen“ mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clorazepam, Diazepam, Lorazepam und Zolpidem verkauft.

Als „ausgenommene Zubereitung“ definiert das Betäubungsmittelgesetz (BTMG) Wirkstoffe, die zwar grundsätzlich der BTM-Pflicht unterliegen, für die aber in Ausnahmefällen – etwa in bestimmten Dosierungen oder Packungseinheiten – kein BTM-Rezept notwendig ist. Für die Ausfuhr ist aber in jedem Fall eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nötig.

Die Kunden, die zumeist aus den USA kamen, bestellten die Präparate online. Ärzte stellten ihnen Rezepte aus – lediglich auf der Basis einiger gesundheitsbezogener und aus Sicht der Richter nicht nachprüfbarer Angaben der Kunden.

Das Rezept und die Bestellung gingen an den eingeweihten Apotheker. Er orderte – oft beim Großhändler des Initiators – die entsprechenden Medikamente. Diese verschickte er zu weit überhöhten Preisen an die Kunden. Dass dafür eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich gewesen wäre, war ihm nach Ansicht der Richter bekannt.

Von Oktober 2004 bis März 2006 soll der Apotheker mehr als 40.000 Produkte versandt haben, in der Hälfte der Fälle ausgenommene Zubereitungen. Dafür erhielt er 10 Euro pro Bestellung. Das Landgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 70.000 Euro und zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Aus Sicht des BGH war die Strafbemessung allerdings nicht korrekt: Das LG habe fälschlicherweise angenommen, dass die Medikamente „im therapeutischen Bereich ihren Einsatz finden“. Es habe aber „gerade kein 'therapeutischer' Einsatz“ vorgelegen, so die Richter: „Denn die Versendungen beruhten, wie auch der Angeklagte wusste, auf Scheinrezepten, die von pflichtwidrig handelnden, in das Geschehen eingebundenen Ärzten für ihnen unbekannte Personen unkontrolliert ausgestellt worden waren.“

Außerdem habe der Apotheker von vornherein mit dem Ziel gehandelt, sich in großem Umfang zu bereichern. Die Einschätzung des Landgerichts, dass der spätere Versand durch die Deutsche Post statt durch ein Logistikunternehmen von einer erhöhten kriminellen Energie zeuge, teilten die Richter am BGH aber nicht.

Die unerlaubte Ausfuhr von Medikamenten mache es unbedingt erforderlich, dass sich der Täter eines Versandunternehmens bediene. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass er eine höhere Schuld auf sich geladen haben soll. Der Fall wurde zurück nach München verwiesen.