Das Landgericht Potsdam hat den Gründer und Hintermann einer Gruppe von Arzneimittelfälschern zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Bande hatte seit 2008 im Internet gefälschte Potenz- und Schlankheitsmittel vertrieben – unter anderem auch Fälschungen von Levitra (Vardenafil) von Bayer. Der Konzern spricht von einem wegweisenden Urteil in einem der größten Verfahren gegen deutsche Fälscher.
Angeklagt waren laut Bayer insgesamt mehr als 20 Personen. Fünf von ihnen wurden nun wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt: Der 45-jährige Bandenchef erhielt dem Gericht zufolge eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Drei Mittäter im Alter von 37 und 42 Jahren wurden zu zwei Jahren verurteilt und ein weiterer zu einem Jahr und zwei Monaten. Letztere Haftstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Laut Gericht hatte die Bande die Fälschungen aus Indien und China bezogen, dort wurden sie hergestellt. Neben Levitra waren außerdem Cialis (Tadalafil) von Lilly und Viagra (Sildenafil) von Pfizer betroffen. Außerdem wurden gefälschte Schlankheitsmittel vertrieben. Die Präparate hätten die deklarierten Wirkstoffe entweder gar nicht enthalten oder in falscher, häufig zu hoher Dosierung. Über eventuelle Schädigungen von Konsumenten lägen keine belastbaren Erkenntnisse vor.
Mit dem Internethandel habe die Bande zwischen Oktober 2008 und April 2011 einen Umsatz von rund 21 Millionen Euro erwirtschaftet. 443.000 Bestellungen gingen bei den Fälschern ein, davon wurden 285.000 abgeschlossen. Rund 700 Webmaster hätten sich an den illegalen Aktivitäten beteiligt. Die jetzt Verurteilten seien sehr versiert im Umgang mit Computern gewesen: Der Haupttäter habe ein Anonymisierungsverfahren aufgebaut, mit dem die Webmaster die Präparate vertrieben, ohne identifiziert zu werden – die IP-Adresse konnte nicht nachvollzogen werden.
Bereits seit 208 ermittelte die Polizei, 2009 fanden die ersten Hausdurchsuchungen statt. 2011 konnte der Haupttäter in Uruguay in einer Lufthansa-Maschine festgenommen werden. Die Ermittlungen mündeten in mehrere Strafverfahren, drei davon wurden beim Landgericht Potsdam bereits abgeschlossen.
Ein viertes gegen vier weitere Tatverdächtige soll im September weiter verhandelt werden. Gegen zahlreiche Angeklagte werde im Rahmen von Strafbefehlverfahren ermittelt – dabei handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren für Fälle der leichten Kriminalität, das auch ohne mündliche Hauptverhandlung geführt werden kann.
In dem jetzt abgeschlossenen Verfahren hatte Bayer Nebenklage als geschädigtes Unternehmen eingereicht und zivilrechtliche Schritte gegen die Angeklagten angestrengt. Zwischen 2 und 3 Millionen Euro Schaden sei Bayer durch die Fälschungen entstanden, so der Konzern. Die Schadensersatzansprüche seien „in weiten Teilen auch erfolgreich“ gewesen, dennoch sei der Schaden damit bei weitem nicht abgedeckt worden, so Bayer.
„Wir hoffen mit dem jetzt vor dem Landgericht Potsdam erreichten Erfolg, für zukünftige Fälle eine abschreckende Wirkung erreicht zu haben“, schreibt der Konzern. Bayer wolle „sich gegen die illegalen Machenschaften der kriminellen Fälscherbanden zur Wehr zu setzen“, sagte Marina Bloch, die bei Bayer für die globale Anti-Produktpiraterie zuständig ist.
Laut einer Studie internationaler Wissenschaftler beträgt die Fälschungsquote in Industrieländern etwa 1 Prozent aller verkauften Arzneimittel. Kürzlich warnte etwa das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) vor möglichen Manipulationen des Arzneimittels Humira (Adalimumab). Gefälschte Packungen polnischen Ursprungs waren bei einem deutschen Parallelhändler identifiziert worden.
Auch für das HIV-Medikament Viread (Tenofovir) von Gilead gab es kürzlich Rückrufe wegen Manipulationen an der Verpackung, die bei Reimporteuren aufgefallen waren. Bereits im vergangenen Jahr war in Deutschland manipuliertes Herceptin aufgefallen.Ermittlungen ergaben, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall gehandelt hatte, sondern dass in Italien wiederholt Arzneimittel illegal in die Vertriebskette eingebracht worden waren. Zahlreiche Hersteller und Reimporteure mussten die Ware zurückrufen.
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