Es war nur ein Fehler, der die Omeprazol-Fälschungen auffliegen ließ und die Hintermänner ins Gefängnis brachte. Patienten hatten den Beipackzettel aufmerksam gelesen und eine falsche Wirkstoffangabe entdeckt. Heute geht vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess zu Ende. Die Staatsanwaltschaft fordert für den Hauptbeschuldigten viereinhalb Jahr Haft, die Verteidigung plädiert für ein Jahr weniger.
Am 23. November 2012 ging bei Ratiopharm eine Reklamation ein: Eine Apotheke aus Flensburg monierte, dass in einem Umkarton für die 40mg-Variante tatsächlich Kapseln zu 20mg enthalten waren. Nach zwei bis drei Wochen Recherche war klar, dass etwas nicht stimmte.
In Ulm wurde ein Krisenteam von fünf Experten zusammengestellt. Man habe einfach nicht glauben können, dass Generika aus wirtschaftlichen Motiven gefälscht würden, sagt der interne Chefermittler von Ratiopharm vor Gericht. Doch das Qualitätsmanagement des Lohnherstellers im spanischen Saragossa bestätigte, dass das Produkt nicht aus der eigenen Produktion stammte.
„Augenscheinlich war es eine gute Fälschung“, so der Zeuge. Bei näherer Überprüfung konnten mehrere Abweichungen vom Original ermittelt werden: Umverpackung und Beipackzettel wiesen unter UV-Licht eine mindere Papierqualität auf. Abweichung gab es auch bei den Etiketten und beim Verschlusssystem. Schließlich waren auch Kapseln und Pellets von einer anderen Sorte als das Original.
Die letzte Zeugin im Verfahren ist eine 35-jährige Frau. Sie vertritt ihre schwangere Schwester, die in der Lagerhalle in Henstedt-Ulzburg bei der Konfektionierung der Ware mitgearbeitet hat. Sie bestätigt, dass Kay J. täglich vor Ort war, um Mitarbeiter und Produktion zu überwachen. Er sei aber eher wie ein Kollege gewesen. Chef des Ganzen sei dessen Bruder Jürgen Andreas J. gewesen.
Zwei Sachen will sie noch loswerden: Nach der Festnahme am 19. März 2013 sei noch Lohn offen. Und: Sie haben die gefälschten Produkte auch ihrer Mutter zur Einnahme gegeben. „Ohne schädigende Wirkung. Aber es hat auch nicht wirklich geholfen.“
Nach einer Pause fasst der Richter zusammen. Man habe an diesem Beispiel gesehen, wie leicht das Arzneimittelüberwachungssystem auszuhebeln sei. Der Lohnhersteller in Spanien habe gegen Bargeld produziert.Abfüllung und Verpackung folgten in einem Hinterhof in Deutschland.Die Etiketten seien unter dem Vorwand, Umverpacker der jeweiligen Hersteller zu sein, bei einer Druckerei in Auftrag gegeben worden.Ausgeliefert wurde über einen Zwischenhändler.
Das Geschäft mit gefälschten Generika sei offensichtlich sehr lukrativ. Die gefälschten Produkte seien 12 Prozent unter Herstellerpreis angeboten worden. Bei Herstellkosten von 2 bis 5,9 Cent pro Kapsel sei ein Endpreis von 5 Euro für OTC-Produkte zu erzielen. Bei Rx-Packungen entsprechend mehr. Der Graumarkt führe zu weiterer Intransparenz: Die Fälschungen seien fünf Jahre unentdeckt geblieben und nur zufällig entdeckt worden.
Die Staatsanwaltschaft rechnet vor: Schwerer gewerbsmäßiger Betrug koste zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Für die widerrechtliche Nutzung fremder Marken seien zwischen 3 Monaten und 5 Jahren anzusetzen. Die Strafe für das Inverkehrbringen gefälschter Arzneimittel bei grobem Eigennutz liege zwischen einem und zehn Jahren.
Am Ende lautet der Strafantrag auf vier Jahre und sechs Monate für Jürgen Andreas J. und zwei Jahre und neun Monate für Kay J. Für die Angeklagten spreche: Es sei keine Gesundheitsgefahr von den Produkten ausgegangen. Kontrollen fehlten. Das Geständnis selbst. Hohe Gewinnmöglichkeiten, die die Tat begünstigen.
Die Verteidiger von Jürgen Andreas J. loben die staatsanwaltlichen Ermittlungen, bemängeln aber die lange Untersuchungshaft. Der Hauptangeklagte leide unter einer schweren Haftdepression, sogar akute Suizidgefahr habe bestanden. Als Strafe seien drei Jahre und sechs Monate angemessen, aufgrund der psychischen Situation solle J. vor Haftantritt seine Töchter und seinen Ziehsohn besuchen können. Es bestehe keine Fluchtgefahr. Der Verteidiger von Kay J. trägt vor, sein Mandant habe nicht aktiv in den Betrug eingegriffen und sei nur ein Erfüllungsgehilfe gewesen, der dafür Gehalt empfangen habe.
Ganz zum Schluss sprechen die Angeklagten: Er bereue zutiefst und habe nur den Wunsch, sich vor Haftantritt um seine Kinder kümmern zu können, sagt Jürgen Andreas J. Sein Bruder plädiert auf Bewährungsstrafe.
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