Industrieapotheker

Gericht: Teilzeit macht nicht „sachkundig“

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Berlin -

Während der Apotheker in seiner Apotheke bei Problemen den Kopf hinhalten muss, darf die Industrie die Haftung auf sogenannte Sachkundige Personen delegieren. Das sind meist Apotheker, die bei Anmeldung eine gewisse Berufserfahrung vorweisen müssen. Wenn dabei in einem Betrieb zu wenig zu tun ist, müssen sie eben bei mehreren Firmen unterkommen, hat das Verwaltungsgericht Weimar (VG) entschieden.

Laut Arzneimittelgesetz (AMG) wird der Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis als sachkundige Person erbracht durch die Approbation als Apotheker oder eine nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Pharmazie, der Chemie, der Biologie, der Human- oder der Veterinärmedizin abgelegte Prüfung sowie eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der qualitativen und quantitativen Analyse sowie sonstiger Qualitätsprüfungen von Arzneimitteln.

Bei einer Apothekerin aus Thüringen sah das zuständige Landesamt die Voraussetzungen als nicht erfüllt an und wies einen entsprechenden Antrag des Arbeitsgebers zurück. Die ausreichende praktische Tätigkeit habe nicht belegt werden können, hieß es.

Die Firma legte Widerspruch ein und zog parallel vor Gericht, um den Bescheid für nicht erklären und feststellen zu lassen, dass alle Anforderungen erfüllt seien. Die promovierte Mitarbeiterin habe von 2007 bis September 2014 als Leiterin der Qualitätsprüfung gearbeitet und nicht nur die dem akademischen Personal vorbehaltenen Arbeiten ausgeführt, sondern auch die Analysen persönlich durchgeführt.

Laut VG hätte das Landesamt zwar keinen verbindlichen Bescheid erlassen dürfen, da dafür die Rechtsgrundlage fehlte. Doch gleichzeitig kommen die Richter nach der eigenen Prüfung des Sachverhalts zu dem Schluss, dass die erforderliche Erfahrung trotz siebenjähriger Tätigkeit fehlte: In der mündlichen Verhandlung sei der Zeitraum, in dem sich die Mitarbeiterin konkret mit Analysen und Qualitätsprüfungen beschäftigt hat, nämlich auf 155 Stunden präzisiert worden, inklusive Vor- und Nacharbeiten insgesamt 395 Stunden. Über den Zeitraum von sieben Jahren ergeben sich laut VG so 50 Arbeitstage, was 0,3 Prozent der normalen Jahresarbeitszeit mit 220 Arbeitstagen entspricht.

Zwar seien im AMG keine festen quantitativen Vorgaben, etwa in Form einer Mindestzahl von Analysen, vorgegeben. „Das Erfordernis einer mindestens zweijährigen Tätigkeit ist aber sehr wohl eine quantitative Vorgabe in zeitlicher Hinsicht, die ad absurdum geführt würde, wenn in diesen zwei Jahren jede auch nur gelegentliche oder sporadische Tätigkeit auf dem Gebiet der Analyse von Arzneimitteln ausreichen würde“, heißt es im Urteil.

Die Frage, ob die Qualitätsprüfungen in der Auslegung des AMG den größten Umfang innerhalb der Tätigkeit ausmachen müssen, wollten die Richter nicht beantworten, da im konkreten Fall „noch nicht einmal von einer wesentlichen Nebenbeschäftigung ausgegangen werden“ könne.

Das Unternehmen hatte noch darauf verwiesen, dass die handwerkliche Durchführung der Qualitätsprüfung üblicherweise Sache von Laboranten, PTA oder auch nur angelernten Hilfskräften sei und das akademisch ausgebildete Personal vielmehr die Aufgabe habe, die entsprechenden Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und zu interpretieren.

Insofern gehe es bei der praktischen Tätigkeit nach AMG vielmehr darum, „Kenntnisse zu vermitteln, die zu der Wahrnehmung der Funktion unter den praktischen Verhältnissen und Fragestellungen eines real existierenden Betriebes notwendig sind“. So seien die Umsetzung arzneimittelrechtlicher Bestimmungen in der Praxis, der Umgang mit unvorhergesehenen Abweichungen, Qualitätsmängeln sowie die Bewertung von Analyseverfahren und deren Ergebnissen viel wichtiger als die praktischen Methoden, die schon während des Studiums vermittelt und auch geprüft würden.

Doch dieses Argument ließen die Richter genauso wenig gelten wie die Tatsache, dass die Mitarbeiterin sogar alle angefallenen Analysetätigkeiten selbst übernommen habe und ein Mehr an Analysetätigkeit schlichtweg nicht angefallen sei. Der Begriff der zweijährigen praktischen Analysetätigkeit sei objektiv zu verstehen, nicht betriebsbezogen, so das VG. Das AMG spreche nur von einem „Betrieb“, nicht notwendig von einem „Anstellungsbetrieb“. Noch deutlicher werde dies in der entsprechenden EU-Richtlinie, die von einer zweijährigen Tätigkeit in einem oder mehreren Unternehmen mit einer Herstellungserlaubnis spreche. Berufung beim Thüringer Oberverwaltungsgericht wurde zugelassen.

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