Rezeptpflichtige Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte gehören auf der Auktionsplattform Ebay fast schon zum Alltag. Derzeit gibt es aber ein besonderes Angebot: eine Packung des Schlafmittels Contergan (Thalidomid).
Der Nutzer „autoschrauber99“ bietet derzeit eine Packung Contergan forte zum Verkauf. „Ich habe beim Aufräumen EINE org. verpackte Contergan gefunden. Es ist noch EINE Tablette in dem Röhrchen. Etwas für Sammler“, schreibt er. Und: „ Keine Garantie oder Rücknahme.“ Das Angebot läuft noch bis zum 28. Juni um 16.09 Uhr. Bislang gibt es vier Gebote, derzeit steht das Präparat bei 13,10 Euro.
Die Packung enthielt einmal zwölf Tabletten. Abgegeben wurde sie in der Marien-Apotheke in Saarburg. Die Mitarbeiter hatten auf der Packung vermerkt, dass abends eine Tablette eingenommen werden solle.
Die Firma Grünenthal hatte das Präparat 1957 auf den Markt gebracht – und es 1961 wieder vom Markt genommen. Contergan löste den größten Medikamenten-Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte aus: Ende der 1950er Jahre kam es zu einer Häufung von Missbildungen bei Neugeborenen. Bei den Kindern kam es zu schweren Fehlbildungen der Gliedmaßen.
Zunächst glaubte man an eine zufällige Häufung, bis deutsche, britische und australische Forscher unabhängig voneinander Thalidomid als Ursache ausmachten. Grünenthal reagierte zunächst nicht auf die Warnungen. 1961 hatte das Unternehmen unter den barbituratfreien Schlafmitteln bereits einen Marktanteil von 46 Prozent. Am 27. November 1961 zog Grünenthal das Präparat aus dem Verkehr. Weltweit kamen etwa 10.000 Kinder mit Missbildungen vor allem an Armen und Beinen zur Welt. Nach Angaben von Opferverbänden leben in Deutschland 2800 Betroffene.
In den 1960er Jahren zahlte Grünenthal rund 100 Millionen Mark zugunsten der Opfer in eine Stiftung ein. Mit dem 1972 verabschiedeten Stiftungsgesetz hatten die Opfer automatisch keine Möglichkeit mehr, das Unternehmen auf Schadenersatz zu verklagen. 2009 zahlte Grünenthal 50 Millionen Euro in die Conterganstiftung ein. Das Unternehmen hatte die Opfer Ende August 2012 erstmals um Entschuldigung gebeten.
Die Contergan-Opfer fordern seit langem eine Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung und finanziellen Lage. Nach einer Studie der Universität Heidelberg sind die Geschädigten in vielen Bereichen unterversorgt. Etwa jedes dritte Opfer könne nicht mehr arbeiten. Mit zunehmenden Beschwerden bräuchten die Betroffenen zugleich immer teurere Hilfsmittel und Umbauten in den Wohnungen. Vor diesem Hintergrund wurde 2013 die Rente für Conterganopfer von maximal 1152 auf einen Höchstbetrag von 6912 Euro aufgestockt.
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