ARD: Von Lieferengpass bis Apothekenkrise APOTHEKE ADHOC, 30.10.2018 14:54 Uhr
„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Den Satz kennt jedes Kind. Wer regelmäßig Arzneimittel einnehme, wisse, was er an seinem Apotheker habe, heißt es in der ARD-Sendung „W wie Wissen“. Die Reporter zeigen jedoch auf, dass die Arzneimittelversorgung nicht selbstverständlich ist und der Einsatz der Apotheker lebensrettend sein kann.
Dank der Apotheke bekomme jeder in kürzester Zeit das Arzneimittel, das er benötigt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, oder? Die Frage wird klar mit einem Nein beantwortet. Denn der Nachschub verschiedener Arzneimittel wird knapp. Lieferengpässe gehören zum Alltag in Apotheken. Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kämpft Dr. Michael Baehr gegen die Lieferengpässe. Der Apotheker beschreibt die Lage als brisant: „Wir kämpfen jeden Tag darum, unsere Arzneimittel zu bekommen.“ Die Liste werde ständig länger. Ein Problem sieht der Apotheker in der großen Abhängigkeit, die in der Auslagerung der Produktion in andere Länder begründet ist.
Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske kritisiert die Lage seit Langem. Die Profitmaximierung stehe vor der Patientenversorgung, so der Pharmakritiker. Am Ende bekomme derjenige das Arzneimittel, der auch am meisten dafür bezahle. Auch Volker Bahr von Medac bedauert die Zustände: Der finanzielle Druck sei so groß, dass im Ausland produziert werden müsse. Denn dort herrschten andere Umweltstandards, eine andere Entlohnung und geringere Kosten. Arzneistoffe, die auf der Liste der essentiellen versorgungskritischen Wirkstoffe stehen, sollten beispielsweise vor Rabattverträgen geschützt werden, fordert Bahr.
Das Fazit: „Nur dank des Einsatzes von Ärzten und Apothekern ist bisher niemand durch Medikamentenengpässe zu Schaden gekommen.“ Dennoch gerate die Zunft des Apothekers immer mehr unter Druck – nicht zuletzt aufgrund des Bottroper Zyto-Skandals, der den Apothekern einen großen Vertrauensverlust einbrachte und die Forderung nach strengeren Kontrollen der Zyto-Laboren aufkommen ließ. Denn das System habe den Pfusch erst möglich gemacht. In Nordrhein-Westfahlen habe man reagiert: Die Zytostatika-herstellenden Apotheken sollen einmal im Jahr unangekündigt kontrolliert werden – inklusive Probe.
Ist die klassische Apotheke ein Auslaufmodell? Landapotheken schließen und das Internet ist die große Bedrohung, erklären die Reporter. Denn Beratung sei das eine, aber der Apotheker sei als freier Heilberufler auch Kaufmann. Ausländische Versender und Apotheken vor Ort unterlägen jedoch unterschiedlichen Gesetzen in Bezug auf die Preisgestaltung. Genau dies mache den Apotheken zu schaffen. Denn für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelte die Arzneimittelpreisverordnung, sprich Festpreisbindung. Für die ausländischen Versandapotheken jedoch nicht. Apotheken vor Ort machen laut Beitrag etwa 80 Prozent ihres Umsatzes mit Rx, 10 Prozent entfallen auf apothekenpflichtige Produkte – die frei kalkulierbar sind –, der Rest entfalle auf Produkte wie Säfte und Nahrungsergänzungsmittel.
Ein weiteres Thema des Beitrags sind Arzneimittelfälschungen. Laut WHO sterben pro Jahr etwa eine Million Menschen an gefälschten Arzneimitteln. „W wie Wissen“ zeigt das Ausmaß am Beispiel Kamerun. In mehreren Monaten wurden mehr als 300 Arzneimittel in 18 zugelassenen Apotheken und sechs Schwarzmarkt-Shops gekauft. Das Ergebnis ist eine Katastrophe: Bislang wurde etwa Zweidrittel der Proben in Tübingen ausgewertet. 35 Prozent der Schwarzmarktware und mehr als 30 Prozent der Arzneimittel aus der Apotheke sind minderwertig. 3 Prozent vom Schwarzmarkt sind gar gefälscht.
Die Untersuchungen zeigen, dass ein Arzneimittel anstelle von Penicillin Paracetamol enthält. Antibiotika seien für Fälscher besonders lukrativ, da sie in großen Mengen benötigt werden. In einem anderen Fall wurde bei einem Asthmamedikament zwar ein Wirkstoffgehalt von 100 Prozent ermittelt, jedoch liegt die Freisetzungsrate bei nur 12 Prozent – zu wenig für eine Therapie. Doch gemäß der Definition der WHO ist hier nicht von einer Fälschung, sondern von einem minderwertigen Produkt die Rede.