Entsorgung

Apothekerin zahlt fürs Müllsammeln

, Uhr
Berlin -

Abgelaufene Tropfen, abgesetzte Pillen: Alte Arzneimittel können in der Regel bequem über den Hausmüll entsorgt werden. Aber auch viele Apotheken bieten eine kostenlose Annahme von Medikamenten an. Dieser Service kostet sie aber nicht nur Geld, sondern immer wieder auch Nerven. So musste sich Apothekerin Kristina Fliege aus Artern nicht nur mit der plötzlichen Vertragskündigung des spezialisierten Entsorgungsunternehmens herumschlagen, sondern auch mit den herkömmlichen Entsorgungsbetrieben der Stadt, die zusätzliche Gebühren für die abgegebenen Quecksilberthermometer verlangen.

Wer mal seine Hausapotheke entrümpelt, hält schnell eine ansehnliche Menge abgelaufener oder nicht mehr gebrauchter Medikamente in den Händen. Doch wohin damit? Das wissen nicht alle so genau. So ergab ein Projekt des Bundesforschungsministeriums (BMBF) vor zwei Jahren, dass noch immer 47 Prozent der Deutschen ihre Altarzneimittel über das Abwasser entsorgen. Laut Bundesumweltministerium (BMUB) zählen Altarzneimittel jedoch zum Siedlungsabfall und gehören deshalb in den Hausmüll. Eine weitere Möglichkeit ist, in einer Apotheke zu fragen, ob dort alte Arzneimittel zurückgenommen werden. Das gehört nicht mehr zu Pflichtleistungen der Apotheken, viele bieten es aber nach wie vor an. Und zwar auf eigene Kosten.

So wie Kristina Fliege. Bis vor wenigen Monaten konnten Kunden in ihrer Engel-Apotheke im thüringischen Artern ihre alten Medikamente dort abgeben. Doch dann kündigte die Entsorgungsfirma plötzlich und einseitig den Vertrag. Die letzte Abholung fand wie geplant Ende Mai statt. „Leider ist es wirklich ein Problem“, sagt die Apothekerin. „Denn ich kenne kein weiteres Unternehmen, das solche Dienste anbietet.“ Auch bei der Stadtverwaltung konnte man ihr nicht helfen. Die normalen Entsorgungsbetriebe seien dafür nicht zuständig.

Doch viele Kunden wollten oder konnten sich nicht daran gewöhnen und brachten ihre abgelaufenen Arzneimittel weiterhin in die Apotheke. „Wir sagten zwar, dass wir keine Altmedikamente mehr annehmen können“, berichtet die Apothekerin. „Viele Kunden fühlen sich aber einfach nicht wohl dabei, Arzneimittel einfach in den Hausmüll zu schmeißen.“ Denn in der Regel sei der Hausmüll leicht zugänglich und unverschlossen. Vor allem wenn es im Haushalt Kinder gibt, befürchteten viele, dass sie die bunten Pillen entdecken, für Bonbons halten und schlucken. Auch würden Kunden zweifeln, ob der Hausmüll tatsächlich so fachgerecht entsorgt werde, dass die Medikamente der Umwelt keinen Schaden zufügen.

„Ich habe immer wieder beim Unternehmen nachgefragt, ob es doch möglich sei, dass Altmedikamente wieder abgeholt werden“, berichtet Fliege. Und sie war offenbar nicht die einzige. Denn wenige Monate später kam die gute Nachricht, dass das Unternehmen überlegt, den Service wieder einzuführen. Offenbar haben sich einige Apotheken aus der Region über den Stopp beschwert. Vor wenigen Tagen kam dann die endgültige Zusage: Ab Oktober würde man wieder kommen. Allerdings hat man den Preis für den Dienst um rund 25 Prozent angehoben. Nun zahlt die Apothekerin 49 Euro netto pro Quartal für einen Dienst, den sie ihren Kunden kostenlos anbietet.

Das sei schon in Ordnung, sagt sie. Was die Apothekerin jedoch durchaus ärgert, ist die Tatsache, dass sie beispielsweise beim Schadstoffmobil der Stadt als gewerblicher Anbieter behandelt wird und für die Entsorgung zahlen muss. „Die Kunden bringen eben zusammen mit Altmedikamenten auch solche Sachen wie Quecksilberthermometer mit“, berichtet sie.

Sie würden in der Apotheke zunächst gesammelt und dann zum Schadstoffmobil gebracht. „Ich entsorge sie quasi im Auftrag der einzelnen Kunden, die ja Privatpersonen sind, und erspare sowohl ihnen als auch den Menschen, die beim Schadstoffmobil arbeiten einigen Aufwand. Und dann muss ich dafür auch noch zahlen“, erläutert sie ihre Sicht der Dinge. „Ich übernehme also eine Aufgabe und dann wird es mir auch noch schwerer als nötig gemacht.“ Ähnlich sei es während der Monate gelaufen, in denen eigentlich keine Altmedikamente mehr angenommen werden sollten. „Wir haben es dann teilweise doch aus Kulanz gemacht und über unseren eigenen Hausmüll entsorgt. Aber auch dafür habe sie als gewerblicher Anbieter zusätzlich zahlen müssen.

Grundsätzlich gilt: Altarzneimittel können mit dem Hausmüll entsorgt werden. Seit dem 1. Juni 2005 sind die öffentlich-rechtlichen Entsorger – sprich: die Müllabfuhr – in Deutschland dafür zuständig, den „stofflich nicht verwertbaren Restabfall“ vor der Deponierung zu verbrennen oder gegebenenfalls mechanisch-biologisch zu behandeln. Dies soll die enthaltenen Schadstoffe vorgeblich ausreichend deaktivieren. Selbst „hausmüllähnlicher Abfall von Einrichtungen wie Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflegeeinrichtungen“ ist hier eingeschlossen.

Die Entsorger verfahren deutschlandweit unterschiedlich mit Sondermüll aus Apotheken. Am Beispiel Berlin lässt sich dies leicht veranschaulichen. Hier kann die schwarze Medi-Tonne bei der BSR bestellt werden. Sie ist mit einem orangenen Sticker gekennzeichnet: „Altmedikamente, gemischte Siedlungsabfälle und nichtinfektiöse medizinische Abfälle“. Die Medi-Tonne ist kostenpflichtig: Bei 120 Litern entrichtet die Apotheke 33,49 Euro, das doppelte Volumen kostet 39,07 Euro. Beim Müllheizkraftwerk in Ruhleben wird der gesammelte Inhalt alle 14 Tage verbrannt und als Heißdampf energetisch wieder nutzbar gemacht.

Viele Gemeinden bieten eine Beseitigung von Medikamenten über Schadstoffmobiles an. Als „Sondermüll“ sind etwa die folgenden Altarzneimittel zu behandeln: Chemikalien, spitze oder infektiöse Gegenstände wie Spritzen und Kanülen, Zytostatika, Verbandmaterialien, Sprays mit Asthmatika, Quecksilberthermometer, infektiöse Materialien wie Impfstoffe. Bei Spritzen und Kanülen kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn diese „durchstichsicher“ – wie in einem Kanüleneimer – verpackt sind. Anderenfalls sollten auch sie gesondert entsorgt werden. Salben mit Kortisonen müssen dagegen – falls die Tube beschädigt ist – unbedingt in den Sondermüll. Ist die Tube unbeschädigt, lässt sie sich als Hausmüll entsorgen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
Mehr aus Ressort
Saison startete 3 Wochen früher
Klimawandel verlängert Stechmücken-Zeit
Bei kaum längeren Fahrzeiten
Bessere Schlaganfallversorgung möglich

APOTHEKE ADHOC Debatte