Apothekerin: Verfahren wegen Qualitätsmanagement Lothar Klein, 06.11.2020 10:12 Uhr
Seit bald 20 Jahren arbeitet Kalliopi Bamiatzi als Apothekerin. Sie ist Inhaberin der Paulinen Apotheke im Gerber in Stuttgart. Seit 2011 hält sie sich nach eigenen Angaben in ihrer Apotheke penibel an die QMS-Regeln: „Ich hatte das Handbuch, ich hatte alles.“ Doch jetzt hatte sie Ärger mit der Aufsicht und der Landesapothekerkammer – weil die Festplatte ihres Computers kaputtging und sie für wenige Wochen den QMS-Nachweis nicht vorlegen konnte. „Das ist demütigend“, schimpft sie über das aus ihrer Sicht viel zu strenge Vorgehen der Standesvertretung.
Irgendwann kam Bamiatzi die Idee, den ganzen QMS-Papierkram zu digitalisieren: „Ich habe alles eingescannt und in einem QMS-Ordner auf meinem Computer abgelegt“, berichtet sie. Sie fühlte sich damit auf der sicheren Seite. Doch dann geschah das „Riesenunglück“. Die Festplatte des Computers verabschiedete sich, ging kaputt. Ausgerechnet dieser Rechner war aber nicht an das EDV-Sicherheitssystem ihrer Apotheke angeschlossen. Es gab kein Backup, der QMS-Ordner war verschwunden und nicht wiederherstellbar. Die Daten von Ende August 2018 bis zum 13. Dezember 2018 waren betroffen.
Wie das Leben so spielt, kam wenig später der Pharmazierat zur Kontrolle. Dieser stellte ordnungsgemäß fest, dass die Paulinen Apotheke für den besagten Zeitraum kein QMS nachweisen konnte. Das Regierungspräsidium Stuttgart verhängte daraufhin ein Bußgeld von 600 Euro – und Apothekerin Bamiatzi zahlte prompt. Sie nahm an, damit sei die unerfreuliche Angelegenheit erledigt.
Zwei Jahre später meldete sich aber die Landesapothekerkammer und leitete ein Verfahren ein. „Ich dachte, die Kammer ist unser Freund“, so Bamiatzi. „Stattdessen reißen sie uns auseinander, wenn sie kommen.“ Sie habe zahlreiche QMS-Zertifikate erworben, an Fortbildungen teilgenommen und könne dies wegen des Computerschadens nur für wenige Monate nicht nachweisen. Mehr noch, die Kammer nehme ihre Bußgeldzahlung jetzt als Schuldeingeständnis.
An 10. Oktober schrieb die Kammer, sie beantrage gegen Bamiatzi nach der Berufsgerichtsordnung vor dem Berufsgericht für Apotheker in Stuttgart ein nicht förmliches Verfahren. Man schuldige sie an, „gegen die Pflichten verstoßen zu haben, die eine Apothekerin zur Wahrung des Ansehens ihres Berufes obliegen, indem sie von Ende August 2018 bis zum 13. Dezember 2018 es unterließ, das vorgeschriebene Qualitätsmanagement in der Paulinen-Apotheke zu betreiben“. Bamiatzi habe sich dadurch „berufsrechtswidrig“ im Sinne der Berufsordnung verhalten.
Zur Sache führt die Landesapothekerkammer in ihrem Schreiben aus, dass die Apotheke am 27. September 2018 durch einen Pharmazierat überprüft wurde. Bei der Überprüfung sei festgestellt worden, dass in der Apotheke das vorgeschriebene QMS nicht betrieben worden sei: „Es gab keine Selbstinspektionen und Maßnahmen zu externen Qualitätsprüfungen.“ Eine entsprechende Dokumentation sei nicht vorhanden gewesen. „Apothekerin Frau Bamiatzi bringt – unwiderlegt – vor, sie habe bis August 2018 das vorgeschriebene Qualitätsmanagement geführt“, so das Schreiben. Infolge eines Defekts am Arbeitsrechner der Apotheke seien die entsprechenden Unterlagen verloren gegangen.
„Diese Einlassung vermag sie nicht vollständig zu entlasten, weil die Apothekerin nach dem Verlust der Unterlagen im August 2018 dafür Fürsorge tragen musste, das Qualitätsmanagementsystem ab September 2018 bis spätestens zum 13. Dezember 2018 wieder einzurichten“, so die Kammer. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe nur wegen der am 13. Dezember 2018 festgestellten Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro verhängt. Die bereits am 27. September 2018 festgestellte Ordnungswidrigkeit sei in dem Bußgeldbescheid nicht sanktioniert worden, „was im berufsgerichtlichen Verfahren nachzuholen ist“. Daher beantrage die Kammer, gegen Bamiatzi „als berufsgerichtliche Sanktion einen Verweis auszusprechen.“
Nach der Lektüre dieser Zeilen war die Apothekerin zunächst sprachlos – auch wegen der Tonlage des Schreibens. Jetzt will sie sich einen Anwalt nehmen und sich zur Wehr setzen. Der Computerfehler sei in der Urlaubszeit 2018 aufgetreten. „Da hatte ich keine Zeit, sofort alle QMS-Unterlagen wieder zu ordnen“, so Bamiatzi. Und jetzt zwinge sie die Kammer, sich teure Anwälte zu nehmen. „In der zweiten Corona-Welle brechen sie uns jetzt auch noch die Beine.“
Wegen der kurzen Zeitspanne so ein Verfahren einzuleiten, kann die Apothekerin nicht verstehen: Sie findet das Vorgehen der Kammer „weder verhältnismäßig noch adäquat“. „Ich fühle mich gedemütigt und bin enttäuscht“, so Bamiatzi. Außerdem ärgert die Apothekerin, dass die Kammer selbst seit 2013 keine QMS-Kurse mehr anbiete und auch keine Zertifikate ausstelle. Wegen zu „geringer Nachfrage“, wird die Kammer erläutert. „Bei mir kümmert die Kammer die Nachfrage auch nicht, wenn es um die Einhaltung der Regeln geht“, schimpft die Apothekerin.
Zum Sachverhalt will sich die Kammer auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC nicht äußern. „Da es sich bei berufsrechtlichen Verfahren um nicht öffentliche Verfahren handelt, können wir hierzu keine Auskunft erteilen“, so die Antwort. Die berufsgerichtlichen Maßnahmen gegen die Apothekerin könnten Warnung oder Verweis, eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro, die Aberkennung der Mitgliedschaft in den Organen der Kammer und den Vertretungen und Ausschüssen der Untergliederungen sowie die Aberkennung des Wahlrechts und die Wählbarkeit in die Organe der Kammer bis zur Dauer von fünf Jahren sein.