Hilfseinsatz

Apothekerin hilft nach Karibik-Hurrikan Torsten Bless, 08.11.2017 14:39 Uhr

Berlin - 

Ihre Namen klingen so harmlos, doch die Hurrikane Irma, Maria und José richteten in der Karibik verheerende Schäden an. Für die Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen (AoG) unterstützte Bettina Rüdy die Menschen vor Ort, die Medikamentenversorgung auf der Insel Dominica wiederherzustellen.

Vor etwa sieben Jahren fand Rüdy zur Organisation. „Als ich von Apotheker ohne Grenzen erfahren habe, dachte ich mir, das ist es.“ Ihre Kinder seien damals schon in einem Alter gewesen, das ehrenamtliches Engagement erlaubte. Zwei Schulungen qualifizierten sie zur Einsatzhelferin. „Hier wurde vermittelt, welche Medikamente wichtig sind und wie sie am besten ins Land gebracht werden. Arzneimittel sollten etwa nicht in Blistern verpackt, sondern als Schüttware in Dosen eingeführt werden, damit sie leicht in kleine Tütchen umgefüllt werden können.“

Auch über den Umgang mit Denk- und Handelsweisen in einer fremden Kultur habe sie viel erfahren: „Sie können sich schon mal sehr von der uns gewohnten unterscheiden. Wenn wir erklären, wie Medikamente eingenommen werden, müssen wir eine überall leicht verständliche Sprache wählen.“

Dank ihrer Missionen in vielen Teilen der Welt ist Rüdy bereits katastrophenerprobt. So war sie nach einer Flutkatastrophe vor Ort in Serbien und Bosnien-Herzegowina, half den Opfern des Taifuns Hayan auf den Philippinen und denen des Hurrikans Matthew auf Haiti. Vor zwei Monaten zogen drei Hurrikans mit Windgeschwindigkeiten bis zu 260 Stundenkilometern über die Karibik hinweg.

In der Nacht vom 18. und 19. September traf Hurrikan Mary die Inselrepublik Dominica. Auf Bitte der US-Hilfsorganisation International Medical Corps (IMC) übernahm AoG dort die pharmazeutische Versorgung. Rüdy reiste am 9. Oktober gemeinsam mit ihrer Düsseldorfer Kollegin Yasmin Thabet an.

„Dominica ist eine sehr kleine Insel mit 72.000 Einwohnern. Hier gab es kaum schwer verletzte oder traumatisierte Menschen, weil sie in ihren Häusern geblieben sind, als nachts der Sturm kam. “ Auch die Ausgangsvoraussetzungen seien andere als zuletzt auf Haiti: „Dominica ist kein extrem armes Land und hat eine recht gute Infrastruktur.“ Ein Teil der Häuser sei noch bewohnbar gewesen. „Da konnten die Eltern zu den erwachsenen Kindern oder die Schwester zum Bruder ziehen.“

Schwer getroffen hatte es die Zentralapotheke in der Hauptstadt Roseau. Sie hat in etwa die Funktion eines Großhandels und versorgt die ganze Insel, die beiden Krankenhäuser, ambulanten Gesundheitsposten und Arztpraxen mit Medikamenten. „Das Dach war weg, der Lagerraum mit den Medizinprodukten überschwemmt“, so Rüdy. Die beiden Deutschen packten bei den Aufräumarbeiten an. „So konnten wir eine gute Basis für eine Zusammenarbeit mit den Einwohnern legen.“

Danach versuchten sich die Kolleginnen mit Hochdruck einen Überblick zu verschaffen, welche Medikamente noch brauchbar waren und was auf der Insel gerade akut benötigt wurde. Gar nicht so einfach, denn Telefon und Fax waren zusammengebrochen. Also bereisten Rüdy und Thabet die gesamte Insel. Sehr viele der vorhandenen Gesundheitsposten seien schon zuvor nicht im besten Zustand gewesen. „Der Sturm hat ihnen dann den Rest gegeben“, so Rüdy.

Da sei viel Improvisationstalent gefordert gewesen. „Die Menschen haben einander super geholfen. Was die eine Station nicht mehr leisten konnte, hat die andere im Dorf nebenan übernommen“, berichtet die Helferin. „Notfalls mussten die Patienten ein wenig weiter fahren, um Unterstützung zu erhalten.“ Die Gesundheitsposten hätten ihre Fahrer zur Zentralapotheke geschickt, um ihren Bedarf an Medikamenten und Hilfsmitteln anzumelden. Ein Apotheker, dessen Lager dem Sturm zum Opfer fiel, sei mit den noch übrig gebliebenen Medikamenten von Dorf zu Dorf gezogen.

„Nach unserer Tour hatten wir einen guten Überblick, was wirklich gebraucht wurde und konnten gezielt Spenden anfordern“, sagt Rüdy. Größere Fehlbestellungen aufgrund mangelnder Fachkenntnisse hätten so vermieden werden, die richtigen Arzneimittel in der richtigen Menge bestellt werden können, lobt AoG ihre Freiwilligen.

Ende Oktober musste Rüdy wieder zurück in die Heimat. Das nächste Freiwilligenduo hat die Arbeit bereits aufgenommen. Fast alle Bewohner von Dominica sind laut Angabe von UN OCHA weiter auf Hilfe angewiesen. 31 Millionen US-Dollar würden noch bis Jahresende benötigt, um beim Wiederaufbau der Lebensgrundlagen zu helfen. Doch habe sich die humanitäre Lage von Tag zu Tag ein wenig mehr entspannt, beobachtete Rüdy, die selbst in den ersten Tagen ohne fließendes Wasser in ihrer Unterkunft auskommen musste.

Im Helferpool von AoG sind etwa 200 Menschen registriert. „Bisher hat das immer sehr gut geklappt, ich hatte bisher ganz tolle Kolleginnen“, bekundet Rüdy. „Da entstehen freundschaftliche Bande. Auch nach dem Einsatz hält man den Kontakt und besucht sich gegenseitig.“

So eine Arbeit zu leisten, geht nicht ohne Rückendeckung in der Heimat. Rüdy arbeitet als angestellte Pharmazeutin in der Antonius-Apotheke im westfälischen Rietberg-Mastholte. „Mein Chef Dr. Klaus Lohmann und meine Kollegen unterstützen mich immer, das ist toll.“ Selbst wenn sie mit der Tür ins Haus fallen müsse: „Meist kann ich erst vier Tage bis eine Woche vor dem nächsten Einsatz sagen, dass ich mal wieder zwei Wochen Urlaub brauche. Da ist Flexibilität von allen gefordert, das restliche Team muss dann anders oder mehr arbeiten.“ Auch ihre Kinder, heute 21, 20 und 17 Jahre alt, fänden das Engagement ihrer Mutter gut. „In früheren Jahren sind dann Papa und Oma eingesprungen, heute findet es der Jüngste gut, wenn er mal eine sturmfreie Bude hat.“