In Zeiten des Fachkräftemangels, wo Apothekeninhaber approbiertes Personal suchen und nicht finden, wandern immer mehr junge Apotheker in andere Branchen des Gesundheits- und Pharmawesens aus. So wie auch Laura Elbmann*, die nach zwei Jahren Apothekenalltag mit der Geduld am Ende ist. Dreiste Kunden, ein sozial inkompetenter Chef und Willkür der Krankenkassen brachten sie dazu, kürzlich ihren Job in einer kleinen Apotheke in NRW zu kündigen und sich etwas Neues zu suchen. Auslöser waren die Kompressionsstrümpfe einer Kundin. Von der Offizin- zur Zyto-Apothekerin – die Geschichte einer Enttäuschung.
Die Beratung zu Kompressionsstrümpfen zählt nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen der Apotheker. Das Studium entlässt sie als Naturwissenschaftler und Heilberufler, Apothekeninhaber sind zusätzlich Kaufleute. Doch die Kunden kämen häufig mit der Erwartungshaltung, dass jeder in der Apotheke auch noch zu maßangefertigten Strümpfen Rede und Antwort stehen kann, empört sich Elbmann. Eine Kundin hatte sich bei ihr beschwert, dass die Hose zwickt. Sie wollte eine Doppelnaht, hatte das aber nicht explizit gesagt. „Ich wusste nicht, dass die gewünschte Strumpfhose einen ,Komfort-Zwickel' haben sollte – woher denn auch“, so Elbmann. Trotzdem habe die Kundin sie dafür verantwortlich gemacht.
In diesem Moment wurde der 33-jährigen Pharmazeutin klar, dass der Platz am HV-Tisch vielleicht nicht der richtige für sie ist. Sie fühlte sich schlicht überfragt, legt aber Wert auf kompetente Beratung. Der Chef habe aber keine Fortbildungen bezahlt. „Warum bieten wir solche Services dann überhaupt in der Apotheke an? Bei uns können das nur zwei Personen und wenn die fehlen, können wir den Kunden nicht wirklich weiterhelfen“, moniert Elbmann. Mitarbeiter des Sanitätshaus seien hingegen alle geschult. „Wir werden retaxiert und verdienen noch nicht mal was daran“, fasst Elbmann die für sie unangenehme Situation zusammen.
Viele Apothekeninhaber hätten Angst, dass die Kunden zur Konkurrenz gehen. Etliche Probleme des Apothekenalltags schreibt Elbmann der aus ihren Sicht überreizten „Der Kunde ist König“-Mentalität der Apotheken zu. Dies führe unter anderem zu dreisten Forderungen und all zu hohen Erwartungen der Kunden: „Ich habe nicht studiert, um mich von ihnen entwürdigen zu lassen“, so das Fazit der Jungpharmazeutin.
Elbmann hatte eigentlich nie vor, in der Apotheke zu arbeiten. Doch nach den ersten Tagen in der Offizin im Praktischen Jahr habe sie gemerkt, dass ihr die Kundenberatung doch liege. Die intensive pharmazeutische Beratung liegt ihr am Herzen. „Vor allem Ältere schätzen die Apotheke und dass wir immer ein Ohr für sie haben.“ Viele von ihnen würden sich von den Ärzten nicht verstanden fühlen.
Und auch die Apotheken müssen aus ihrer Sicht viel Energie aufwenden, um mit den Ärzten zu kommunizieren. „Während wir im dritten Staatsexamen zu Umgang und Belieferung von Rezepten geprüft werden, wissen Ärzte oft nicht, wie man eine Verordnung richtig ausstellt. Ich hatte mal ein Privatrezept über Ritalin in der Hand, ausgestellt von einem Augenarzt.“ Entsprechende Kurse sollte es aus ihrer Sicht auch im Medizinstudium geben sowie Fortbildung zur korrekten Ausstellung von Rezepten. Denn aktuelle Änderungen seien in den Praxen oftmals nicht bekannt. Und dann müssten die Apotheker wieder alles ausbaden.
Doch Ärger mit schwierigen Kunden und Ärzten sind nicht der einzige Grund für ihre Kündigung. „Meine Arbeit wurde von meinem Chef einfach nicht geschätzt“, beklagt Elbmann. Und das gelte nicht nur für sie. Auch die Kollegen im Backoffice würden nicht ausreichend wertgeschätzt. Das sei doch keine Arbeit, habe ihr Chef einmal gesagt. Ihm fehlte die soziale Kompetenz: „Chef sein bedeutet nicht nur, Rechnungen und Gehälter zu zahlen.“
Irgendwann war sie es leid, mit Genehmigungen, Rabattverträgen und Lieferengpässen zu kämpfen. „Wenn etwas nicht lieferbar ist, hört man dann von einigen Kunden: ,Sie müssen doch als Apotheke gewährleisten, dass ich meine Medikamente kriege. Sie müssen es doch da haben.’ Immer dieses ,müssen’.”
Hinzu käme die Willkür der Krankenkassen, denn hinter den Entscheidungen stecke meistens kein System. Entweder habe man Glück mit der Sachbearbeiterin oder eben nicht. „Wir sind die Vollidioten des Gesundheitssystems“, sagt sie. „Schade, dass Einzelfälle den Spaß am Beruf verderben.“
Jetzt versucht sie einen Neustart. Elbmann hat eine Stelle in der Leitung der Zytostatika-Herstellung angetreten. Sie freut sich auf die neue Herausforderung. Und auch die Arbeit in der Apotheke hat ihr schöne Erlebnisse beschert. „Viele Kunden aus dem Notdienst kamen am nächsten Tag in die Apotheke, um sich für die Hilfe zu bedanken.“ Und auch das Gefühl, Menschen helfen zu können, sei ein schönes. „Einige Kunden werde ich vermissen”, gesteht sie.
* Name von der Redaktion geändert
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