Angst? Nein, Angst hat Apotheker Jörg Spillner eigentlich nicht. Aber ein etwas mulmiges Gefühl ist schon da. Wenn er abends zu seinem Haus zurückkommt, schaut er einmal nach links und rechts. Ob der Mann, der ihn schon zweimal angegriffen hat, ihm hier – wie angekündigt – auflauern wird.
Der erste Angriff erfolgte am vergangenen Donnerstag gegen 10 Uhr morgens. Spillner betreibt in Cuxhaven die Deich-Apotheke, davor steht sein Test-Container. Von dort aus habe seine Mitarbeiterin beobachtet, wie ein Mann aus der benachbarten Post kam und auf dem Parkplatz brutal auf seinen Hund einschlug und nach ihm trat, berichtet Spillner. Als die Angestellte ihn anschrie, sofort damit aufzuhören, sei er auch auf sie losgegangen und habe sie geschubst.
In der Apotheke blieb der Tumult nicht unbemerkt, Spillner wurde von seinen Mitarbeitern herausgerufen. „Ich habe den Mann aufgefordert, das Grundstück zu verlassen und von meinem Hausrecht Gebrauch gemacht“, berichtet Spillner. Dem Apotheker gehört das Haus und der Parkplatz davor.
Doch davon ließ sich der Mann nicht beeindrucken, im Gegenteil: Er ging auf Spillner los, trat nach ihm und spuckte in seine Richtung. Weil Spillners Angestellte bereits mit der Polizei telefonierte, zog sich der Mann schließlich zurück. Er habe Spillner aber noch: „Dich krieg ich noch!“ und „Ich weiß, wo du wohnst!“ zugerufen, erinnert sich der Apotheker.
Eigentlich habe er gedacht, dass sich die Sache damit erledigt hätte. Doch am Samstag tauchte der Mann plötzlich wieder in der Apotheke auf. Spillner war allein mit einer Kollegin im Handverkauf, die Offizin war mit acht Kund:innen gut gefüllt. Deshalb habe er den Mann gar nicht kommen sehen, der hereingestürmt sei und sofort auf ein eingeschlagen und getreten habe, berichtet der Inhaber.
Spillner wurde im Gesicht getroffen, hatte tagelang Probleme mit dem rechten Auge. Erst als Blut floss, versuchten zwei Kunden, den Angreifer zurückzuziehen, was auch gelang. „Der hatte seinen Auftritt und ist in Seelenruhe aus der Apotheke gegangen“, berichtet Spillner. Am Ausgang soll er einer anderen Kundin noch gesagt haben: „Sag‘ ihm, das nächste Mal schlage ich ihn vor seiner Haustür zusammen.“
„Die Leute waren entsetzt. Ich hatte mich kaum durchgeschüttelt, da bekam ich schon den Telefonhörer gereicht: Polizei“, erinnert sich der Apotheker. Bis diese eintraf, habe er dann einfach weiterbedient – mit der linken Hand. Die rechte drückte ein Kühlkissen und ein Stück Verband auf das lädierte Auge als er sich wieder seinem Kunden zuwandte: „‚Wo waren wir stehengeblieben?‘ habe ich ihn gefragt, ich war wohl ziemlich auf Adrenalin.“
Die Polizei vernahm den Apotheker und einige Kunden. Außer einer sogenannten „Gefährderansprache“ gegenüber dem Angreifer konnten die Beamten jedoch nichts versprechen. Wenn der Mann noch einmal auf diese Weise auffällig würde, müsse er für 24 Stunden in Gewahrsam, wurde Spillner erklärt. „Und dann kommt er raus und verprügelt den nächsten“, zeigt sich der Apotheker etwas frustriert. Er hat Strafanzeige gestellt, kann sonst aber auch nicht viel machen. Sein Team hat er mit Pfefferspray ausgestattet. Eine Dose hat er bei sich, wenn er nach der Arbeit nach Hause geht.
Spillner weiß nicht, warum der Mann so ausgerastet ist, möglicherweise seien Drogen im Spiel gewesen. Aber insgesamt seien die Leute seit Corona dünnhäutiger und gereizter, hat der Apotheker beobachtet. Gastronomen und Pensionswirte würden ähnliches berichten. Cuxhaven ist Tourismus-Hotspot an der Nordsee, in der Urlaubszeit ist hier sehr viel los, aber normalerweise gehe es friedlich zu. Spillner hofft, dass er sich demnächst wieder um den Sonnenbrand der Badegäste kümmern kann und nicht die Polizei im Haus hat.
APOTHEKE ADHOC Debatte