Saint Charles-Apotheker

Apotheker – zu dumm für den OP?

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Berlin -

Einmal Nasenspray – und Bibergeil, bitte! Apotheker von Welt haben das natürlich vorrätig. Wie Alexander Ehrmann aus der „Saint Charles“-Apotheke in Wien. Das Magazin „Vice“ stellte ihm zehn maßgeschneiderte Branchenfragen. Jetzt wissen wir endlich, dass Apotheker keine verhinderten Ärzte sind, die nur zu dumm zum Operieren sind und wie man sich als Mann vom Fach einen schnellen, effizienten Rausch verschafft.

Man wird ja noch fragen dürfen. Bibergeil war, so Ehrmann, der seltsamste Kundenwunsch, der bisher an ihn herangetragen wurde. Das Sekret aus den Drüsen des Bibers stinkt bestialisch, soll aber, wenn man daran glaubt, gegen Kopfschmerzen und Migräne helfen. Für alle anderen gibt es die bewährten Kopfschmerzmittel.

Bibergeil wurde lange Zeit auch aphrodisierende Wirkung nachgesagt, was jedoch nie wissenschaftlich belegt wurde. Zudem hat man es früher für die Parfümherstellung eingesetzt, die darin enthaltenen Dufthormone riechen, in Alkohol gelöst, wie Moschus. In den USA ist Bibergeil als Aromastoff in Lebensmitteln zugelassen, der natürliche Aromastoff wird als Vanille- oder Erdbeer-Aroma verwendet. Also nichts für Veganer.

In „Vice“ plaudert der Wiener Apotheker: „Ich hatte noch etwas Bibergeil in einer Schublade. Es gibt immer irgendwelche Freaks, die sich mit solchen Dingen beschäftigen.“ Und wenn es ausgehen sollte, kontaktiert er einen bayerischen Bankbeamten, der wiederum einen Jäger kennt, der Bibern den Garaus macht. Manchmal liegt der Zauber eines Medikaments nicht nur im Namen, sondern auch im Schwierigkeitsgrad des Beschaffens. Ähnlich wie bei Luxushandtaschen, bei denen es eine Warteliste gibt – eine Verknappung des Angebots sorgt zuverlässig für Neu- und Begierde.

Wir sind sehr froh, dass „Vice“ endlich einmal alle Fragen gestellt hat, die Apothekern und ihren Kunden schon seit langem ein Bedürfnis sind. Zum Beispiel diese: „Welches Medikament eignet sich für einen schnellen Rausch?“ Der Saint Charles-Experte: „Einige Grippemittel, die den Wirkstoff Pseudoephedrin enthalten, können in einer bestimmten Menge und in Kombination mit Alkohol durchaus ein kleines Delirium provozieren. Das steht meiner Meinung nach aber in keinem Verhältnis zu den möglichen Nebenwirkungen. Wenn es blöd läuft, beschäftigst du dich nach kurzer Zeit eher mit Magenschmerzen als mit einem guten Trip.“

Verantwortungsloses Über-die-Stränge-Schlagen scheint wirklich nicht seine Spezialdisziplin zu sein. Und auch zu Höherem fühlte er sich nicht berufen. Auf die provokante Frage, ob Apotheker Ärzte sind, die zu dumm zum Operieren sind, antwortete er nicht mit Kettensäge, sondern mit Florett: „Ich glaube eher, dass Apotheker Menschen sind, die Angst vorm Operieren haben und keine Menschen aufschneiden wollen. Und es sind einfach Menschen, die für den Beruf des Apothekers brennen und die Mischung aus Chemie und Medizin gut finden. Und dann gibt es noch die, die aus Familientradition ins Studium reinrutschen – so wie ich.“

Sein Vater, Apotheker in der fünften Generation, hatte beschlossen: „Der Bub wird Apotheker.“ Der Bub gehorchte, begrub artig seinen Berufswunsch Theaterregisseur und schuf ein kleines, zeitgemäßes Imperium: 2002 übernahm er die 1886 gegründete „Apotheke zur heiligen Dreifaltigkeit“und benannte sie in Saint Charles um.

Er spezialisierte sich auf Traditionelle Europäische Medizin (TEM), stattete die Räume mit einer wohlgefälligen Mischung aus historischen und modernen Möbeln aus und verkündete: „Gegen fast jedes Übel ist ein Kraut gewachsen.“ Mit so einer Marketing-Botschaft kann man nur wenig falsch machen. Ehrmanns Geschäftsidee – Apotheke, Shop für Naturkosmetik, Restaurant und Kosmetikstudio in einem Laden – bietet er als Franchise-Konzept an. 2009 eröffnete in Berlin die erste deutsche „Saint Charles Apotheke.“

„Vice“ klärte auch diese Frage: „Was machst du wirklich in der Nachtschicht?“ Die Antwort: „Fernsehen.“ Außerdem widme er sich der Recherche für Artikel und Presseanfragen, schließlich habe er nie so viel Zeit wie im Nachtdienst. „Bis um zwei oder drei Uhr klingeln meistens noch Leute, die Medikamente, Babynahrung, die Pille danach, Zahnbürsten, Binden oder Antibiotika haben wollen.“

Ist der letzte nächtliche Patient versorgt, wäre der ideale Zeitpunkt, um es zum morgendlichen Feierabend einmal so richtig krachen zu lassen. Ehrmann hat allerdings noch niemals Medikamente missbraucht, um high zu werden: „Medikamente als Rauschmittel zu verwenden, hat mich nie wirklich interessiert – ich beschäftige mich lieber mit traditioneller europäischer Medizin, das ist auch fürs Highsein spannender. In der Natur gibt es wahnsinnig viele Gewächse, die psychotrop wirken: Stechäpfel, Tollkirschen, Fliegenpilze.“

Rein theoretisch hat er natürlich ein paar Tipps parat: „Wenn du beim Fliegenpilz die Haut abziehst und in Alkohol einlegst, kannst du dir zum Beispiel einen wunderbaren Flatterschnaps brauen.“ Ist aber gefährlich und aus gutem Grund verboten. Aber welcher Förster kontrolliert schon, ob man einen Fliegenpilz im Rucksack hat.

Gibt es beim Nachtdienst mal nichts zu tun, legt der Wiener Apotheker sich einfach ins Bett. Die Angst vor Überfällen hat er längst abgelegt. Apothekenüberfälle von Drogenabhängigen seien „nicht mehr so trendy“. In die Landapotheke seiner Eltern wurde vor 30 Jahren eingebrochen. Tageseinnahmen und der gesamte BtM-Bestand waren futsch. Den leeren Tresor haben die Täter in einem Fluss versenkt.

Man kann sich auch als Apotheker seine Kunden nicht aussuchen. „Einmal kam ein Pärchen mit Drogenvergangenheit, das sein Substitutionsprogramm abholen wollte. Das hatte ich ihnen aber schon ausgehändigt – der Typ hat das nicht eingesehen und vor Wut ein Schwert gezogen.“ Mit dem fuchtelte er vor der Theke herum. Fazit Ehrmann: „Pharmazeutiker sollten psychologisch geschult sein.“ Dann klappt es auch mit den schwierigen Patienten.

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