Apotheker vor Gericht: Bewährung für Benzo-Bande Silvia Meixner, 17.01.2018 09:02 Uhr
Am Landgericht Landshut wird derzeit ein spektakulärer Betrugsfall verhandelt: Neun Angeklagte – darunter vier Apotheker – sollen im großen Stil illegalen Handel mit Betäubungsmitteln (BtM) betrieben haben. Mit einem ausgeklügelten System sollen sie als Bande Millionenumsätze erzielt haben. Alle sind geständig – aus gutem Grund.
Die Angeklagten werden beschuldigt, in 55.850 Fällen unerlaubt Betäubungsmittel ausgeführt zu haben. Sie sollen sich bereits 2005 „zu einer Bande zusammengeschlossen haben“. Die Ermittlungen laufen seit 2008. Die Angeklagten sollen Medikamente, die als sogenannte „ausgenommene Zubereitungen“ im Verkehr mit dem Ausland dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, vor allem in die USA verkauft haben. Betroffen waren insbesondere Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam und Zolpidem.
Eine Apotheke in Fürth soll allein im Zeitraum September 2005 bis Oktober 2006 unter anderem 20.940 Valiumtabletten, 15.700 Tabletten Xanax (Alprazolam) und 14.640 Tabletten Diazepam verschickt haben. Abnehmer waren ausschließlich Kunden in den USA, die vorher über die Internetseiten wie pharmaenergy.com (die Domain steht derzeit zum Verkauf) oder pharmamedics.com (bietet derzeit als „Men‘s Health Pharmacy“ Potenzmittel an) bestellt hatten.
Im Rahmen der Bestellungen mussten die Kunden online einen Fragebogen ausfüllen. Dieser wurde, so die Anklageschrift, nach dem gemeinsamen Tatplan online Ärzten in Tschechien, Lettland und der Schweiz übermittelt. „Diese konnten die Bestellung nur akzeptieren oder ablehnen“, so die Anklageschrift, „eine sachliche Prüfung der Angaben des Kunden durch den Arzt erfolgte nicht“. Akzeptierte der Arzt die Bestellung, wurden automatisch Rezepte mit den Kundendaten und der bestellten Arzneimittelmenge erstellt, die online an Apotheker in Deutschland übermittelt wurden.“
Bei den angeklagten Pharmazeuten handelt es sich um Apotheker aus Leinburg, Schwabach, Wiesbaden und Hildburghausen. Die Apotheken in Schwabach und Hildburghausen existieren mittlerweile nicht mehr. Allein der Wiesbadener Apotheker versandte bis August 2008 insgesamt 8662 Bestellungen. Aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen beendete er die Versendung im August 2008.
Die Kunden bezahlten mit Kreditkarte, die Erlöse aus den Bestellungen flossen an eine Gesellschaft in der Schweiz. Deren Inhaber soll auch der Initiator des gesamten Vorhabens gewesen sein. Er knüpfte die Kontakte mit den übrigen Angeklagten und erklärte ihnen das Geschäftsmodell. Und er kassierte den Löwenanteil der Pharma-Bande: allein im Zeitraum April 2006 bis Dezember 2007 wurde ein Umsatz von über 15 Millionen US-Dollar erzielt. Das Callcenter für die Bestellungen hatte seinen Sitz in der Ukraine.
Die Apotheker kassierten laut Anklageschrift pro Versand drei bis sieben Euro. Launiges Detail: Intern informierten die Bandenmitglieder einander fortlaufend via Skype, SMS und Mobiltelefon über den aktuellen Stand der Bestellungen, oft verklausuliert als „Spielstand und Tore“. Ursprünglich waren vier Verhandlungstage angesetzt, angesichts der Geständnisse aller Angeklagten wird die Urteilsverkündung für den 22. Januar erwartet.
Denn schon vor Prozessauftakt am vergangenen Donnerstag gab es eine Verständigung. „Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde festgelegt, dass es sich um minderschwere Fälle handelt“, so ein Gerichtssprecher. Das Strafmaß hierfür liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Die Angeklagten erwarten angesichts ihrer Geständnisse voraussichtlich Bewährungsstrafen unter zwei Jahren und zusätzliche Geldstrafen.