„Das System bricht langsam zusammen“

Apotheker: Staat bricht seine Verpflichtungen Lilith Teusch, 09.08.2024 14:45 Uhr

Trotz steigender Umsätze geraten immer mehr Apotheken in finanzielle Schieflage, so Claus Pöhlmann, Inhaber der Adler Apotheke im brandenburgischen Finsterwalde. Foto: Adler Apotheke
Berlin - 

Claus Pöhlmann, seit fast 30 Jahren Inhaber der Adler Apotheke im brandenburgischen Finsterwalde, sieht die Zukunft der Apotheken in Deutschland äußerst düster: „Es fehlt an Geld, es fehlt an Personal, das System bricht langsam zusammen“, warnt er.

„Es ist kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, erklärt Pöhlmann. Der Umsatz steige zwar, stehe aber in keinem Verhältnis zu den gestiegenen Kosten. Personalkosten, Betriebskosten, Mieten, Inflation – all diese Mehrkosten würden nicht aufgefangen, so gerieten immer mehr Apotheken in eine Schieflage. Denn seit mehr als zehn Jahren seien die Honorare nicht mehr angepasst worden, kritisiert der Apotheker.

Ursprünglich habe es sich um eine Vereinbarung zwischen Staat und Apotheken gehandelt, wonach die Apothekeninhaber auf bestimmte unternehmerische und strukturelle Freiheiten etwa bei Preisgestaltung oder Öffnungszeiten verzichteten und der Staat im Gegenzug eine angemessene Vergütung für die Arzneimittelversorgung garantiere. Doch der Staat komme seinen Verpflichtungen nicht mehr nach. „Das ist eigentlich Vertragsbruch“, sagt Pöhlmann.

Die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) werde die finanzielle Situation nicht verbessern, sondern eher verschlechtern, so der Apotheker. Durch die Absenkung des variablen Vergütungsanteils auf 2 Prozent würden die Apotheken noch weiter von der Marktentwicklung abgekoppelt. Auch die derzeit geltenden 3 Prozent seien gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln zu wenig. Die vorgesehene gleichzeitige Erhöhung des Fixums durch die so freiwerdenene Mittel wäre nach Pöhlmanns Berechnungen nicht einmal mehr ein Nullsummenspiel, sondern ein Verlustgeschäft. Zudem führe das Skonto-Urteil zu weiteren finanziellen Einbußen.

Besonders gravierend sei die Situation bei Hochpreisern. Hier müsse die Apotheke schließlich noch genügend Liquiditätsreserven haben, um die Medikamente bis zu acht Wochen vorzufinanzieren. „Die Kostenentwicklung gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln ist enorm“, erklärt Pöhlmann. Schon bei 3 Prozent Gewinn bleibe kaum etwas übrig. Nach der geplanten Absenkung auf 2 Prozent würde sich die Abgabe von Hochpreisern noch weniger lohnen, warnt der Apotheker.

Mehr Arbeit für weniger Köpfe

Mit Lauterbachs Reformen komme nicht nur noch weniger Geld in der ohnehin finanziell gebeutelten Branche an, sondern auch mehr Aufgaben. „Immer weniger Personal übernimmt Aufgaben, die eigentlich von Ärzten und Krankenhäusern erbracht werden müssten, aber die Bezahlung bleibt lächerlich gering“, so Pöhlmann.

Der Fachkräftemangel werde sich wohl auch weiter verschärfen. „PTA müssen ihre Ausbildung selbst bezahlen“, kritisiert Pöhlmann. „Sie sollen also in eine Branche investieren, in der sie dann unterdurchschnittlich bezahlt werden“, sagt er und verweist auf eine aktuelle Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit. Pharmaziestudenten würden nach ihrem Abschluss zunehmend in die Industrie oder Forschung gehen und nicht mehr in die Apotheke. „Unter diesen Bedingungen kann man auch nicht erwarten, dass junge Leute noch eine Apotheke übernehmen“, findet Pöhlmann.

Bald kein Fremdbesitzverbot mehr?

Schon in den vergangenen 20 Jahren sei die Politik für die Apotheken in die falsche Richtung gegangen. Mit den Reformplänen von Lauterbach sieht Pöhlmann keine Besserung in Sicht. „Ich bin davon überzeugt, dass auch das Fremdbesitzverbot bald fallen könnte, was den Weg für Ketten und Konzerne ebnen würde“, so der Apotheker.