Ehrenerklärung: Keine Werbegeschenke mehr APOTHEKE ADHOC, 16.01.2020 10:10 Uhr
Eine Gruppe von Apothekern im westfälischen Witte wehrt sich mit einer Zeitungsanzeige gegen einen Kollegen, der sie in einem anonymen Brief beschuldigt hatte, Boni auf Rx-Arzneimittel zu geben. Das will er durch Testkäufe herausgefunden haben. Die Mehrheit der Wittener Apotheker hat nun mit einer großflächigen Anzeige in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) eine Art Ehrenerklärung abgegeben, keine Werbegeschenke mehr abzugeben und die Gesetze einzuhalten. „Wir denken: Vertrauen und Qualität zahlt sich aus“, heißt es in der Anzeige. Unterzeichnet ist die Anzeige mit „Ihre Wittener Apotheken“.
Nach Angaben der Initiatoren haben an der Anzeigenaktion „fast alle“ Wittener Apotheken teilgenommen. In der Anzeige weisen die Apotheker zunächst auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juni 2019 zum Verbot von Werbeabgaben bei Rx-Arzneimitteln hin. Verbraucher dürften bei der Entscheidung, in welche Apotheke sie gingen, nicht durch „unsachliche Werbezugaben“ beeinflusst werden, heißt es dort. In Deutschland gelte für verschreibungspflichtige Medikamente überall der gleiche Preis. Die Preisbindung dürfe nicht unterlaufen werden, um die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln nicht zu gefährden. „Denn alle 36 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke. Weitere Schließungen von Apotheken wären sonst auch in Witten zu erwarten“, so der Anzeigentext.
Das Urteil habe für die Wittener Apotheken bereits spürbare Konsequenzen, denn „interessierte Kreise“ – gemeint ist jener Kollege, der die Testkäufe durchgeführt haben will – hätten den Apotheken mit rechtlichen Folgen und spürbaren Strafen bei weiterem Ignorieren des Gesetzes gedroht. Dann folgt die „Ehrenerklärung“: „Wir (die teilnehmenden Wittener Apotheken) haben uns dazu entschieden, die Abgabe von Werbegeschenken bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten deshalb einzustellen. Wir bitten dafür um Ihr Verständnis!“ Auch die Umwelt werde dies danken, weil damit der Verpackungsmüll reduziert werde. In Witten werde man daher vermutlich nur noch „vereinzelt“ Apotheken finden, die das gesetzliche Verbot ignorierten. „Die teilnehmenden Apotheken dagegen garantieren Ihnen die Einhaltung von Gesetzen und Vorgaben sowohl bei Ihrer Arzneimittelversorgung als auch beim Werbeverbot“, schließt die Anzeige mit einer Selbstverpflichtung.
Den Text wesentlich mit verfasst hat Michael Trubitz, wirtschaftlicher Leiter der Apotheke am Bodendorn und Ehemann von Inhaberin Christina Herrmann-Trubitz. Die Idee sei aus den Gesprächen im Kollegenkreis über den Drohbrief des Testkauf-Apothekers entstanden, erklärt er auf Anfrage. „Im Rahmen der Diskussion wurde die Idee geboren, das Thema und die Konsequenzen daraus den Wittener Apothekenkunden im Rahmen einer Annonce zu erklären“, so Trubitz. Dass die Annonce eine allzu große Wirkung entfaltet, glaubt er nicht. Was er aber gern erreichen wolle, seien „möglichst wenig Diskussion in der Apotheke“, sagt er. „Die Kunden sollen die Argumentationskette kennen und die Mitarbeiter auch.“ Der „Otto-Normal-Kunde“ werde sich aber wieder fragen, ob es in Deutschland nicht wichtigere Rechtsfragen gebe. „Und wer will ihm das verdenken!“, sagt Trubitz.
Die Regeln, die das BGH-Urteil den Apotheken auferlegt, empfindet er als unfair, respektiert sie aber: „Ich persönlich hätte mit einer Bagatellgrenze von einem Euro sehr gut leben können“, sagt er. Das gelte insbesondere wenn man bedenkt, wie Wettbewerber aus dem Onlineversand mit dem Thema Rx-Boni umgehen. „Nichtsdestotrotz ist mir ein pharmazeutischer Wettbewerb um die beste Lösung für den Kunde aber deutlich lieber als ein Wettbewerb um die besten Zugaben und Geschenke für Taler.“
Im September hatte in Witten ein anonymer Brief eines Kollegen die Runde gemacht. Darin kritisiert er, dass in der Stadt immer noch verbotenerweise Boni auf Rx-Arzneimittel gewährt würden. Eigene Testkäufe hätten dies bestätigt. Er drohe mit Veröffentlichung und juristischen Folgen. Zunächst erläuterte der Absender in seinem mit „Testkäufe in Apotheken“ betitelten Schreiben aktuelle Herausforderungen des Berufsstandes wie Nichtverfügbarkeiten, Rahmenvertrag, E-Rezept und die Konkurrenz aus Holland, die „feiernd die Preise regelrecht pulverisiert“.
Die „Zugaben- und Wertmarken-Politik“ mancher Kollegen sei ihm in den vergangenen Jahren ein Dorn im Auge gewesen. Er räumte ein, dass das pharmazeutische Fachwissen „leider viel zu selten in dem Maße zu tragen kommt, wie einst an der Hochschule vermittelt“. Aber die Kunden mit zum Teil „grenzwertigen Zugaben oder Gewinnversprechen zu ködern, sei der Zündstoff für einen weiteren und endgültigen Werteverfall unseres Berufsstandes“.
In den vergangenen Wochen habe er immer wieder von Kunden und Außendienstmitarbeitern von Kollegen gehört, die trotz des eindeutigen BGH-Urteils Zugaben, Wertmarken oder Taler bei Rx-Medikamenten spendierten oder „durch hanebüchene Tricks“ versuchten, das Verbot zu umgehen. Er habe sich gezwungen gesehen, „privat organisierte Testkäufe in allen Wittener Apotheken durchzuführen“. Leider hielten sich tatsächlich „einige“ Kollegen nicht an das Rx-Boni-Verbot, behauptete er in dem Brief.
Er behalte er sich vor, juristisch prüfen zu lassen, ob „nicht verhältnismäßige Zugaben, Coupons & Taler bei einem additiven Kauf frei verkäuflicher, apothekenpflichtiger Arzneimittel/Produkte legal sind oder ebenfalls ein Vergehen darstellen“. Er forderte seine Kollegen auf, die Kundschaft „mit fairen und gesetzeskonformen Mitteln“ zu binden. „Ich erwarte eine Gleichheit für alle Vor-Ort-Apotheken“, hieß es weiter. „Zeigen wir endlich gemeinsam Berufsethos!“
Apotheker sollten ihre Mitarbeiter schulen und in deren Wissensstand investieren. Das sei die beste Zugabe und der einzige Weg, um eine weitere Abwanderung der Kunden an den Versandhandel zu verhindern. „Ich hoffe, dieser eine Brief reicht aus, jeden, der das BGH-Urteil noch nicht konsequent umgesetzt hat, zu ermahnen beziehungsweise vielmehr wachzurütteln, sich in Zukunft strikt an die Vorgaben des Gesetzgebers zu halten und fair für unsere Vor-Ort-Apotheken zu kämpfen!“ Das hat jetzt offenbar gefruchtet – jedenfalls bei den meisten Wittener Apotheken.