Apotheker, sattelt die Pferde Silvia Meixner, 27.09.2017 08:06 Uhr
Vergessen Sie Hunde und Katzen. Zu einem Apotheker passt ein Pferd viel besser. Sagt Frank Henle aus dem bayerischen Bellenberg. Vor drei Jahren wurde er Reiter, seitdem sieht er die (pharmazeutische) Welt mit neuen Augen.
„Ich bin ein Spätberufener“, sagt der 39-Jährige. Jahrelang dem Radsport verbunden, suchte der Inhaber der Brunnen-Apotheke einen Sport, der besser mit seinem Beruf zu verbinden ist. „Es gab beim Radfahren zu viele zeitintensive Trainigseinheiten“, sagt er. Seine fünfjährige Stute Syminka besucht er morgens und mittags kurz, ausgeritten wird dann meistens abends.
Spricht man mit ihm, wird schnell klar, dass ein Pferd das Beste ist, das einem Apotheker passieren kann. „Ein Pferd passt gut zu unserem Beruf, denn es zwingt dich, abzuschalten. Wenn Du bei einem Ausritt nicht zu 100 Prozent dabei bist, wird es kein harmonischer Ausritt. Dabei spiegelt sich wider, was auch in der Zusammenarbeit mit Menschen wichtig ist: ein respektvoller und liebevoller Umgang. Außerdem ist es ganz wichtig, immer die Ruhe zu bewahren, denn ein Pferd wird sehr schnell nervös. Man gewinnt als Reiter persönliche Ruhe und die ist wichtig für die Teamführung.“ Henle betreibt neben der Brunnen-Apotheke auch die St. Michael-Apotheke im Vöhringen und hat 35 Mitarbeiter.
Parallel zum neuen Sport erwuchs auch das Interesse daran, wie man den Vierbeinern im Krankheitsfall helfen und was man dazu beitragen kann, dass sie fit und gesund bleiben. „Ich war erstaunt, was man so alles in den gängigen Shops findet“, sagt er. Um es kurz auszudrücken: „Die Produkte sind unterdosiert und überteuert.“ Das kann ein Apotheker besser, dachte sich Henle und begann, eigene Produkte zu entwickeln. „Dr. Henles Gelenkfit akut“ ist eine pflanzliche Alternative bei Gelenk- und Sehenentzündungen und Arthrose. „Dr. Henles Hufstark“ soll schnelle Hilfe bei brüchigen Hufen bieten und für gesundes Fell, Mähne und Schweif sorgen. „Dr. Henles Kolakut“ wird beworben als „das schnelle, natürliche Mittel bei unklaren Darmbeschwerden“.
„Pferde haben im Tierreich die einzigartige Eigenschaft, dass sie eine hohe Affinität zu Kräutern haben“, hat der Pharmazeut durch sein Hobby Reiten gelernt. „Pferde fressen gern eine Handvoll Thymian oder Kamille, sie sind für die Phytopharmazie zugänglich wie kein anderes Tier.“ Und während andere Vierbeiner beim Geruch der Kräuter zurückschrecken und das Weite suchen, wird ein Pferd Henles spezielle Lungenmischung – Thymian, Spitzwegerich, Mädesüß für Tiere mit Hustenreiz und allergischem Husten – als Leckerchen betrachten und gern verzehren. „Als getrocknete Kräutermischung kann man sie auch ins Futter geben“, sagt der Apotheker. Und ein echtes Wohlfühlerlebnis haben Pferde, wenn man die Kräuter über ihr „Mash“ – ein Brei aus Wasser, Leinsamenschrot, Weizenkleie und Quetschhafer, der warm verfüttert wird – streut: „Dadurch bekommt das Mash einen Inhalationseffekt. Pferde lieben es.“
Der erste tierische Patient der Brunnen-Apotheke war Stute Syminka. Sie bekam ein mildes Mittel gegen lästige Stechmücken. „Es ist wichtig, dass es ein Roll-On ist, denn Pferde erschrecken sich beim Einsatz von Sprays leicht“, sagt der Apotheker. Inhaltsstoffe: Nelkenöl, pflanzliche Ölbasis. „Dem Pferd tut es super gut. Und jeder Reiter weiß, dass man entspanntere Ausritte hat, wenn die Insekten das Pferd in Ruhe lassen.“
Mit der erfolgreichen Insektenbekämpfung kamen die Nachfragen im Reitstall und in der Apotheke. „Es gab immer mehr Rückmeldungen.“ Und ob der Apotheker nicht auch etwas gegen andere Beschwerden und Krankheiten bei Pferden wisse. Oder kurz mal auf das eine oder andere Wehwehchen schauen könnte. Daraus entstanden die Fachvorträge. „Der erste fand vor einem Jahr statt, wir hatten mit 25 Gästen gerechnet und wollten uns gemütlich im Reiterstüberl unseres Vereins treffen“, erinnert sich Henle. Als dann 200 Wissbegierige vor der Tür standen, wechselte man kurzerhand in die Reithalle. Reiter sind pragmatische Menschen, sie haben immer schnell einen Plan B.
Der nächste Vortrag zum Thema Pferdegesundheit, „Sanfte Methoden für fitte Vierbeiner“, findet am 7. November im Haus der Gesundheit in Bellenberg statt (um Voranmeldung in der Apotheke wird gebeten, Unkostenbeitrag sieben Euro). Bellenberg mit seinen 4423 Einwohnern ist ein gutes Pflaster, um sich mit seiner Apotheke auf Pferde zu spezialisieren: „Ich schätze, dass auf hundert Einwohner zwei Pferde kommen“, sagt Henle.
Als USP (Unique Selling Point, Alleinstellungsmerkmal) ist die Spezialisierung auf Pferdebehandlung perfekt. Oft kommen die Kunden in die „Brunnen-Apotheke“, weil sie nur mal eben kurz etwas zum Thema Pferd fragen wollen. Viele zeigen dann die Verletzungen oder medizinischen Probleme ihres Pferdes via Handy-Foto. Und weil sie gut beraten werden, kommen sie wieder, gern auch mit ihren menschlichen Beschwerden. „Viele wurden schon zu treuen Kunden“, sagt Henle.
Als Konkurrent zum Tierarzt sieht er sich nicht. „Wenn ich im Reitverein bin, werde ich bei jedem zweiten Besuch gefragt, ob ich mir dies oder das nicht schnell mal angucken könne. Die Grenzlinie zwischen Apotheker und Arzt muss hart gezogen werden. Ich mische mich nicht ins Feld des Tierarztes ein. Es ist wie in der Apotheke: Wir sind dafür da, die Beschwerden abzufangen, bevor es eskaliert.“
Manchmal werde er von Tierärzten kontaktiert: „Sie fragen mich, ob man zusätzlich zu ihrer Behandlung eventuell noch etwas machen könne. Unsere Produkte sind pflegend und ernergieerhaltend, wir machen Prophylaxe.“ Die ist auch der Inhalt des Vortrags. „Wir möchten, dass die Tierhalten lernen, bei ihrem Tier genau hinzuschauen – bevor eine Behandlung nötig wird.“
Als Beispiel nennt er kleine Verletzungen beim Pferd: „Da denken viele, großes Tier, kleine Verletzung, das wird schon.“ Es wird aber oft nicht, im Gegenteil, bei Pferden entsteht in diesem Fall ein hohes Risiko einer Infektion. „Man muss diese kleinen Verletzung ernst nehmen“, sagt Henle, „sie werden oftmals bagatellisiert, führen bei Nichtbehandlung aber schnell zu einer bakteriellen Infektion. Deshalb ist saubere Desinfektion das Allerwichtigste.“
Die wichtigsten Fragen zum Pferd drehen sich in der Brunnen-Apotheke um Probleme des Bewegungsapparates (Überreizung und Arthrose), Wundbehandlung und die Frage, wie man dem Tier im Krankheitsfall die Medikamente verabreichen kann. Dafür hat der bayerische Apotheker „Speedfeeder“ entwickelt: „Das ist getrocknete und geraspelte Karotte, eine Art Granulat, das wir in einem Fünfliter-Eimer anbieten. Wenn mein Pferd das Geräusch hört, kommt es sofort angetrabt.“ Und weil es so gut schmeckt, kann man als Mensch darin auch Medikamente „schmuggeln“.