Apotheker ruiniert Weihnachtsfest Alexander Müller, 27.12.2018 10:28 Uhr
An Heiligabend Fieber oder unerklärliche Verdauungsprobleme an den Weihnachtsfeiertagen – die Apotheke hilft. Jahr für Jahr gibt es ungezählte Anekdoten, wie Apotheker das Fest der Liebe retten. Meist erfährt außer den Betroffenen niemand von den Heldentaten im Notdienst. Anders, wenn der Apotheker das Weihnachtsfest ruiniert, wie in diesem Fall. Dann erfährt es die ganze Offizin.
Am 27. Dezember öffnet die Apotheke wieder regulär. Nach den Feiertagen ist wie immer viel zu tun, denn nicht jeder hat mit seinen Wehwehchen den Notdienst bemüht. Eine Kundin kommt sogar mutmaßlich vollkommen gesund – trotzdem geht es ihr nicht gut. Schon beim Betreten der Apotheke fährt sie den Apotheker hinter dem HV-Tisch erbost an, deutet mit dem Finger auf ihn und ruft: „Sie waren das! Sie haben mir das verkauft.“
Erstaunen in der Runde, der Apotheker weiß nicht, wie ihm geschieht. Weil die Frau sich gar nicht beruhigen lässt und die anderen Kunden schon die Köpfe drehen, bittet der Inhaber sie ins Nebenzimmer. Dort erzählt sie – immer noch wütend – wie der Apotheker ihr und der ganzen Familie das Weihnachtsfest ruiniert hat.
Und das war so: Vor Weihnachten war die Kundin in der Apotheke, um sich Beifuß zu kaufen. Für die Gans. Denn wer sich nicht mit Majoran aus dem Supermarkt begnügen möchte, sondern traditionell die „Mutter aller Kräuter“ in den Vogel gibt, besorgt sich die Teedroge aus der Apotheke. Im Lebensmitteleinzelhandel ist Beifuß eher schwierig zu bekommen. Nur war der sonst so akkurate Pharmazeut im Vorweihnachtsstress offenbar nicht ganz bei der Sache und griff daneben: Statt Herba Artemisia gab er Herba Absinthii.
Für die Leser ohne eigenes Herbarium: Das ist Wermut. Und für die Leser mit wenig Erfahrung in der Küche: Das ist sehr sehr bitter. Besonders bitter ist es für die ganze Familie an Heiligabend, wenn die liebevoll gefüllte und gewissenhaft übergossene Gans durch den Wermut ungenießbar geworden ist und man sich mit den Beilagen begnügen muss, statt das Festmahl zu genießen.
Die Kundin war also verständlicherweise ziemlich sauer. Und sie wusste auch schon Bescheid, hatte das Teufelskraut in einer anderen Apotheke analysieren und sich den offensichtlichen Irrtum bestätigen lassen. (Fun fact: Beifuß wird im Volksmund auch „Wilder Wermut“ genannt.)
Der geknickte Apotheker konnte sich seinen Fauxpas selbst nicht erklären. Er bot an, wenigstens die Kosten für die Gans zu übernehmen, aber davon wollte die Kundin nichts wissen. Ihr ging es nicht ums Geld. Ausgerechnet von ihrer Apotheke enttäuscht zu werden, war offenbar das Schlimmste für sie. Und das ist ja irgendwie auch ein Kompliment.