Gegenentwurf zu Versender-Reklame

Apotheker: Persönliches Dankeschön an Jauch

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Gleicher Pullover, unterschiedliche Haltungen: Apothekeninhaber Kilian Gehr will den Schwung von Jauchs Werbung für Shop Apotheke nutzen, um auf die Lage der Vor-Ort-Apotheken hinzuweisen.Collage: APOTHEKE ADHOC
Berlin -

„Wussten Sie, dass Ihr E-Rezept nicht nur schnell eingelöst ist, sondern Ihre Medikamente dann auch sehr schnell bei Ihnen sind?“ Das sagt Testimonial Günther Jauch in einem Werbeclip für Shop Apotheke. Als Apothekeninhaber Kilian Gehr durch Zufall über das Werbefilmchen stolpert, fackelt er nicht lange – und postet einen Gegenentwurf auf Instagram.

Während Jauch im Original – im lachsfarbenen Pullover mit weißem Hemd – gut gelaunt aus dem Fahrstuhl eines Ärztehauses tritt und seinen Werbeslogan aufsagt, betritt Gehr in seinem Clip – im identischen Outfit – seine St. Georgs-Apotheke in Obertraubling. Der Apotheker legt in ähnlicher Manier los: „Wussten Sie, dass Ihr Online-Einkauf nicht nur schnell erledigt ist, sondern auch lokale Apotheken schnell in den Ruin treiben kann?“

Spätestens an diesem Punkt bricht die gute Laune im Konter-Clip und Gehr kommt zum Punkt: „Heute bestellt – morgen geliefert – übermorgen ist die nächste Apotheke weg.“ Abschließend spricht er den werbenden Entertainer direkt an: „Persönliches Dankeschön auch an Sie, Herr Jauch, dass Sie das Apothekensterben so aktiv unterstützen!“

Unwissenheit in der Bevölkerung

Vielen Apothekenteams spricht Gehr damit aus der Seele; sein Clip wird auf Instagram geliked und kommentiert: „Danke für die Apotheke vor Ort. Nur hier wird man ordentlich beraten. Danke an alle Apotheken!“, ist einer der zahlreichen Kommentare. Aber auch in seiner Apotheke wird der Inhaber auf seinen Konter-Clip angesprochen: „Es ist durch die Bank weg positiv“, freut sich der Apotheker.

Positives Feedback zu seiner Arbeit bekommt er nicht nur im laufenden Betrieb, sondern auch im Notdienst. Und trotzdem: Dass das Einkaufen bei den Versendern einen negativen Effekt auf die Apotheke vor Ort hat, ist vielen Menschen nach wie vor nicht bewusst, weiß Gehr: „Wer beim Versandhandel einkauft, trägt zum Verfall der Apotheke vor Ort bei.“ Eine fundierte persönliche Beratung und Betreuung wie in der Vor-Ort-Apotheke und insbesondere Notdienste könne der Versandhandel keineswegs leisten. „Man müsste die Versender dazu verpflichten, wenn sie schon im ganzen Land den Apotheken die Kundschaft klauen, auch flächendeckend den Notdienst sicherzustellen.“

Apotheken müssen sich positionieren

Ziel seines Konters sei nicht, das Werbegesicht von Shop Apotheke anzugreifen, sondern mit seinem Clip auf die aktuelle Lage der Vor-Ort-Apotheken aufmerksam zu machen. „Je mehr Apotheken schließen, umso mehr bemerkt auch die Bevölkerung die Auswirkungen. Ich glaube, den Menschen wird der Umfang des Problems erst bewusst, wenn es zu spät ist.“

Deshalb sei es wichtig, sich jetzt zu positionieren, findet Gehr: „Noch eine halbwegs erreichbare Notdienstapotheke zu haben, darf zukünftig kein Luxus sein. Die Verfügbarkeit der Apotheke auch nachts gibt den Menschen Sicherheit. Wenn es so weitergeht, wird diese Sicherheit aber irgendwann weg sein.“

Deswegen will sich der Inhaber für die Apotheke vor Ort aktiv einsetzen und Aufmerksamkeit erregen: „Wir werden unbedingt benötigt und sind mehr als eine kritische Infrastruktur, auf die man in Pandemien zurückgreifen kann.“

Von der Idee zur Umsetzung

Der Inhaber war „wutentbrannt und gleichzeitig enttäuscht“, als er den Werbeclip entdeckte. „Wie kann es sein, dass ein Mensch, der als intelligent gilt und gesellschaftlich ein hohes Ansehen genießt, in der aktuellen Situation der Apotheken Werbung macht für den Feind der Apotheke vor Ort?“ Die Reklame machte den Apotheker nicht nur wütend, sondern bereitete ihm obendrein eine schlaflose Nacht, in der die Idee zum Konter entstand.

Gehr wollte die Aussagen Jauchs so nicht stehen lassen und überlegte, wie er den Spieß umdrehen könne. „Ich habe mir gedacht, ich nutze den Schwung, den Jauch Shop Apotheke bringen will, um auf die Apotheke vor Ort aufmerksam zu machen.“ Denn so bequem und einfach das Konzept des Versenders den Kunden auch angepriesen wird: „Es gibt augenscheinlich Vorteile, aber vor allem einen riesengroßen Nachteil, nicht nur für die Apotheke vor Ort, sondern insbesondere für die Bevölkerung.“ Denn: Wenn Apotheken sterben, so Gehr, ist die flächendeckende Versorgung schlicht in Gefahr. „Das muss man im Hinterkopf haben, wenn man online bestellt.“

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