Auf einem bislang unbebauten Grundstück neben dem Klinikum in Montabaur soll in den kommenden beiden Jahren ein etwa 4000 Quadratmeter großes Gesundheitszentrum mit mindestens sieben Facharztpraxen, einer Apotheke mit rund 135 Quadratmetern Verkaufsfläche und einem Café entstehen. Wenn es nach Nelles, Inhaber der Mons-Tabor-Apotheke, geht, werden die Investoren zumindest auf die Apotheke verzichten müssen. Denn sie verstoße gegen das Einzelhandelskonzept der Stadt, argumentiert er. Demnach gehören Arzneimittel und sonstige Produkte, die in Apotheken verkauft werden, zum innenstadtrelevanten Sortiment.
Vier Apotheken befinden sich im Zentrum von Montabaur, sodass die rund 14.400 Einwohner große Stadt in diesem Bereich rein rechnerisch bereits jetzt überversorgt sei. „Kommt noch eine Apotheke dazu, muss man damit rechnen, dass die vorhandenen Standorte weniger Kunden haben und in der Folge schließen müssen“, argumentiert Nelles. „Das ist nicht nur für die betroffenen Inhaber bitter, sondern auch für die Attraktivität der Innenstadt.“
Er selbst habe vor 20 Jahren eine Filiale in einem Montabaurer Gewerbegebiet eröffnen wollen, was ihm mit Verweis auf das Einzelhandelskonzept und die Sortimentsliste verwehrt wurde. „Nach einigen Diskussionen habe ich tatsächlich eingesehen, dass sie durchaus Sinn machen und im Interesse der gesamten Stadt sind“, berichtet der Apotheker. „Denn lauter 1-Euro-Läden und Imbissbuden in der Innenstadt will keiner haben.“
Auch wenn sich seine Kritik in erster Linie gegen die geplante Apotheke richtet, steht der Pharmazeut dem gesamten Projekt skeptisch gegenüber. „Rund die Hälfte der neuen Arztpraxen sollen laut Projektbeschreibung als Filialen der bestehenden Niederlassungen betrieben werden“, erklärt Nelles. „Das heißt nichts anderes, als dass es sich bei der anderen Hälfte um Praxen handelt, die ihren angestammten Standort verlassen und nach Montabaur wechseln.“ Dadurch würden Versorgungslücken im Umland und unter Umständen auch in der Innenstadt entstehen, was das Ziel der flächendeckenden Versorgung in weite Ferne rücken lasse.
Schon im Frühjahr sorgte das Projekt für kontroverse Diskussionen im Stadtrat von Montabaur. Nelles und andere Stadtratsmitglieder aus unterschiedlichen Fraktionen sahen die Ansiedlung einer Apotheke bereits damals kritisch. Außerdem müsste ein derartiges Ärztehaus eigentlich in der Innenstadt und nicht am Stadtrand entstehen, meinten sie. Bei anderen Mitgliedern des Stadtrats überwog hingegen das Ziel, den Klinikstandort in Montabaur mithilfe dieses zusätzlichen Angebots zu sichern. Letztlich habe eine klare Mehrheit des Rats dem Projekt zugestimmt.
Doch damit habe die Stadt gegen Bauplanungsrecht verstoßen, meint Nelles. Denn der Rat habe über den Bau des Gesundheitszentrums entschieden, bevor es überhaupt einen gültigen Bebauungsplan für das Areal gab. Deshalb will er als Mitglied des Stadtrates bei der kommenden Sitzung einen Antrag auf Vollstreckungssperre stellen. „Dann hat die Stadt die nötige Zeit, um den Bebauungsplan zu beschließen, auf dessen Grundlage das Projekt dann fortgeführt werden könnte“, erklärt er.
Oder auch nicht. Denn die Investoren haben bereits in der Planungsphase erklärt, dass die Ansiedlung einer Apotheke eine Voraussetzung sei, damit das Ärztehaus überhaupt realisiert werden könne. „Kein Wunder“, meint Nelles. „Wenn man vorhatte, mit der Miete des Apothekers die Mieten der Ärzte querzusubventionieren, ist der Standort ohne die Apotheke auf einmal gar nicht so attraktiv.“ Während also die Investoren seinen Angaben nach vorhatten, von den Ärzten eine Miete von rund neun Euro pro Quadratmeter zu verlangen, sollte der künftige Inhaber der Apotheke das Doppelte zahlen. Für Nelles ein Unding. „Solange wir Apotheker solche Konditionen und Wucherpreise akzeptieren, verlieren wir doch jegliche Glaubwürdigkeit, wenn wir die schwierige Situation vieler Apotheken ansprechen“, gibt er zu bedenken. Im Übrigen seien solche Konstellationen inzwischen schlicht illegal, betont Nelles.
Stadtbürgermeisterin Gabi Wieland (CDU) verteidigte in einem Bericht der Rhein-Zeitung jedoch das Projekt. Die Entscheidung für ein Ärztehaus sei keine Entscheidung gegen die Innenstadt gewesen. „Wir haben uns entschieden für eine bessere fachärztliche Versorgung in Montabaur, für eine Stärkung des Standortes Krankenhaus und damit insgesamt für eine zukunftsfähige medizinische Versorgung in der Stadt“, wird sie zitiert.
Auch die Kreisverwaltung macht Nelles keine Hoffnung, dass er den Bau noch stoppen kann. Zwar sei der Bauantrag derzeit noch in der Bearbeitung, man habe aber planungsrechtlich keine Einwände gegen das Ärztehaus, teilte sie gegenüber der Rhein-Zeitung mit. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Vorgehen der Stadt, führt die Behörde weiter aus. Dass das Ärztehaus bereits vor dem Bebauungsplan beschlossen wurde, spiele hierbei keine Rolle. Das Areal zählte zum Stichtag demnach zum sogenannten unbeplanten Innenbereich. Solange sich das neue Gebäude in Art und Nutzung in die nähere Umgebung einfüge, sei das Vorhaben zulässig.
APOTHEKE ADHOC Debatte