Apotheker: „Ich habe die ersten 100 Leute geimpft“ Carolin Ciulli, 30.12.2021 10:41 Uhr
In der Großsporthalle in Niederwörresbach treffen sich eigentlich Sportfans – zuletzt wurden in dem Zentrum jedoch Impfkabinen aufgebaut. In einem Raum sitzt Apotheker Johannes Jaenicke, der von den teilnehmenden Ärzt:innen animiert wurde, gegen Covid-19 zu impfen. Die Impfwilligen freuen sich, „ihren Apotheker“ zu sehen und steuern den Inhaber der Adler-Apotheke im rheinland-pfälzischen Rhaunen gezielt an.
Die Idee, eine Impfaktion zu starten, begann für Jaenicke ganz eigennützig: „Anfangs ging es darum, wie wir mit der lokalen Feuerwehrkapelle weiterproben können. Die einzige Lösung war, zu impfen“, sagt der Apotheker, der dort Mitglied ist. Also sprach er Praxen vor Ort an und organisierte mit vier Ärzt:innen und dem Musikverein am 11. Dezember eine Booster-Aktion. In drei Stunden seien 200 Menschen immunisiert worden, freut sich der Apotheker, der sich als „Dorfkind“ bezeichnet.
Apotheker organisiert „Impfen für alle“
Die erste Impfaktion lief gut. „Wir waren ganz aufgedreht“, sagt er. Die Apotheke habe sich um die Terminvergabe, die Einlasskontrolle und das Ausfüllen der Formulare gekümmert. Im Anschluss sei die Gemeinde auf ihn zugekommen und habe das Modell für die rund 22.000 Einwohner kopieren wollen. Unter dem Motto „Impfen für alle“ wurde in Kooperation mit dem betriebsärztlichen Dienst Euregio aus Würselen ab dem ersten Weihnachtsfeiertag geimpft.
Der Apotheker war dabei wieder für die Organisation verantwortlich. „Die Ärzte haben mich gefragt, ob ich nicht meine Qualifikation zur Grippeimpfung zeigen kann“, sagt Jaenicke und wurde kurzerhand zur Unterstützung eingespannt. Er ist einer von bundesweit rund 2600 Pharmazeut:innen, die bereits im Rahmen von Modellvorhaben ärztliche Schulungen erfolgreich absolviert haben und damit laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur eigenständigen Durchführung von Schutzimpfungen gegen Sars-CoV-2 bei über 18-Jährigen berechtigt sind. Diese Apotheker:innen können sofort in mobilen Impfteams, Impfzentren oder anderen bestehenden Strukturen eingebunden werden.
Kein Mangel an Impfstoff
Jaenickes Impfliste ist mittlerweile dreistellig: „Ich habe meine ersten einhundert Leute geimpft“, sagt er. Und es geht weiter. Die nächsten Impftermine wird er unter ärztlicher Aufsicht an Silvester und Neujahr annehmen. An Impfstoff mangele es nicht. Die Betriebsärzt:innen seien für die Lieferung verantwortlich, aus welchen Lagern die Vakzine kommen, wisse er nicht. Insgesamt gibt es 2400 Dosen für Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen.
Der Apotheker freut sich über die gute Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Ärzt:innen und zeigt Humor: „Ich sitze ganz hinten im Flur neben der Rumpelkammer und mache, bevor ich impfe, immer den Witz, dass die Person an den schönen Ärztezimmern vorbei gehen musste und jetzt bei mir gelandet ist“, sagt er. Der Einstieg per Smalltalk sei wichtig, um die Situation aufzulockern und den Menschen ein gutes Gefühl zu vermitteln. „Die lachen immer.“ Es habe auch schon Impfwillige gegeben, die explizit gesagt hätten, sie wollten „von ihrem Apotheker“ geimpft werden, freut er sich.
Der Apotheker führte bei der Impfaktion ein, dass die Patient:innen auch einen Medikationsplan mitnehmen sollten, wenn sie mehrere Arzneimittel einnehmen würden. „Das ist eine echte Bereicherung und wird von den Ärzten geschätzt.“ Die Erfahrung in der Impfstelle sei „ein sehr guter Einstieg“, so Jaenicke, der bereits einige Lerneffekte mitgenommen hat: „Auf keinen Fall würde ich nebenher in meiner Apotheke impfen.“ Es sei für alle Beteiligten angenehmer, wenn die Impfungen gebündelt und in Kooperation mit Ärzt:innen und Vereinen abliefen. Er selbst impft und organisiert die Aktion ehrenamtlich, abgerechnet wird über die Ärzte, die auch die digitalen Zertifikate ausstellen. „Das hier läuft bei mir unter ‚Lernen‘ und mein Team hält mir den Rücken frei.“