Brennerei statt Labor

Apotheker entwickelt Gin & Co.

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Berlin -

Konrad Horn hat nach seinem Pharmaziestudium direkt eine Promotionsstelle angenommen. Er promovierte im Bereich der Wirkstoffextraktion aus Pflanzen um anschließend neun Jahre in der Qualitätskontrolle und -sicherung in der pharmazeutischen Industrie zu arbeiten. Vor drei Jahren hat Horn seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Gemeinsam mit seinem Freund Tim Müller gründete er die Deutsche Spirituosen Manufaktur in Berlin. Die Wirkstoffsuche hat er an den Nagel gehängt – nun geht es um Genuss. Die Brennerei stellt hochwertige Spirituosen aus allerlei Pflanzenteilen her.

„Ich war nie der klassische Offizin-Apotheker“, erzählt Konrad Horn direkt zu Beginn des Gespräches, „Ich habe zwar das halbe Jahr Praktikum in der Apotheke gemacht, aber ich wusste schnell, dass ich mich in dem Bereich nicht sehe.“ Bereits während des Studiums habe ihm die Laborarbeit am meisten Spaß gemacht. „Ich habe mich schon während des Studiums für die Extraktion von Pflanzenstoffen interessiert. Im Endeffekt ist das ja eine der Grundlagen des Apothekerberufes – schon im 18. und 19. Jahrhundert haben Pharmazeuten aus Pflanzenteilen Wirkstoffe zu isolieren. Als Beispiel kann man hier die Extraktion von Chinin aus Chinarinde nennen. Gleiches habe ich dann auch während meiner Doktorarbeit gemacht.“ Hier hat er einen mexikanischen Kürbis untersucht. Ziel seiner Arbeit war die Extraktion eines Inhaltsstoffes, der gegen Magenulcera und dyspetische Beschwerden helfen sollte.

Nach der Promotion nahm er eine Stelle in der pharmazeutischen Industrie an. Neun Jahre arbeitete er insgesamt in einem bayrischen Pharmaunternehmen im Bereich der Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. In dem damaligen Unternehmen arbeiteten tausende Mitarbeiter – die heutige Manufaktur zählt fünf Mitarbeiter. Das sei schon ein anderes Gefühl, erzählt Horn, der es sehr schätzt, dass er aktuell in einem kleinen Team arbeiten darf. „Nach den Jahren in der pharmazeutischen Industrie hatte ich das Bedürfnis am Ende des Tages mehr geleistet zu haben, als nur Dokumente ausgefüllt zu haben.“ Als nächste berufliche Station folgte die Geschäftsführung in einem Bremer Unternehmen. Dort arbeitete der Apotheker eng mit den Behörden zusammen, die für die Arzneimittelüberwachung zuständig sind. Es ging unter anderem darum, dass sein Unternehmen geprüft hat, ob Spezifikationen der Hersteller eingehalten wurden. Doch auch hier wurde Horn nicht sesshaft und zog ein weiteres Mal um – diesmal nach Berlin.

Ein Apotheker als professioneller Schnapsbrenner ist etwas Besonderes, der Prozess von der Idee bis zur Unternehmensgründung hat Zeit gekostet – auch deshalb, weil Horn etwas Besonderes machen wollte. „Entstanden ist die Idee 2013 in Südafrika. Dort besuchte ich gemeinsam mit Tim Müller eine Weinakademie. Die Südafrikaner lieben ihren Brandy – wir hörten uns viele Vorträge zur Herstellung der Spirituose an. Hierbei handelt es sich ja um eine Destillation von Wein.“ Zunächst machten die beiden Männer die Reise nur, um ihrem Hobby nachzugehen. Beide interessierten sich für Spirituosen. Später wurde ihnen klar, dass sie sich mit ihrer Leidenschaft selbstständig machen wollten, aber nicht einfach so – die Deutsche Spirituosen Manufaktur sollte sich von anderen Brennereien abheben. „2013 unterhielten Tim und ich uns also ein erstes Mal über die Idee eines eigenen Unternehmens. 2017 gründeten wir es dann.“ Gemeinsam entwickelten sie in der Zeit das Geschäftsmodell: Eine Premium-Brennerei sollte es sein, mit ganz besonderen Kreationen. Horn wollte sein Erlerntes nun hier umsetzen und durch sein Fachwissen auch beim Geschmack punkten.

„Es ist etwas Schönes, wenn man sein Tagewerk in den Händen halten kann.“ Mit Begeisterung kreiert Horn neue Variationen an Gin, Wodka und anderen Spirituosen. Dabei ist der Ausgangsstoff absolut variabel, erzählt der Apotheker. So können beispielsweise zuckerhaltige Rohstoffe wie Früchte für eine Maische zur Gärung zerkleinert werden. Denkbar sei aber auch das Herstellungsverfahren mittels Mazeration: Hierbei gibt der Ausgangstoff seine Aromen ohne weitere Einflussfaktoren an den Alkohol ab, indem er einfach eingelegt wird. Anschließend werden die Lösungen destilliert und stilecht in Apothekerflaschen unterschiedlicher Größe abgefüllt.

Den Schritt in die Selbstständigkeit hat er nicht bereut, auch wenn die Corona-Krise das noch junge Unternehmen auf eine harte Probe gestellt hat: „Wir haben durch die Corona-Krise zeitweilig einen Auftragseinbruch von 80 bis 90 Prozent gehabt. Mit der Abfüllung von Desinfektionsmittel auf Ethanolbasis haben wir uns auch ein Stück weit über Wasser gehalten.“ Viele Großkunden meldeten sich bereits im März und sagten Aufträge ab. Da Bars, Restaurants und Hotels wochenlang geschlossen hatten, schwenkte das Unternehmen auf die Produktion von Desinfektionsmitteln um: „Wir haben den Alkohol nicht nur als Rohsubstanz zu Verfügung gestellt, sondern auch selbst Desinfektionsmittel hergestellt und abgefüllt. Hierfür haben wir uns auch extra Geräte angeschafft.“ Neben Pflegeheimen und Apotheken war auch die Stadt Berlin selbst ein Kunde der Manufaktur. „Durch die Stadt Berlin haben wir einen Großauftrag erhalten. Die Stadt möchte einen Bestand für zukünftige Bedarfsspitzen vorrätig halten.“

Das Unternehmen konnte das Vorhaben mit einem Pharmazeuten an Bord zügig umsetzen: „Als Apotheker hatte ich da natürlich gewisses Knowhow, sodass wir schnell eine Herstellanweisung und entsprechende Protokolle erarbeiten konnten.“ Horn stellte alles in kurzer Zeit auf die Beine und meldete das Desinfektionsmittel bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) an. „Mittlerweile haben wir die Produktion zwar zurückgefahren, aber nicht ganz eingestellt. Wir stellen weiterhin Desinfektionsmittel her – auch in Hinblick auf eine eventuelle zweite Welle.“ Dennoch sind mittlerweile wieder genügend Kapazitäten für neue Geschmackskreationen frei geworden.

Wem das Standard-Desinfektionsmittel nach WHO nicht genügt, der findet im Online-Shop drei weitere Varianten: Lavendel, Mandarine und Rosmarin. Für alle, die ausreichend mit Desinfektionsmittel versorgt sind, bietet das Sortiment zahlreiche Spirituosen-Varianten. Ganz vorne mit dabei: Citrusfrüchte. Die haben es Horn angetan. Von Mandarine, über Grapefruit bis hin zu Blutorange ist alles dabei. Die aus den Früchten gewonnenen Destillate können in ihrem Geschmack variieren, da auch die Zusammensetzung von Saft und Öl je nach Sorte und Reife schwankt. Bei der Deutschen Spirituosen Manufaktur ist jeder Arbeitsschritt noch Handarbeit.

Horn ist als Apotheker an den Neuentwicklungen stark beteiligt: „Auch heute beschäftige ich mich mit der Extraktion von einzelnen Stoffen. Ich entwickle die einzelnen Rezepturen für unsere neuen Produkte. Erarbeite Versuchsreihen und wirke an der Verkostung durch das gesamte Team mit.“ Man merkt ihm seine Begeisterung an. Auch bei den Abgabegefäßen macht sich die Handschrift des Apothekers bemerkbar: Je nach Volumen kommen unterschiedlich große Braungläser zum Einsatz.

Mittlerweile zählt das Team fünf Mitarbeiter: „Tim, der Geschäftsführer, kommt aus dem BWL-Bereich, ich aus der Pharmazie.“ Um den Prozess optimal aufbauen zu können haben die beiden Männer noch einen Destillateur angestellt. Horn lässt ein bayrisches Sprichwort fallen: „Da wär doch a Gelernter a Depp,“ damit meint er, dass Können und Erfahrung letztlich doch einen Unterschied machen. „Darum haben wir einen gelernten Destillateur an Bord.“

 

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