„Apotheker brauchen Europa zum Überleben“ Silvia Meixner, 04.05.2019 09:11 Uhr
Die Apothekerin Elisabeth Thesing-Bleck ist Europäerin aus Leidenschaft. Auf Facebook macht die Aachenerin mit kleinen Liebeserklärungen ihren Fans Lust auf die Europa – und auf die Europa-Wahl.
Mit trockenen Polit-Slogans lockt man niemanden hinterm Ofen hervor. Mit Waffeln hingegen schon. Ihr neuestes Posting: „Gelebtes Europa – Belgische Waffeln mit frischen Erdbeeren hoch über der Wesertalsperre bei Eupen. Nach langer Wanderung genau das Richtige. Freizügigkeit und Frieden, diese demokratischen Errungenschaften verteidigen wir am 26. Mai“, schreibt sie. Oder sie postet das Foto eines Stückes Käse. Immer verbunden mit dem eleganten Hinweis darauf, wie schön Europa ist und doch bitteschön wählen zu gehen.
Für die Apotheker sei Europa allerdings ein zweischneidiges Schwert. „Zum einen gräbt uns Europa – siehe DocMorris – das Wasser ab, zum anderen brauchen wir Apotheker Europa zum Überleben. Deutschland ist ohne Europa nicht lebensfähig. Apotheker müssen diesen Spagat bewältigen. Es gibt eine Riesenbedrohung durch Versandhandel, die den Apothekern wirklich die Existenz rauben kann.“ Da ist guter Rat teuer: „Ich sehe niemanden, der das für die Apotheker lösen kann.“
Als Vizepräsidenten der Apothekerkammer Nordrhein, bis 2008 im Amt, hat sie unter anderem das Thema der Geriatrischen Pharmazie etabliert. Sie nahm am ersten Weiterbildungszyklus in Deutschland teil und wurde so zur „Geriatrischen Pharmazeutin“. Auch politische Frauenthemen sind ihr ein wichtiges Anliegen, sie ist im Deutschen Frauenrat. „Wir vertreten die Interessen der Frauen gegenüber der Politik, der Dachverband besteht aus rund 50 Organisationen, das entspricht rund 20 Millionen Frauen.“
Thesing-Bleck hat immer als angestellte Apothekerin gearbeitet und vor zehn Jahren ein Unternehmen gegründet. Conceptionapo bietet Seminare für Apothekenmitarbeiter, bei denen es – kurz gesagt – darum geht, ältere Menschen, die in die Offizin kommen, besser zu verstehen.
„Ich bin jetzt 68, ich finde, dass ich aufhören darf. Vor vier Wochen habe ich das letzte Seminar gemacht.“ Das Unternehmen steht zum Verkauf. „Ich habe schrittweise aufgehört“, sagt sie. Politisch engagiert bleibt sie. Thesing-Bleck gehört nicht zu jenen Apothekern, die nicht aufhören können und, wenn sie es dann doch tun, sich gleich die ersten Termine für den Aushilfs-Notdienst aufschreiben. Weil es so schön war und ist.
Jetzt kämpft sie für Europa. Dass es Menschen gibt, die sich nicht für die Europawahl interessieren, macht sie fassungs- und ratlos. Apothekern empfiehlt sie seit Jahren, die EU-Scheuklappen abzulegen. „Wir haben uns in der Apothekerkammer immer mit Europa auseinandergesetzt.“ Die Kernforderung des Frauenrates ist schnell erzählt: Gleichstellung der Geschlechter. Und mehr Frauen in die Parlamente. Dazu kommt der Alltag Europas: „Wir sehen mit großer Sorge, dass Europa durch rechte Tendenzen auseinanderfällt. Jeder kocht seine eigene Suppe.“
Wer wie sie die Vorzüge Europas quasi vor der Haustür hat, hat‘s gut. „Ich lebe hier zwischen den Ländern, wechsle täglich von einem Land ins nächste. Von Aachen aus sind es drei Kilometer nach Holland und fünf nach Belgien. Es macht Spaß, ich lebe Europa, mein tägliches Leben spielt sich in drei Ländern ab. Wir wechseln permanent die Grenzen und Sprachen.“ Sie geht Skifahren in der Eifel, trifft sich mit Freunden zum Landlaufen in Belgien und Holland ist immer einen kleinen Ausflug wert.