Apotheker auf Auslandsmission Benjamin Rohrer, 06.10.2010 12:17 Uhr
Wie aus der idealistischen Idee zweier Apotheker eine Organisation mit rund 800 ehrenamtlichen Mitgliedern wachsen kann, zeigt die Geschichte der „Apotheker ohne Grenzen“ (AoG). Seit zehn Jahren organisiert die Hilfsorganisation bei akuten Naturkatastrophen weltweit eine Notfallhilfe. Außerdem unterstützen die Pharmazeuten langfristige Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.
Den Impuls gab Anfang 2000 der deutsche Apotheker Dr. Thomas Scior, der bereits seit einigen Jahren Mitglied bei der französischen Apotheker-Hilfsorganisation „Pharmaciens sans frontiers“ war. Überzeugt, dass auch deutsche Apotheker bei Notfallsituationen im Ausland helfen können, wies Scior den damaligen PZ-Redakteur Ulrich Brunner auf die Arbeit der französischen Organisation hin. Es folgten Zeitungsannoncen und Aufrufe, um potenzielle Mitglieder zu gewinnen.
„Innerhalb von drei Wochen gab es mehr als 200 Zuschriften“, erinnert sich eine AoG-Sprecherin. Am 8. Oktober 2000 gründeten dann 37 Apotheker den Verein, Ulrich Brunner wurde zum Vorsitzenden gewählt. Schon 2001 konnte dann das erste Projekt gestartet werden: Mehrere Hilfsapotheker wurden in ein Kloster im Nordosten Rumäniens entsendet, das rund 100 schwerbehinderte Kinder versorgte. Die Apotheker organisierten eine Behelfsapotheke, sortierten die Arzneimittellager und brachten den Kindern wichtige Medikamente aus Deutschland mit.
Es folgten der Bau eines Gesundheitszentrums in Argentinien und der Ankauf von Medikamenten für strukturschwache Regionen in Tansania. In Afrika halfen die Apotheker bei der Errichtung verschiedener Krankenstationen. „Da das nächste Krankenhaus in manchen Regionen Afrikas bis zu 50 Kilometer weit entfernt ist, sind solche Krankenstationen wirkliche Verbesserungen der Gesundheitsversorgung“, so die Sprecherin.
Zum ersten größeren Notfalleinsatz kam es 2004 in Sri Lanka, nach dem Tsunami im Indischen Ozean. Zwei ehrenamtliche Apotheker wurden am 28. Dezember in das Erdbebengebiet entsendet. Über drei Wochen lang konnten sie mit ihren Medikamenten-Notkoffern mehr als 1000 Menschen versorgen. Nach dem Notfalleinsatz entschieden sich die Apotheker ohne Grenzen, in Sri Lanka auch langfristig Hilfe zu leisten und halfen zwischen 2004 und 2010 bei der Errichtung einer Krankenhausapotheke.
„Solche langfristigen Projekte haben insbesondere das Ziel, die Infrastruktur der betroffenen Regionen zu stärken“, erklärt die Sprecherin der Hilfsorganisation. So liege es im Interesse der deutschen Apotheker, das Gesundheitspersonal des jeweiligen Landes auszubilden, damit die Gesundheitsversorgung nach der Abreise der Hilfsapotheker auf einem hohen Niveau bleibt.
Auch bei der Beschaffung der Medikamente will die Organisation die Regionen stärken - und nicht die deutsche Pharmaindustrie. Um die inländische Produktion zu fördern, seien die ersten Ansprechpartner lokale Großhändler in den betroffenen Regionen, erklärt die Sprecherin. Da die Medikamentenversorgung in vielen Entwicklungsländern jedoch lückenhaft ist und viele Fälschungen im Umlauf sind, muss oft auf andere Beschaffungsmaßnahmen zurückgegriffen werden.
Erst wenn auch in den Nachbarländern keine Quelle gefunden wird, wende man sich an das Deutsche Medikamenten-Hilfswerk Medeor, das Hilfsorganisationen mit Medikamenten versorgt.
Rund 10 Prozent der 800 Apotheker ohne Grenzen waren schon auf einem Notfalleinsatz oder in einem langfristigen Projekt engagiert. Die Organisation finanziert sich und die Auslandsaufenthalte ihrer Mitglieder ausschließlich durch Spendengelder.
Am 8. Oktober feiert die Hilfsorganisation ihr zehnjähriges Bestehen mit einer Spendengala am Rande der Expopharm in München.