Erst ahnungslos, dann drei Kur-Apotheken Eugenie Ankowitsch, 08.04.2017 09:13 Uhr
Vor 37 Jahren eröffnete Dr. Manfred Tillwich nur drei Wochen nach seiner Approbation zum Arzt die Kur-Apotheke im baden-württembergischen Lützenhardt. Dabei hatte er, wie der Pharmazeut heute zugibt, damals keine Ahnung davon, wie man eine Apotheke führt. Viel falsch kann der Apotheker aber nicht gemacht haben. Zuletzt besaß Tillwich drei Apotheken. Im Alter von 67 Jahren hat er nun seine Karriere beendet. Die 31-jährige Anne Sejic hat Anfang April die Kur-Apotheken übernommen.
„Mach' mal eine Apotheke auf, dann wirst du reich.“ Diesen Tipp bekam Tillwich von seinem Schwager. Dieser hatte zwar nichts mit Apotheken zu tun, ja nicht einmal mit der Gesundheitsbranche, doch das Klischee vom reichen Apotheker war damals noch verbreitet. Da er schon während seines Studiums Notdienste in einer Apotheke machte und, wie er damals meinte, einen guten Einblick in den Apothekenalltag hatte, ließ sich der junge Mann schnell überzeugen.
Zwei Jahre habe er in der Apotheke arbeiten wollen, schnell viel Geld verdienen und dann in die Medizin wechseln, die schon immer sein eigentlicher Berufswunsch war. So lautete zumindest der Plan. „Mit schnell reich werden klappte es aber nicht so, wie ich mir vorgestellt habe“, schmunzelt Tillwich heute über seine Vorstellungen als junger Apotheker. „Auch wenn es damals in der Tat einfacher war, eine Apotheke zu eröffnen und davon gut leben zu können.“ Bis er die Bankkredite abbezahlt hat, seien rund zehn Jahre vergangen.
Geboren im Jahr 1950 in Berlin, zog Tillwich mit seiner Familie zwei Jahre später nach Sindelfingen. Auf dem Gymnasium in Horb lernte der Apotheker seine spätere Frau Irmgard Steiner kennen. Nach seinem Abitur wollte er eigentlich Medizin studieren, schaffte es jedoch nicht auf Anhieb. Um die Wartezeit zu überbrücken, studierte er zunächst ein Semester Chemie und wechselte dann zu Pharmazie. Vier Semester später sicherte sich Tillwich zudem einen Studienplatz in Medizin. Drei Semester lang studierte er parallel zwei Studiengänge, die jeder für sich schon für einige Studierenden eine echte Herausforderung darstellen. „Zum Glück waren beide an der Uni Tübingen“, spielt Tillwich seine Leistungen von damals herunter.
Der Start in die Selbstständigkeit gestaltete sich aber am Anfang recht zäh. Um den notwendigen Kredit für den Bau der Apotheke inklusive einer Arzt-Praxis und Parfümerie zu bekommen, klapperte Tillwich sämtliche Banken bis nach Stuttgart ab. Diese gaben sich meist wenig begeistert über die hochtrabenden Pläne des jungen und noch vollkommen unerfahrenen Mannes. Am Ende hat sich aber doch noch eine Bank gefunden, die ihm ein Darlehen gewährt hat.
Der Bau verlief aber auch nicht reibungslos. Eines Nachts rief ein besorgter Bürger den Apotheker an: Der Baukran beginne sich zu neigen. Es hat sich herausgestellt, dass der frühere Verlauf der Waldach sich durch das Gelände der neuen Apotheke zog und der Boden eine weichere Beschaffenheit aufwies wie zuvor vermutet. Nach weiteren Investitionen verliefen die Bauarbeiten allerdings planmäßig, sodass die Apotheke am 19. Mai 1980 eröffnet werden konnte. Nur drei Wochen zuvor hatte Tillwich sein Medizinstudium abgeschlossen und richtete parallel seine Apotheke und Parfümerie ein.
Zur Eröffnung standen die Anwohner aus Waldachtal laut Tillwich bereits eine halbe Stunde vor den Öffnungszeiten der Apotheke Schlange. Mehr als 100 Kunden sorgten am Eröffnungstag für einen gelungenen Start der Kur-Apotheke. Am Ende des Monats hatte der junge Apotheker einen Stapel Rezepte vor sich liegen. Allerdings wusste er nicht, wie es nun damit weitergeht. „Ich habe dann einfach einen Kollegen angerufen, der mir erklärt hat, an welche Adresse ich die Rezepte nun schicken soll“, lacht er. „Ich hatte nicht viel Ahnung davon, wie man eine Apotheke führt.“
Die nächsten Jahre waren von viel Arbeit geprägt, erinnert sich Tillwich. „Ich habe etwa fünf Jahre ohne Wochenende und Urlaub im Prinzip durchgearbeitet“. Es hat sich aber gelohnt. Einige Jahre später eröffnete der Apotheker eine zweite Parfürmerie in Dornstetten. In den Jahren 2008 und 2009 übernahm Tillwich zwei weitere Apotheken in Dornstetten und Schopfloch. Tillwich findet aber auch Zeit, sich im Ortschaftsrat sowie Gemeinderat politisch zu engagieren. Seit 1996 fungiert er zudem als Beirat des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg und ist Vorsitzender der Region Schwarzwald-Nord.
Mittlerweile ist der Apotheker dreifacher Großvater und hat nun die Leitung seiner drei Apotheken an die 31-jährige Anne Sejic übergeben, die bereits die zweite Hälfte ihres Praktischen Jahres in den Kur-Apotheken absolviert hat. „Die Apotheken brauchen junges Blut und frische Ideen", sagt der 67-Jährige. Ganz will Tillwich sich allerdings noch nicht zurückziehen: Vielmehr wird er der neuen Inhaberin weiterhin beratend und als Aushilfe zur Verfügung stehen. „Nach 37 Jahren bin ich dann zum ersten mal Angestellter“, sagt er.
Doch noch brauche er Zeit, um sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. In den vergangenen Tagen habe er sich manchmal dabei erwischt, durch die Apotheke zu gehen und darüber nachzudenken, was man ändern könnte. „Dann sage ich mir, dass ich hier nicht mehr der Chef bin und die junge Kollegin das Sagen hat“, erzählt Tillwich. Um die große Veränderung gedanklich zu verdauen, reist der Pharmazeut gemeinsam mit seiner Ehefrau nun für zwei Wochen nach Spanien. Auch seinen Traum von der Medizin hat der Pharmazeut noch nicht komplett aufgegeben. Die Aufgaben und Verpflichtungen um den Bau und die Unterhaltung der Apotheken haben ihn Jahrzehnte lang in den Hintergrund gerückt. Nun überlegt sich der Apotheker als Privatarzt zu arbeiten und die Hypnose-Therapie anzubieten.