„Apotheken haben es leichter als andere Einzelhändler“ Tobias Lau, 13.07.2018 10:21 Uhr
„Apotheken leiden auf hohem Niveau“, meint der Unternehmensberater und Business Coach Roman Kmenta. Der studierte Betriebswirt aus Wien unterstützt Unternehmen dabei, bessere Preise durchzusetzen und höhere Margen zu erzielen. Er war in den Bereichen Vertrieb und Geschäftsführung bereits in verschiedenen Branchen tätig, unter anderem bei Konzernen wie Samsonite und Opel sowie als Berater, Coach und Trainer für AstraZeneca, Amgen und Novartis. Seit 2002 ist er als Berater und Key Note Speaker selbstständig. Im Interview erklärt er, worauf Apotheker achten sollten, wenn sie sich vom Online-Handel nicht das Wasser abgraben lassen wollen.
ADHOC: Ein Kunde kommt in die Apotheke, lässt sich ausgiebig beraten und sagt dann: „Vielen Dank, ich bestelle das Produkt nachher online.“ Was sagt man so einem Kunden als Apotheker am besten?
KMENTA: Am besten nehmen Sie den Einwand vorweg: „Übrigens, eines vorweg: Ich will Ihnen offen sagen, online bekommen Sie das günstiger als bei mir, aber ich berate Sie dafür auch verantwortungsvoll.“ Damit triggern Sie das schlechte Gewissen des Kunden. Das geht aber auch nur, wenn der Preisunterschied zwischen online und stationär nicht allzu groß ist. Auch bei höherpreisigen Artikeln kann es sich lohnen, den Kunden aktiv auf das Thema anzusprechen: „Geht es ihnen um den Preis?“ Dann kann ich mir überlegen, was ich anbieten könnte, das wenig oder nichts kostet, damit sich der Kunde für mich entscheidet, zum Beispiel günstige und nützliche Beigaben oder zusätzliche Beratungsleistungen im Anschluss.
ADHOC: Und wie sollte man allgemein mit dieser Situation umgehen?
KMENTA: Erst einmal sollte man das nicht allzu finster sehen. Eine neue Studie sagt, dass 11 Prozent der Kunden, die sich im Einzelhandel beraten lassen, danach online kaufen. Aber umgekehrt gilt auch: Über 30 Prozent der Kunden, die stationär etwas kaufen, haben sich vorher online informiert. Wer profitiert also mehr von wem? Außerdem sind Preisstrukturen sehr wichtig. Natürlich, wenn etwas online 15 und in der Apotheke 30 Euro kostet, dann wird es eng. Aber so ist es ja meistens nicht. Preispsychologisch vergleichen wir absolut versus relativ, ich kann also als Apotheker durchaus teurer sein, aber eben nicht so eklatant. Und wenn es nicht anders geht, dann kann ich erwägen, mich von einem Produkt zu trennen. Eine weitere Möglichkeit sind Packages. Denn die kann man schwerer vergleichen als ein einzelnes Produkt. Noch besser klappt das, wenn ich da noch Zusatzleistungen wie Services, besondere Garantien oder ähnliches oben drauf packen kann.
ADHOC: Sie haben das letzte mal im Oktober vor Apothekern gesprochen – was ist Ihr Eindruck von der Branche?
KMENTA: Mir ist aufgefallen, dass sich die Apotheker noch nicht so recht als Einzelhändler sehen – obwohl sie das ja de facto sind. Das ändert sich aber auch zur Zeit. Im Vergleich zu den meisten anderen Branchen stehen sie auch noch gut da, wenn man sich beispielsweise die Margen ansieht, die sie erzielen. Die sind an sich gut, nur steigen sie halt aufgrund der günstigeren Anbieter nicht mehr. Alles in allem leiden die Apothekern auf hohem Niveau.
ADHOC: Beschweren sie sich also zu oft?
KMENTA: Nein, in anderen Branchen ist das ja auch nicht weniger. Das Gefühl, dass es einem schlecht geht, ist nun einmal relativ. Es geht da nicht nur um absolute Werte, sondern vor allem um den Vergleich mit vorher. Es ist aber nicht so, dass man sich existentielle Sorgen um den Berufsstand als solchen machen müsste. Anderswo ist das ja der Fall.
ADHOC: Wie stehen die Apotheker denn im Vergleich zu anderen Einzelhandelsbranchen da?
KMENTA: Sie haben es leichter als andere Einzelhändler. So sind die Margen wie bereits erwähnt besser als in den meisten anderen Branchen. Bei Apotheken sind 5 Prozent Umsatzrendite keine Seltenheit, davon können andere nur träumen. Nehmen sie Baumärkte, die befinden sich meist zwischen 0 und 1 Prozent. Die Apotheker kommen ja aus einer recht geschützten Umgebung, in der viel reguliert ist. Allerdings ist deshalb auch die Innovationsfreude bei den Apothekern eher überschaubar. Das Problem ist, dass die meisten den Online-Verkauf als das Böse betrachten. Das bringt aber niemanden weiter. Stattdessen müssen da Angebote geschaffen werden, die beides verbinden; so etwas wie Pick-up nach Ladenschluss zum Beispiel. Bei vielen OTC- und Kosmetik-Produkten ist die Barriere dafür ja relativ gering.
Für die meisten anderen Einzelhandelsbranchen ist das viel komplizierter. Nehmen Sie die Buchhändler zum Beispiel: Die haben es aus meiner Sicht viel schwerer als Apotheken. Deren Branche ist ja durch die Buchpreisbindung auch sehr reguliert. Gleichzeitig sind Bücher aber ein sehr einfaches und eindimensionales Produkt, sodass da wenig Spielraum ist. Die können ja schlecht anfangen, die selbst zu drucken. Es ist also höchste Zeit, dass sich die Apotheker überlegen, wie sie sich vom Onlinehandel absetzen können, bevor es zu spät ist. Über die Preise geht das natürlich nicht. Und wenn ich als Händler nur dasselbe Produkt anbiete und keine unterscheidbare Sonderleistung bringe, zwinge ich den Kunden ja quasi, sich nach dem Preis zu richten.
ADHOC: Wie geht es dann?
KMENTA: Zum einen natürlich durch Beratung. Das ist insbesondere da wichtig, wo es um heikle Produkte geht. Zum anderen aber auch über Service, was schon etwas schwieriger ist. Da gibt es aber auch Möglichkeiten: So kann man Zusatzleistungen wie Workshops anbieten, beispielsweise zu Kosmetik- oder Gesundheitsthemen.
Außerdem muss ich mir als Apotheker überlegen, in welche Nische ich will. Da kann ich mich ja, je nach Lage und Präferenz zum Beispiel auf eine bestimmte Kundenklientel wie alte Leute oder Sportler spezialisieren und dann entsprechende Angebote machen. Wenn ich in einem Segment extrem unter Preisdruck bin, sollte ich mir überlegen, in welchem anderen Segment es mehr Sinn machen würde. Wenn es zum Beispiel viele Sportler in meiner Gegend gibt, dann sollte ich mehr Produkte für diese Klientel anbieten. Allerdings darf ich mich dabei auch nicht zu sehr verengen und vor allem: Immer das eigene Sortiment hinterfragen! Man kann da auch eigene Marken schaffen und mit aufnehmen, denn ein Private Label zu generieren, ist heutzutage nicht mehr so schwierig.
ADHOC: Aber rentiert sich das denn? Können Apotheker mit anderen Anbietern mithalten, wenn sie selbst Produkte herstellen?
KMENTA: Ja, da bin ich mir absolut sicher. Natürlich ist das ein großer Aufwand, aber was ist denn die Alternative? Ich muss mich als Apotheker heute primär als Unternehmer sehen, denn dann denke ich anders. Früher waren Apotheken eine geschützte Werkstätte, aber das ändert sich zunehmend. Was gefährlich ist nur, sich gegen alles Neue zu sperren.