Selektiv und exklusiv: So hätten es die Kassen gerne. Einer findet sich schließlich immer, der einen besseren Preis bietet, nur um eine Zeitlang Alleinanbieter sein zu können. Man kennt das aus dem Generikabereich. Jetzt sind Reimporteure und Teststreifenanbieter dran. Und auch die Apotheken würde man gerne aufeinander loslassen. Der Wochenrückblick.
Weil Selektivverträge mit Apotheken nicht erlaubt sind, schließt man erst einmal selektive Verträge. Die AOK Baden-Württemberg hat bereits 2012 ein Versorgungsmodell aufgelegt, um bei Avastin, Lucentis & Co. zu sparen. Statt des teuren Originals sollen Rezepturen eingesetzt werden, und die dürfen nur bei bestimmten Apotheken bestellt werden, die sich vorher präqualifiziert und entsprechende Verträge abgeschlossen haben.
Damit die Ärzte mitspielen, gibt es für sie Kickbacks. Und die Wahlfreiheit der Patienten, die in dieser Woche sogar das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt hat? Die kauft man ebenfalls: in Form der Zuzahlung, die erlassen wird. Waren es nicht genau diese Mechanismen, vor denen man die Menschen im Gesundheitswesen schützen wollte?
Auch die Reimporteure müssen unter die Knute: Mehrere BKKen setzen bei den HIV-Präparaten Prezista und Reyataz künftig auf Haemato Pharm. Das der Reimport-Rabatt mitunter in keinem Verhältnis zu dem Mehraufwand in den Apotheken steht, stört niemanden.
In Brandenburg wiederum hat die AOK Teststreifen ausgeschrieben: Mit ihrem Abschlag können sich die Anbieter bei der Kasse einkaufen, ohne sich ihren Preis gegenüber Privatzahlern oder anderen Kostenträgern kaputt zu machen. Wer so mit Preisen umgeht, von dem ist selbst nicht allzu viel Transparenz zu erwarten.
Und tatsächlich: Die Liste über die Zusatzbeiträge der Kassen soll gerade einmal den gesetzlichen Minimalforderungen genügen: Eine Suchfunktion soll es nicht geben, auch nach der Höhe des Zusatzbeitrags sortieren können soll der mündige Verbraucher nicht. Es komme schließlich nicht nur auf den Beitragssatz, sondern auch auf die dahinter stehenden freiwilligen Kassenleistungen an. Ach so? War nicht das Maß der Dinge der niedrigste Preis?
Da wundert es, dass sich immer noch neue Anbieter in diese Abhängigkeit begeben. Der indische Hersteller Cipla etwa kommt jetzt nach Deutschland, Amneal könnte folgen. Womöglich haben die Inder einfach schon in anderen Ländern gelernt, die man mit rigiden Vertragspartner umgeht.
Seine Verträge mit den Apotheken gelockert hat der Kosmetikkonzern Beiersdorf: Künftig müssen Apotheker nur noch mindestens 20 beliebige Artikel aus dem Eucerin-Angebot führen, nicht mehr wie bislang 30. Vorgaben, welche Produkte das sein müssen, gibt es nicht mehr. Auf diese Weise hofft man in Hamburg, wieder 100 Prozent Marktabdeckung zu bekommen.
Gute Nachrichten gibt es beim Thema Betriebsprüfung: Der Tipke/Kruse, ein Standardwerk in Sachen Abgabenordnung, findet, dass Apotheken nicht einfach deshalb Abverkaufsdaten ans Finanzamt liefern müssen, weil sie ohnehin erhoben werden. Das Bundesfinanzministerium war zuletzt anderer Ansicht; der Bundesfinanzhof wird sich demnächst mit dieser grundsätzlichen Frage befassen.
Versteuern kann man allerdings nur, was man zuvor auch verdient hat. Nordrheins Verbandschef Thomas Preis warnt vor weiteren Schließungen von Apotheken und fordert Änderungen bei der Honorierung. Damit sind die Apotheker freilich nicht allein: Nachdem die Ärzte 800 Millionen Euro zusätzlich bekommen haben, fordern jetzt die Kliniken eine bessere finanzielle Ausstattung. Mal sehen, ob die Politik beim Deutschen Apothekertag in München die Rufe der Pharmazeuten hört.
Maria Klein-Schmeink, kann in München von ganz persönlichen Eindrücken berichten: Die gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen war bei der wiedergewählten Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening zu Besuch. Man brauche Apotheker, die ihren Auftrag als Heilberuf und die individuelle Beratung sehr ernst nehmen, lautete ihr Fazit.
Ähnlich positiv äußerte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in der Apotheken Umschau: „Ich habe selbst schon erlebt, dass eine Apothekerin einen Fehler in meinem Rezept entdeckt hat und vom Arzt korrigieren ließ.“ Na, das ist doch schön. Ob die Apotheke vielleicht trotzdem noch auf Null retaxiert wurde, weil sie einen Formfehler übersehen hatte, kann der Minister freilich nicht wissen. Interessiert ihn vielleicht auch nicht.
Verbindlicher als der Minister mit Lokalkolorit wurde die FDP in Thüringen, die eine Bundesratsinitiative gegen Nullretaxationen versprach. Schade nur, dass es aller Vorraussicht nach bei der Landtagswahl für die Liberalen nicht ausreichen wird.
Ebenfalls in einer Apotheke zu Gast war Oliver Kahn – zur Autogrammstunde mit Stada und Noweda. Den ehemaligen Fußballstar hätte man vielleicht mit einer Lieferdrohne beeindrucken können. Aber noch können die selbstständigen Botenroboter der Marke ApoAir nicht starten, weil der rechtlichen Rahmen nicht geklärt ist – und weil viele potenzielle Kunden die Idee noch viel zu kompliziert finden.
Zu kompliziert war auch das Konzept von Purmeo. Anhand von Fragebögen sollten Apotheken den Nährstoffbedarf ihrer Kunden identifizieren und danach individuelle Präparate verkaufen. Weil die Idee in den Apotheken nicht ankam, wurden das Projekt beendet und der Kundenstamm an einen Versandhändler weiterverkauft.
Versandhändler gegen den eigenen Willen wurden zu guter Letzt einige Apotheken in Österreich: Um einen echten Anschein zu erwirken, nutzten Fälscher die Adressen realer Apotheken. Als einige Sendungen als unzustellbar an den ahnungslosen „Absender“ zurückgeschickt wurden, flog die Sache auf.
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