„Apotheken dürfen nicht zum Plattform-Spielball werden“ Carolin Ciulli, 24.09.2021 10:21 Uhr
Immer mehr branchenfremde Unternehmen sprechen Apotheken für die Teilnahme an Lieferplattformen an. Apotheker Erik Tenberken aus Köln steht den Anfragen offen gegenüber: „Wir stecken überall unsere Nase rein“, sagt der Inhaber der Birken-Apotheke. Aktuell testet er über seine Versandapotheke Fliegende Pillen das Konzept „jpharm“ des Berliner Unternehmens Joom Pharm Solutions. Dahinter steht der internationale Marktplatzanbieter Joom.
Die Bestellplattform verspricht Endverbraucher:innen vor allem einen günstigen Preis: „Produkte deutscher Apotheken mit Ersparnissen bis zu 80%“, heißt es auf der Internetseite. „Wir wurden vor ein paar Wochen kontaktiert, ob wir nicht mitmachen wollen“, sagt Tenberken. „Wir wollen sehen, was genau dahinter steht, von außen bekommt man das nicht mit.“ Aktuell ist neben Fliegende Pillen nur die Versandapotheke Besamex von Dirk Düvel aus dem niedersächsischen Marschacht gelistet.
Die Lieferung solle innerhalb von zwei Stunden erfolgen, heißt es weiter bei jpharm. Andernorts steht auf der Website, dass zwischen der Auswahl und dem Versand drei Tage vergehen könnten. Nur deutsche Apotheken seien gelistet.
Aktuell wirbt die Plattform bei potenziellen Teilnehmer:innen mit einem Sonderangebot bis Ende Oktober: 50 Bestellungen pro Monat seien kostenlos. Danach würden 10 Prozent Kommission je OTC-Bestellung einbehalten. Die Apotheke teile ihren Gewinn dafür, dass sie über das Portal Käufer:innen finde, heißt es weiter.
Geschäftsführer von Joom Pharm Solutions ist Dmitrii Kobzar. Die Firma gehört über eine Holding mit Sitz auf den britischen Jungferninseln zur Joom-Gruppe, die über die gleichnamige Plattform seit 2016 Ware anbietet. Joom sei die am schnellsten wachsende „Shopping-App“ in Europa, wirbt das Unternehmen für sich im Internet – mit mehr als 250 Millionen Nutzern.
Als Kontaktort wird Riga angegeben. Geliefert wird über Joom Logistics: „Wir haben unsere eigenen Sortier- und Fulfillment-Zentren in China, Korea und Europa“, heißt es. Das Unternehmen hat große Pläne: Der Versand nach Russland sei demnächst verfügbar.
Der Kölner Apotheker zahlt nichts für die Teilnahme. Per E-Mail werden er und sein Team über Aufträge informiert, die über jpharm generiert werden. Bisher ist die Nachfrage eher gering. „Wir haben vielleicht sechs Bestellungen erhalten, die wir mit unserem Botendienst in Köln ausliefern.“ Aktuell funktioniere die Paypal-Bezahlfunktion nicht.
Für Tenberken ist es nicht mehr als ein Testballon: „Unsere Strategie ist, verschiedene Plattformen anzusehen und zu testen.“ Sollte sich herausstellen, dass die Ziele des Anbieters nicht mit denen der Apotheke übereinstimmten, werde die Zusammenarbeit gekündigt.
Vor-Ort-Apotheken müssten zeigen, dass sie auch im Internet seien, so Tenberken. „Wir müssen unsere Werte digitalisieren, damit der Kunde uns auch im Internet sieht.“ Der Apotheker meint damit unter anderem die pharmazeutische Beratung, den schnellen Lieferservice oder den Versand.
Das Testen der verschiedenen Marktplätze geht er „sehr vorsichtig“ an. „Apotheken dürfen nicht zum Spielball von Plattformen werden.“ DocMorris und andere wollten die Vor-Ort-Apotheken benutzen. Auch Amazon sei gefährlich, da der Konzern bei vielen Kund:innen auf dem Smartphone sei. „Wenn die in den Arzneimittelversand in Deutschland einsteigen, werden wir Schwierigkeiten bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Vor-Ort-Apotheken uns stärken.“