Kaum klopft die Erkältungssaison an die Tür, ist Professor Dr. Gerd Glaeske mit kritischen Einlassungen zu den gängigen Grippemitteln zur Stelle. In der Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins Focus warnt er erneut vor Kombinationsmitteln. Sie seien „sinnlos bis gefährlich“, trotzdem seien sie Verkaufsschlager. Viele OTC-Medikamente seien ihr Geld nicht wert.
Analgetika mit mehreren Wirkstoffen, etwa Spalt, Neuralgin, Thomapyrin oder Vivimed sieht Glaeske kritisch, weil mehrere Wirkstoffe nicht besser wirkten, aber zu einer Addition der jeweiligen unerwünschten Wirkungen führten. ASS könne Magenbeschwerden auslösen und es gebe Wechselwirkungen, etwa mit Marcumar. Paracetamol belaste Nieren und Leber. Coffein wiederum könne dazu führen, dass die Präparate häufiger als notwendig eingenommen werden. „In der Selbstmedikation reicht ein Schmerzwirkstoff aus“, schreibt Glaeske und empfiehlt Ibuprofen.
Dieselbe grundsätzliche Kritik an Kombinationspräparaten trifft auch die Erkältungsmittel Grippostad C, Cetebe antigrippal, Aspirin complex oder Wick Daymed. Zusätzlich gibt es Kritik an den Wirkstoffen: Coffein könne die müde machende Wirkung von Chlorphenamin und Doxylamin nicht ausgleichen.
Phenylephrin und Pseudoephedrin könnten Herzrasen, Blutdruckanstieg, Unruhe und Nervosität auslösen. Wegen Dextromethorphan könne bereits gelöster Schleim nicht richtig abgehustet werden; die Wirkung von Guaifenesin wiederum sei zweifelhaft. Alkohol sei als Zutat „inakzeptabel“, insbesondere in Zusammenhang mit einem Schmerzwirkstoff wie Paracetamol, der selbst schon die Leber belaste.
Immerhin attestiert Glaeske Aspirin complex einen befristeten Nutzen: Studien zeigten, dass die Kombination ASS/Pseudoephedrin zu Beginn einer Erkältung kurzfristig helfen könne. Nach ein bis zwei Tagen seiein Monopräparat sinnvoller.
„Wenn Sie erkältet sind, achten Sie darauf, welches Symptom besonders stört und beeinträchtigt“, rät Glaeske. „Behandeln Sie dieses Symptom, also gegen Schnupfen abschwellende Nasentropfen ohne Konservierungsmittel zum Beispiel mit dem Wirkstoff Xylometazolin, gegen Kopf- und Gliederschmerzen zum Beispiel ASS-Brausetabletten oder Ibuprofen-haltige Tabletten oder Kapseln.“ Außerdem rät Glaeske dazu, viel zu trinken, um festsitzenden Schleim zu verflüssigen.
Das in Dorithricin und Lemocin enthaltene Antibiotikum Tyrothricin wirke gegen Viren überhaupt nicht, auch tiefer sitzende Bakterien würden nicht erreicht. Benzocain könne Allergien hervorrufen. Die beiden Antiseptika 2,4-Dichlorbenzylalkohol und Amylmetacresol in Neo-Angin wirkten ebenfalls nur lückenhaft oder gar nicht. Meditonsin sei ein homöopathisches Mittel, das neben Alkohol geringe Mengen eines Quecksilbersalzes enthalte. Alternativen seien in allen Fällen Lutschtabletten mit Ambroxol.
Gegen Reisekrankheiten empfiehlt Glaeske Diphenhydramin. Vomex A und Vocamur enthielten dagegen den Wirkstoff Dimenhydrinat, der aus Diphenhydramin und Chlortheophyllin zusammengesetzt sei. Letzteres bringe keinen zusätzlichen Nutzen, könne aber unerwünschte Wirkungen verursachen.
Bisacodyl und Natriumpicosulfat in Dulcolax oder Laxoberal reizten den Darm zu vermehrter Aktivität und könnten auf Dauer zur Gewöhnung des Darms an diesen Reiz führen. „Oder ganz einfach: Ohne das Abführmittel geht auf Dauer gar nichts mehr.“ Daher sollten diese Abführmittel nicht länger als ein bis zwei Wochen genutzt werden oder noch besser Lactulose.
Erst Ende August hatte der Stern 17 Medikamente gekürt, „die Sie sich sparen können“. Die Liste war nahezu identisch mit der von Focus online. Bereits vor zwei Jahren hatte der Stern unter der Überschrift „Das Geschäft mit der Gesundheit“ über jene Präparate berichtet, die Glaeske seitdem für bedenklich hält.
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