Neonazi-Aufmärsche

Apotheke in Köthen: Angst und Beklemmung

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Berlin -

Aufmärsche rechter Gruppen, Polizeistaffeln und ausländerfeindliche Parolen: Anlässlich des Todes eines jungen Mannes in Köthen wurde der beschauliche Marktplatz zum Treffpunkt rechtsextremer Anhänger. Direkt vor der Löwen-Apotheke sammelten sich in den vergangenen Tagen Neonazis, Hooligans, AfD-Mitglieder und weitere Gruppen. Der Betrieb von Katharina Pfeiffer lief parallel weiter, doch die Kunden mieden die Offizin während der Demonstrationen.

Nach dem Tod eines 22-Jährigen kippte in Köthen – wie kurz zuvor in Chemnitz – die Stimmung. Barbara Pfeiffer, ursprünglich aus Berlin, lebt seit den 1970er-Jahren in der Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. So etwas hat die Apothekerin noch nicht erlebt. „Das war für uns eine ganz seltsame Situation“, sagt sie. „Es war beängstigend, was für Menschen sich da treffen“, sagt Pfeiffer, die die Apotheke vor einiger Zeit an ihre Tochter übergeben hat, aber immer noch in der Apotheke arbeitet.

Köthen sei nicht rechts, betont Pfeiffer. Dass es in der Stadt zu solchen Szenen komme könne, sei nicht absehbar gewesen. Die Apothekerin war dennoch selbst erstaunt, wie schnell sich die rechtsextremen Gruppen untereinander zusammenschlossen und wie viele Menschen sie erreichten. Medienberichten zufolge folgten den Aufrufen am Sonntag 2500 Menschen, davon sollen 500 einem harten Kern an Neonazis angehören.

„Kurz nach den ersten Meldungen am Sonntagmorgen gab es vor allem über Facebook erste Aufrufe zu einem Trauermarsch“, sagt die Pharmazeutin. Gemeinsam mit ihrer Tochter verfolgte Pfeiffer die Entwicklung. Auch Gegenbewegungen wie eine Bürgerinitiative hätten reagiert und Krisensitzungen einberufen. Die Inhaberin öffnete am Montag wie gewohnt um 8 Uhr morgens. Doch die Stimmung sei unbehaglich gewesen. „Es war ein sehr beklemmendes Gefühl.“

In der Stadt hätten sich zahlreiche Rechtsextreme versammelt. Viele seien von anderen Städten zugereist. „Wir haben viele Autos mit fremden Nummernschildern gesehen“, sagt Pfeiffer. Viele davon aus Sachsen, aber auch Berlin. Das Polizeiaufgebot sei immens gewesen. Allein auf dem Marktplatz versammelten sich 500 Beamte. Dem Team der Löwen-Apotheke war es mulmig zumute. „Es ist komisch, wenn man im Zentrum des Geschehens steht und plötzlich eine Reiterstaffel der Polizei vor der Eingangstür vorbeikommt“, so Pfeiffer.

Die Apothekerin war froh über die Polizeipräsenz. Am Montagnachmittag habe es eine Kundgebung in der Kirche von Gegenbewegungen gegeben. Am Abend hätte die AfD auf einem nur 200 Meter entfernten Platz zu einem Treffen aufgerufen. Vor allem die Menschen, die sich dort versammelten, ängstigten die Apothekerin. „Man sieht, dass das Rechte sind, die auf Krawall aus sind.“

In der Apotheke hätten sich zunächst noch besorgte Kunden gemeldet und Gespräche gesucht. „Die Einwohner waren sehr aufgewühlt“, so Pfeiffer. Im Tagesverlauf ebbte der Kundenverkehr deutlich ab. „Wir hatten erhebliche Umsatzeinbußen. Keiner hat sich am Montagnachmittag mehr auf den Marktplatz getraut.“ Um 18 Uhr schlossen die Apothekenmitarbeiter so gut es ging und hofften, dass es nicht zu Randalen kommen würde. „Die AfD war von der Polizei gut abgeschirmt“, so Pfeiffer. Bilder wie in Chemnitz habe es in Köthen nicht gegeben.

Aktuell ist die Stimmung in der Stadt der Apothekerin zufolge ruhig. „Der Betrieb läuft normal, als wäre nichts gewesen“, sagt sie. Dennoch warnt Pfeiffer vor unterschwelligen ausländerfeindlichen Äußerungen. Manche Kunden seien offen gegen Flüchtlinge und scheuten nicht, ihre Meinung am HV ungefragt und offen zu äußern. Sei etwa ein Arzneimittel nicht verfügbar, heiße es: „Flüchtling müsste man sein, die kriegen es.“

Das Team versuche, mit derartigen Kunden keine Diskussion anzufangen. „Mit solchen Menschen kann man nicht reden.“ Sie ist sich sicher, dass die Aufmärsche und die Hetze einzelner rechter Gruppen das Image der Region nachhaltig schädigen. Insgesamt wünscht sich die Apothekerin mehr Polizeipräsenz gegen Rechts und hofft, dass sich die Vorfälle nicht wiederholen.

Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, rief angesichts des Todesfalls zur Ruhe auf: Die Ermittlungen zu den Geschehnissen liefen in enger Abstimmung mit Justiz und Polizei. „Ich habe vollstes Verständnis für die Betroffenheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Dennoch bitte ich um Besonnenheit“, sagte er. „Wir werden alle Mittel des Staates konsequent einsetzen.“ Zu Ausschreitungen wie in Chemnitz soll es in Köthen Medienberichten zufolge nicht gekommen sein. Wie genau der junge Mann ums Leben kam, wird derzeit noch ermittelt.

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