Apotheke erhält schlechte Google-Bewertung Julia Germersdorf, 17.05.2023 12:33 Uhr
Apotheken müssen sich derzeit mit vielerlei nervenaufreibenden Dingen beschäftigen. Zur patientenindividuellen Beratung im Handverkauf kommen beispielsweise endlose Bürokratie, unnötige Krankenkassengenehmigungen, Retaxationen und Lieferengpässe von wichtigen Medikamenten. Letzteres brachte der Sertürner-Apotheke bei Berlin nun eine schlechte Bewertung ein. Inhaberin Tina von Baehr ist fassungslos über diese Art der Kritik.
Am liebsten habe sie keinen einzigen von fünf möglichen Sternen vergeben wollen, aber diese Möglichkeit bestehe nicht, so die Bewerterin. Ihre Tochter sei mit einem Antibiotika-Rezept in die Sertürner Apotheke Neuenhagen gegangen und dort „unfreundlich und auch inkompetent behandelt“ worden, war in ihrer Rezension zu lesen.
Von Baehr antwortete höflich auf die Bewertung und versuchte zu erklären, dass es momentan schwierig sei, immer alle Medikamente sofort beliefern zu können. In einer erneuten Reaktion der Mutter wurde klar, dass diese sehr wohl mit der aktuellen Engpasslage vertraut sei. Schließlich sei sie Mitarbeiterin einer Arztpraxis.
„Das hat mich dann noch mehr geplättet“, erklärt die Apothekerin. „Gerade Mitarbeiter:innen aus dem medizinischen Bereich sollten doch die Lage verstehen. Das stößt mir so auf.“
Die Bewertung wurde inzwischen gelöscht. Warum, das kann sich Tina von Baehr nicht erklären. Allerdings brachte ihr die Löschung einen neuen negativen Kommentar ein. Nun meldet sich offenbar auch der Vater der Patientin zu Wort: „Es ist schon sehr traurig, wenn man negative Bewertungen löscht, weil man ernstgemeinte Kritik nicht vertragen kann.“
Die Inhaberin hat die Löschung aber gar nicht veranlasst. „Ich weiß nicht einmal, wie so etwas geht“, berichtet sie. „Das ist nicht mein Stil, ich gehe mit der Kritik meiner Kund:innen sehr gewissenhaft um“, antwortet sie öffentlich.
Verweis an andere Apotheke
Aber was war eigentlich geschehen? Eine junge Frau kam in der vergangenen Woche in die Sertürner-Apotheke mit einem Rezept über ein Antibiotikum, ausgestellt von einer Arztpraxis in Frankfurt/Oder. Aufgrund der aktuellen Engpass-Situation, die bekanntermaßen eine ganze Bandbreite von Arzneimitteln betrifft, konnte die Mitarbeiterin das Antibiotikum nicht beliefern.
Sie habe die Patientin darüber informiert, dass sie das Rezept leider nicht beliefern kann und ihr zu dieser Stunde schlichtweg die Hände gebunden seien. Sie habe der jungen Frau nahe gelegt, es in einer anderen Apotheke zu versuchen. Wenig später las von Baehr die Rezension. „Es ist einfach zum Heulen. Die Mutter war bei dem Gespräch gar nicht dabei. Meine Mitarbeiterin war allenfalls selbst frustriert über diese ganze missliche Lage, aber mit Sicherheit nicht unfreundlich.“
Die Apothekerin hat den Betrieb erst im Juni vergangenen Jahres übernommen. „Ich gebe mein Bestes für alle Kund:innen und Patient:innen. Meine Mitarbeiter:innen sind kompetent und engagiert. Wir haben Anerkennung in dieser schwierigen Zeit verdient.“
„Wir versuchen tagtäglich einfach alles“
Die momentane Situation sei für alle Apotheker:innen kräftezehrend und es tue von Baehr um jede Patientin und jeden Patienten leid, der das benötigte Arzneimittel nicht wie gewohnt bekomme. Gleichermaßen bedauere sie, dass die junge Frau scheinbar aus Frankfurt Oder nach Neuenhagen an die Berliner Stadtgrenze gefahren ist, um offenbar heimatnah ihr Rezept einlösen zu können und dies nach eigenen Angaben bereits zuvor in elf Apotheken vergebens versucht hat. Aber man habe sie ganz sicher nicht unfreundlich abgewiesen.
„Wir versuchen tagtäglich einfach alles, um die Leute zu versorgen. Wir prüfen ab 7 Uhr morgens den Defekttopf, betteln vor jedem Notdienst beim Außendienst, telefonieren uns die Finger wund, rennen zu den Ärzten und lassen Rezepte ändern, um nicht auch noch einen Retax fürchten zu müssen und dann bekommt man so einen Tritt, weil eben mal wirklich nichts geht.“