Botendienst

Apotheke liefert in Mercedes-Kofferraum Eugenie Ankowitsch, 09.06.2018 08:06 Uhr

Berlin - 

Autos als Packstationen, Drohnen und Roboter als Paketboten: Gemeinsam mit Autoherstellern und Händlern testen Logistiker neue Wege der Zustellung. Nun startete auch Mercedes einen eigenen Feldversuch, bei dem ein Bote per App Zugang zum Kofferraum bekommt. Auch Leonie Dierfeld gehört mit ihrer Garben-Apotheke zu den Pionieren des Projektes, das sich in der Testphase zunächst nur an die Mitarbeiter des Mercedes-Werks in Stuttgart richtet.

Wer vom Einkaufen und dem Anstehen an Kassen genervt sowie ein glücklicher Besitzer eines Mercedes ist, kann voraussichtlich ab kommenden Jahr viele zeitraubende Tätigkeiten ans Auto delegieren. Beim sogenannten „TecDay“ präsentierte Daimler vor wenigen Tagen innovative Lösungen für das Parken, die das Leben erleichtern sollen, darunter das Projekt Chark.me. Dabei handelt es sich um ein Kunstwort und Abkürzung des Slogans „Change the way you park“.

Die Idee ist nicht ganz neu und unter anderem auch schon für Smart- und VW-Kunden mit der Kofferraumzustellung von DHL in ähnlicher Form verfügbar. Mercedes will mit dem Projekt jedoch weiter gehen und verschiedenen Service-Partnern, wie etwa Wäschereien oder Fahrzeugreinigungen, Zugang zu den Autos der Sternenflotte erlauben.

Der Dreh- und Angelpunkt ist die Chark.me-App. Dort kann ein Nutzer bei den teilnehmenden Anbietern ein Produkt oder eine Dienstleistung bestellen. Anschließend erhält er von diesem eine Zugriffsanfrage für den bei der Buchung angegebenen Leistungszeitraum und muss bestätigen. Der Kunde gibt in der App außerdem den ungefähren Standort seines geparkten Fahrzeugs an. Erreicht der Dienstleister dieses in einem Umkreis von 500 Metern, wird ihm anhand der vom Fahrzeug gesendeten GPS-Daten die genaue Position übermittelt. Um den Wagen zu öffnen, nutzt der Lieferant ebenfalls die App. Von Öffnung, Anlieferung und Schließung wird der Autobesitzer quasi in Echtzeit informiert und bekommt sogar Vorher-/Nachher-Fotos.

Zu den Chark.me-Partnern gehört auch die Garben-Apotheke. Im Jahr 2009 hat Dierfeld mit 27 Jahren und direkt nach dem Pharmaziestudium die Familien-Apotheke übernommen und setzt seitdem auf Modernisierung. „Ich finde Innovation gut und spannend“, sagt sie. Deshalb scheut die Apothekerin vor Investitionen nicht zurück. So habe sie extra für das Mercedes-Projekt eine Versandhandelserlaubnis beantragt und einen Online-Shop kreieren lassen. Dort können die Nutzer OTC-Medikamente bestellen. Ausgenommen seien Arzneimittel, die gekühlt werden müssten. „Bei hohen Temperaturen, wie wir sie derzeit haben, sollten auch andere Arzneimittel nicht allzu lange im Kofferraum liegen“, betont die Apothekerin. „Darauf weisen wir die Kunden natürlich hin.“

Von dem Mercedes-Projekt habe sie schon in einer sehr frühen Projektphase von einem Freund erfahren, der beim Stuttgarter Autohersteller arbeitet. „Ich wollte unbedingt dabei sein und sehen, wohin das Ganze führt“, erklärt die Apothekerin. „Ich bin vollkommen im Klaren darüber, dass es keine Garantie dafür gibt, dass sich der Aufwand am Ende lohnt.“ Probieren will sie es trotzdem.

Chark.me läuft derzeit als Alphatest mit rund 50 Mitarbeitern von Daimler in Stuttgart. Im Laufe des Jahres soll ihre Zahl auf 200 anwachsen. Für 2019 ist der offizielle Marktstart geplant. Wenn ein Mercedes-Fahrer dann den Service nutzen will, braucht er dafür ein Fahrzeug, das „me connect“-fähig ist. Nach Angaben des Autoherstellers verfügen in der Regel alle Mercedes-Benz Fahrzeuge ab Baujahr 2015 über ein solches System.

Die Berliner Versandapotheke Aponeo beteiligte sich bereits an einem DHL-Projekt, bei dem die Pakete im Kofferraum von parkenden Autos hinterlegt werden. Aponeo hatte damals sogar eigens eine Umfrage zum Thema durchführen lassen. Die Mehrheit der 2105 befragten Verbraucher zeigte sich demnach skeptisch: 71 Prozent gaben an, sie würden eine Kofferraumzustellung nie nutzen. Doch immerhin 18 Prozent könnten sich dies als Ergänzung zur normalen Zustellung zumindest vorstellen. Und 5 Prozent sind laut Umfrage von der Idee so überzeugt, dass sie sie immer nutzen würden.

Dieses Zahlen spiegeln auch die Erfahrung wieder, die Aponeo während des Pilotprojektes gemacht hat. Denn laut Inhaber Konstantin Primbas blieb die Kofferaumzustellung ein Randthema. Einige hundert Bestellungen landeten seinen Angaben nach während der Laufzeit von etwa einem Jahr im Kofferraum eines Fahrzeuges. „Das hat zwar technisch bereits gut funktioniert“, sagt Primbas. „Jedoch ist der Lieferweg noch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen.“ Daher verzichtet Aponeo inzwischen auf die Kofferraumzustellung und konzentriert sich stattdessen auf andere Zustellwege, die deutlich besser von den Kunden der Versandapotheke angenommen werden.

So wurde etwa bereits im Jahr 2013 die Expresslieferung für Kunden in Berlin eingeführt: Wer bis 12 Uhr bestellt, bekommt die Ware seitdem am Abend nach Hause geliefert. Kunden in anderen Städten können sich seit 2014 ab dem Folgetag einen Wunschtermin für die Belieferung aussuchen. Dennoch kann sich Primbas durchaus vorstellen, dass die Kofferraumzustellung künftig an Bedeutung gewinnt. Dann werde auch Aponeo wieder mit an Bord sein.