Apotheke als Anlaufpunkt: „Come Together”-Kultur im Kiez Hagen Schulz, 23.11.2019 17:31 Uhr
„Wir wünschen nichts weiter als die Freiheit, auf eigene Kosten uns eine Apotheke zu beschaffen.“ Mit diesen Worten warb der Ortsverein Zehlendorf im Jahr 1892 bei den preußischen Regenten um die Erlaubnis, die erste Apotheke im damals noch selbstständigen Ort eröffnen zu dürfen. Zwei Jahre später war es soweit und so feierte die Adler-Apotheke im Stadtteil im Südwesten Berlins vergangene Woche ihren 125. Geburtstag. Inhaberin Claudia von Lehmann führt den Familienbetrieb in mittlerweile vierter Generation.
Zehn Jahre nach der Eröffnung der Apotheke kaufte von Lehmanns Urgroßvater Dr. Georg Plack den Betrieb. Ihr Großvater und ihr Vater führten das Geschäft fort, seit 2003 steht die Apothekerin in verantwortlicher Position in der Offizin. Ihre Leidenschaft für die Pharmazie kam jedoch erst mit Verspätung. „Ich habe recht spät studiert, weil ich erst spät gemerkt habe, wie wichtig mir die Tradition ist“, berichtet von Lehmann. Heute gelinge es ihr, dass historische Flair der Apotheke zu erhalten.
2016 kam es zum großen An- und Umbau in der Adler-Apotheke. Klar, dass Modernisierungen dabei im Vordergrund standen: „Es gibt jetzt mehr Licht und Platz in der Offizin. Zudem wurde ein heller Multifunktionsraum für die Mitarbeiter eingerichtet. Dort finden unter anderem Schulungen und Teamsitzungen statt. Und es gibt auch einen Zugang zum Garten.“ Raum und Garten seien eine Ruheoase, hier können die Angestellten auch mal die Seele baumeln lassen. Der neue Kommissionierer mit Platz für 14.000 Packungen spare allen zudem viel wertvolle Arbeitszeit.
Erinnerungen an die lange Geschichte der Apotheke gibt es dennoch genug: Holzvertäfelungen, ein Brunnen und alte Gefäße in der Offizin erinnern an vergangene Tage. Auch die Kundin schätzen den Spagat zwischen Tradition und Moderne. „Viele sagen mir, dass uns der Umbau damals wirklich gelungen sei“, freut sich von Lehmann. Oft werde sie zudem auf ihre Vorgänger aus der eigenen Familie angesprochen: „Die Stammkunden fragen gerne, wie es meinem Vater geht.“
Dem Senior geht es sehr gut. Regelmäßig schaut er in der Adler-Apotheke vorbei und freut sich über die Arbeitsbedingungen, die die Mitarbeiter heute genießen. „Es ist immer gut, seine Meinung zu hören. Er ist ein wichtiger und toller Gesprächspartner für mich“, genießt von Lehmann die Fachsimpeleien mit ihrem Vater. Ob die Apotheke auch weiterhin in Familienhand bleibt, steht noch nicht fest. Immerhin: „Meine Tochter zeigt schon Interesse und hilft im Betrieb mit. Und wenn ich diese Apotheke nicht weiterempfehlen würde, welche dann?“, so die Apothekerin.
Denn Lage und Arbeitsbedingungen seien „einfach top“. Die Adler-Apotheke liegt zentral im Stadtteil, eingebettet zwischen S-Bahnhof und Ärztehaus. So sieht von Lehmann ihren Betrieb gut aufgestellt für die Zukunft – gerade auch wegen der Menschen in ihrem Kiez. „Die Kunden vertrauen uns und sind dankbar, dass wir immer für sie da sind“, freut sich die Inhaberin. In Zehlendorf habe sich außerdem eine „Come together“-Kultur entwickelt. Die Menschen würden gerne im schönen Ortskern verweilen. Dass künftig auch wieder mehr Einzelhandel in den Stadtteil einzieht, dafür setzt sich von Lehmann als Mitglied der Bürgerinitiative Zehlendorf ein.
Ein großes Zusammenkommen in der Apotheke gab es zu den Jubiläumsfeierlichkeiten. Unter anderem fand eine Lesung statt, der Historiker Robert Rauh trug aus seinen Werken über den früheren Apotheker Theodor Fontane vor. Zudem wurde eine Cocktail-Bar in der Offizin aufgebaut, die Schaufenster schmückten historische Aufnahmen der Apotheke und des Stadtteils. „Die Leute waren sehr interessiert an den Fotos. Viele Stammkunden teilten mit uns ihre Erinnerungen“, erzählt von Lehmann, die sich in Zeiten des Online-Versandhandels weiter dafür einsetzt, die Bedeutung der Apotheke vor Ort hochzuhalten: „Nur bei uns gibt es die Nachtdienste, Rezepturen und die Rundumversorgung“.