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Summer of Love

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Berlin -

Von wegen friedvolle Weihnachtszeit. Da werden immer alle so hektisch und es gibt Massenabmahnungen und BfArM-Listen und so. Ganz anders im Sommer: Da ist es draußen lange hell und wer nicht die Sonne genießt, den macht die Hitze wenigstens friedlich träge. Und während in vielen Bundesländern die Sommerferien beginnen, wirkt auch die Gesundheitspolitik kurz vor der Sommerpause irgendwie harmonischer.

Da gibt es zum Beispiel neue Vorgaben auf dem Rezept, deren Umsetzung die Ärzte mal wieder ärztlich verpennt haben. Und was machen die Krankenkassen? Vereinbaren eine Friedenspflicht mit den Apothekern! Das Wort war im Kanon der Selbstverwaltung eigentlich schon gestrichen. Die Ersatzkassen machten den Anfang und auch die AOKen wollen mit Augenmaß prüfen. Zum Teil verkünden die Kassen sogar individuell ihren Retaxverzicht.

Sollte das Mut machen für die Gespräche zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband? Die sollen sich nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich auf neue Retaxregeln einigen. Der Arzt-Stempel kann gleich mit auf den Zettel. Beim ersten Treffen war die Luft allerdings dem Vernehmen nach noch etwas vorsommerlich kühl. Man wird sehen. Vielleicht warten die Verhandlungspartner auch gemeinsam friedlich den Ablauf der gesetzlichen Einigungsfrist ab und überlassen dann Oberschiedsrichter Dr. Rainer Hess die Schlichtung.

Auf Ausgleich bedacht war auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Katja Leikert: Ihrem Termin bei der Versandapotheke DocMorris in den Niederlanden ließ sie einen Doppelbesuch bei hessischen Apothekern folgen. Von Kammerpräsidentin Ursula Funke und dem Apothekerehepaar Schmidt ließ sich Leikert den Alltag am HV-Tisch erklären, mit Überraschungen. Der Termin war übrigens keine Reaktion auf den Ausflug mach Heerlen, sondern schon länger geplant. Leikert will sich einen Überblick verschaffen und dass sie Wissenslücken in Detailfragen gar nicht zu kaschieren versucht, kann man auch sympathisch finden.

Beim Medikationsplan will Leikert die Apotheker jedenfalls unbedingt an Bord wissen. Schon im „ersten E-Health-Gesetz“ soll das klar ausgesprochen werden. Die Apotheker können sich also mental schon auf weitere E-Gesetze einstellen. Auf mehr Geld dagegen nicht, jedenfalls, wenn es nach Leikert geht.

Das Medikationsmanagement sei doch die eigentliche Aufgabe der Apotheker – und somit im aktuellen Honorar längst abgebildet, sagte sie im Interview mit APOTHEKE ADHOC. Gegen dieses Argument wird die ABDA ihre eigenen Vorstellungen vom Apotheker der Zukunft (und seiner Bezahlung) verteidigen müssen. Aber das war von vornherein klar.

Unter der Woche ist auch wieder jener Schicksalstag verstrichen, bis zu dem sich angehende Pharmazeuten bei der Stiftung für Hochschulzulassung auf einen Pharmaziestudienplatz bewerben können. Es ist für den Berufsstand wiederum ein schönes Signal, dass es in jedem Jahr deutlich mehr Bewerber als Studienplätze gibt. Gleichzeitig feiern die frischgebackenen Apotheker kittelverbrennend ihre Scheinfreiheit.

Vielleicht tauschen einige von ihnen diese gegen eine Kooperation mit Sanicare: Die Versandapotheke sucht lokale Apotheker, die sich für Versandhandel interessieren, aber keine Arzneimittel versenden möchten. Gegen eine Gebühr bekommen die Apotheker ein Sanicare-Logo auf ihrer eigenen Homepage, alle Bestellungen wickelt dann der Versender ab. Sanicare macht auch das Geschäft, aber die Vermittler-Apotheke erhält für jede Bestellung eine Provision. Eine Idee, die sich noch beweisen muss.

So ist das mit neuen Geschäftsmodellen immer: AEP direkt hat auch direkt mit vielen Gewohnheiten gebrochen. Der Großhändler kommt zum Beispiel nur einmal am Tag. Und hat einheitliche Konditionen. Diese lockten zuletzt jedoch verstärkt Rosinenpicker an: Apotheker, die ihren durchschnittlichen Packungspreis beim Erstlieferanten attraktiv und klein halten wollen.

Um nicht Opfer des Handelsspannenausgleichs zu werden, bestellen sie einfach alle Hochpreiser zum Standardrabatt bei AEP. Weil sich dass auch für den Newcomer nicht rechnen kann, werden diese Kunden freundlich aber bestimmt auf das Vollsortiment hingewiesen. Wer nicht fair bestellt, fliegt raus oder bekommt eine Rosinenpickergebühr aufgebrummt. Dabei will man in Alzenau genau so nicht werden.

Sich selbst treu bleibt dagegen – Stempelretax ausgenommen – die DAK: Pharmazeutische Bedenken zählen nicht, wenn sie nicht anständig begründet sind. Eine Heilung der Begründung ist natürlich auch nicht möglich, im Massenprüfverfahren wäre der Aufwand viel zu hoch. Natürlich.

Ein Dauerbrenner bleiben Streiterein um Zugaben und sonstige Vergünstigungen. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat dem Diabetes-Versender Dr. Schweizer verboten, Kunden die Zuzahlung zu erlassen. Die Apothekerkammern und -verbände aus Bayern und Baden-Württemberg haben das von der Wettbewerbszentrale für die Apotheker ausfechten lassen.

Nur in Griechenland soll die Apothekerwelt auf den Kopf gestellt werden: Es sieht aus, als hätte die EU-Kommission endlich einmal freie Hand und dürfte nach Belieben liberalisieren. Apothekenketten, OTC im Supermarkt, wem auch immer das helfen soll. Dass aber unsere Bundesregierung diesem Punkt im Forderungskatalog wenigstens implizit zugestimmt hat, stimmt nachdenklich.

Ebenso der Rückgang an PKA-Ausbildungsplätzem in Apotheken: Minus 40 Prozent in den vergangenen fünf Jahren sind eine Hausnummer. Dabei wissen die meisten Apotheker, was sie an einer guten PKA haben, und wer es nicht weiß, kann es hier nochmal nachlesen. Have a peaceful weakend.

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