Was hatten wir uns alle nicht alles zu Weihnachten gewünscht? 2015 sollte das große Jahr der Pharmazie und der Pharmazeuten werden. Ruhe an allen HV-Tischen, keine dusseligen Vorgaben von BfArM, BMG oder G-BA mehr – und am liebsten sollte die ABDA dauerhaft mit ihrem neuen Hausbau befasst sein, dann würde wenigstens ansonsten alles glatt laufen. Doch dann kamen die EU-Kommission, EllaOne und ein Minister, dem mehr nach Sternsingern als nach Gesundheitspolitik zumute ist. Holprig ist er, der Start ins Jahr 2015.
Hermann Gröhe ist nicht zu beneiden. Der emotionale Höhepunkt seiner Woche wurde dem Minister hammermäßig versaut. Der Gesundheitsminister hatte sich darauf gefreut, gemeinsam mit seiner CDU-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz die Sternsinger im Ministerium begrüßen zu können. Bilder mit lustig kostümierten Kindern und Jugendlichen für die Hauptstadtpresse und Fans. Putzige Bildchen mit braven Christenkindern.
Doch während die Kreide-bewaffneten morgenländlichen Trachtträger durchs Abendland wanderten und launig Türen und Mauerwerk verschönerten, musste sich Gröhe mal wieder mit einem Thema befassen, dass auch durch konsequentes Ignorieren nicht wegzuschaffen war: Mit EllaOne macht die EU-Kommission dem ruhigen Jahresstart des Ministers von der ruhigen Hand einen fetten Strich durch seine Neujahrsvorsätze. Statt gediegener Beschaulichkeit mit singenden Caspars, Melchiors und Balthasars gab’s Ärger pur und satte Häme obendrein.
Angetrieben vom Koalitionspartner SPD und natürlich von den Damen und Herren der Opposition, zudem von Pro Familia, Frauenverbänden und vielen anderen Organisationen, soll sich Gröhes Ministerium allen Ernstes mit einem Thema auseinandersetzen, das eigentlich keines hätte sein sollen. Ein bisschen Pflege, auch kleinere Reförmchen in Versorgungsfragen und bei Kliniken. Aber doch nichts Kontroverses! Lange hatte sich der Mann vom Niederrhein gegen die OTC-Freigabe der PiDaNa gewehrt. So musste man zuletzt das Gefühl bekommen, die Engelmacher seien willkommener als die frühe Selbstverantwortung der Frauen. Man wollte nichts tun. Doch schon im Spätherbst kam das Signal aus Brüssel: EllaOne soll EU-weit für alle Patientinnen verfügbar gemacht werden. Und zwar rezeptfrei.
Nun legte die EU-Kommission kurzerhand nach.Zu schnell für Gröhe und sein Ministerium. Denn die Ankündigungen des Ministers vom November, er werde sich mit Apothekern, Ärzten und anderen Betroffenen zusammensetzen und dann ein Regelwerk zimmern, wurde vom Taktgeber aus Brüssel überholt. Gröhe hatte anscheinend noch nicht einmal begonnen, sich selbst eine neue Position zu verordnen. Schlimmer noch: Gespräche mit den Fachkreisen hat es bislang nicht gegeben. Das Resultat: Plan- gepaart mit Sprach- und Mutlosigkeit. Ein Dreiklang in der Dreikönigswoche. Und so tat sich das Ministerium nach einigem Hin und Her am Ende ganz raus.
Was aber immer geht im ministerialen Hinterzimmer: Ablenken. Und so fabulierten „Kreise“ und ganz besonders die konservative Frankfurter Allgemeine ganz im Sinne des müden Minister und warfen ausgerechnet der Apothekerlobby vor, sie hätte sich in Brüssel für eine OTC-Freigabe von EllaOne stark gemacht. Wie der Schreiber vom Main darauf gekommen ist, bleibt sein Geheimnis. Nur: Absurd, dass ausgerechnet die deutschen Apotheken in Brüssel eine europaweite Liberalisierung durchsetzen.
Mag ja sein, dass der Präsident der Bundesapothekerkammer Dr. Andreas Kiefer gerne überbetont, die Apotheker könnten stets und wie auch immer zu allem und jedem Thema beraten. Allerdings hätte er hinzufügen dürfen oder müssen, zu welchem Preis. Denn mit der OTC-Freigabe ist die sorgsam kalkulierte Spanne womöglich dahin. Für Apotheken ist EllaOne zwar ein besonderes Präparat. Aber eben ein besonderes unter vielen anderen besonderen. Und wenn, dann dürfte der Aufwand groß werden, der Ertrag übersichtlich. Nur für Discounter, da könnte es ein Geschäft geben.
Und so startet die kommende Woche mit der großen Ungewissheit dieser Woche: Soll, muss, kann ein Apotheker EllaOne nun abgeben oder nicht? Und was wird – so ganz nebenbei – eigentlich aus PiDaNa? Laut Stiftung Warentest jedenfalls – und das sind bekanntlich DIE Experten in Arzneifragen – ist EllaOne nur mit Einschränkung geeignet. Wenn die Patientin trotz der Einnahme schwanger werde oder schon sei, sei das Risiko für das Kind noch nicht abschätzbar. Uneingeschränkt empfiehlt Warentest dagegen das Konkurrenzprodukt.
Was bleibt ist das dumme Gefühl, dass Gröhe seinen Laden nicht im Griff hat. Es reicht halt nicht, freundlich und unverbindlich zu sein. Auf der Leitungsebene vernachlässigt das Ministerium seine Aufgaben. Wo sind die Staatssekretäre, um Gröhe zu entlasten? Alle auf Sicherheitsabstand, weil der Minister tatsächlich mehr als nur medial angezählt ist? Wieso dürfen BfArM und G-BA munter mittelmäßig die Arzneimittelangelegenheiten verwalten, ohne sichtbare strategische Ziele?
Wenn schon vom Chaos die Rede ist, dann an dieser Stelle und diesmal nur einmal und kurz und knapp von der demokratischsten alle Berufsorganisationen, der ABDA. Die hat sich zwar superschnell mit einer Pressemitteilung zu EllaOne zu Wort gemeldet, wusste aber auch bislang nichts Konkretes beizutragen. Und einen Beratungsleitfaden zu EllaOne hat die Bundesapothekerkammer auch noch nicht entwickelt. So ein paar Monate Zeit reichen halt nicht.
Pünktlich zum Chaos um die Pille danach hat der Bundesgerichtshof (BGH) klar gestellt: Ohne Rezept dürfen rezeptpflichtige Arzneimittel nicht ausnahmsweise abgegeben werden – es sei denn, die Ausnahme ist vom Gesetz gedeckt. Wer nicht wenigstens vom behandelnden Arzt das telefonische O.K. hat, der macht sich gegenüber Mitbewerbern schadenersatzpflichtig. Die nächste Abmahmwelle bahnt sich an.
Angst vor Anwaltsschreiben und Gerichtsprozessen hat DocMorris nicht – solange das Geld stimmt. Um auf Zeit zu spielen, denkt sich die sturmerprobte Versandapotheke immer neue Rx-Boni aus. Neuster Clou: Ein Berliner Dienstleister beschafft DocMorris und Apotal gezielt Rezepte, und zwar direkt beim Arzt. Medabo nennt sich das Konzept, das für den Patienten den Weg in Praxis und in Offizin überflüssig macht. Vielleicht auch irgendwann ein Fall zur höchstrichterlichen Klärung...
Mal wieder ein Streitthema vor Gericht: die Abgrenzung bei der Zubereitung von Parenteralia. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat entschieden, dass unter den Begriff der Rekonstitution „nur einfache, gegebenenfalls auch vom Verbraucher ausführbare Tätigkeiten fallen können“. Was darüber hinausführt, sei eine Herstellungstätigkeit – für die der Apotheker die entsprechenden Reinräume brauche. Damit sind nach der bisherigen Rechtsprechung Sterillösungen aus der Apotheke weder Rezeptur noch Rekonstitution. Was nun?
Noch nicht bei Gericht, aber kurz davor befinden sich Apotheker, die vor Weihnachten von ihrem Kollegen Harald Steinert abgemahnt worden waren. Der easy-Apotheker will kein Abmahnapotheker sein und verlängerte die Frist zur Stellungnahme. Zudem habe mit machen Betroffenen telefonisch schon das Gröbste ausgeräumt werden können, sagt er. Der kalte Schweiß dürfte in der easy-Systemzentrale in Düsseldorf ausgebrochen sein. Wer in Kürze mit Containern glänzen will, braucht keinen Teilnehmer, der öffentlich quer schießt oder unangenehm auffällt.
Apropos Dachmarken, diesmal für OTC-Produkte – nicht der Wirkstoff ist laut jüngster Rechtsprechung entscheidend, sondern die Indikation. Lange stand Novartis an der Spitze der Bewegung, doch jetzt setzt man in München die Vorgaben konsequent um. Nach dem Switch der Fenistil-Herpescreme zu Pencivir gibt es ebenfalls bei Otriven eine Veränderung: Das Heuschnupfenspray tritt künftig unter eigener Bezeichnung auf.
Veränderungen gibt es auch im hart umkämpften Markt der Softwarehäuser: Awinta hat zum 1. Januar 2015 Asys komplett übernommen. Asys soll – zunächst – erhalten bleiben. Nach eigenen Angaben baut Awinta damit seine Position als Marktführer im Bereich Apotheken-EDV aus, jetzt aber nur noch mit zwei Geschäftsführern. Andreas Christoffel hatte im Dezember nach nur drei Monaten seinen Hut genommen.
Was noch geschah: Hevert geht nach Indien, Stada verliert seinen OTC-Vertriebschef und beim Impfstoffversender BA (Berg-Apotheke) hat es gebrannt. Die AOK Rheinland-Pfalz verzichtet in der kommenden Grippesaison offenbar auf einen Impfstoffvertrag mit dem Apothekerverband und schreibt lieber aus. Und die FDP ist optisch etwas bunter, inhaltlich aber nach dem Dreikönigstreffen genauso farblos wie vorher.
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