Ein Extraleben Alexander Müller, 13.06.2015 07:59 Uhr
Das E-Health-Gesetz können die Apotheker mangels eingehender Beachtung nicht unbedingt als Erfolg verbuchen. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Das parlamentarische Verfahren beginnt erst und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zeigt sich latent reumütig. Auch die digitale Elite der Union gibt aufmunternde Hinweise, wie es doch noch klappen kann mit dem E-Apotheker.
Nein, Minister Gröhe hat die Apotheker nicht vergessen. Ausgerechnet beim Wirtschaftsrat ließ er plötzlich ein Lob über die Pharmazeuten fallen: Sie stellten mit ihrer Kompetenz einen Wert an sich dar, seien deshalb in ihrem Bestand zu schützen und könnten in Zukunft eine noch wichtigere Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen. Das tat gut. Ursächlich für solche Worte vielleicht das Gefühl, einem vernachlässigten Berufsstand etwas zu schulden. Den Nachwuchs hat der Minister unter der Woche schon getroffen.
Bei den Versandapotheken war Gröhe nicht. Allerdings hatte deren Verband (BVDVA) bei der Wahl des Termins für seinen Jahreskongress auch einfach Pech: Wie soll man seinen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung glaubhaft machen, wenn zeitgleich die Post streikt? Wie über die Vorzüge des digitalen Zeitalters referieren, während Hacker den Bundestag auf links ziehen? Und dann platzte fast noch die politische Runde beim Kongress, weil im Bundestag parallel Gröhes GKV-VSG verabschiedet wurde.
Als Referenten aus dem Hohen Haus hatte der BVDVA zum Glück einen Experten geladen, der mit Gesundheitspolitik nur gelegentlich zu tun hat und deswegen abkömmlich war. Jens Koeppen (CDU) bewegt sich sehr viel in der digitalen Welt. Er ist sogar Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda, den es vor dieser Legislaturperiode noch gar nicht gab.
Das allein ist ein Indiz, dass Deutschland „die Entwicklung verschlafen“ hat, wie Koeppen anprangert. Zu viel Regulierung, zu viel Angst. Nicht ohne Grund habe Google sein Streetview-Projekt hierzulande nach rund einem Dutzend Städte frustriert abgebrochen. Bei der Nutzung des Straßenkinos seien die Deutschen dagegen übrigens führend auf der Welt.
E-Health ist für Koeppen einer der spannensten Bereiche der Digitalisierung. Gut müsse die elektronische Patientenakte sein, aber auch sicher. Offenbar ist das Widerspruch. Der CDU-Politiker erklärt: Er will eine „smarte, bedarfsgerechte Regulierung“, aber keinen „überbordenden Datenschutz“. Ihm dauert das Ganze auch viel zu lange, etwa beim E-Rezept, weil es zu viele Bedenkenträger gebe. „Da kommen wieder die Standortapotheken und sagen: Wir wollen, dass der Kunde zu uns kommt“, beklagt der CDU-Politiker. Dabei würden weder die Abgeordneten noch Gröhe entscheiden, wie morgen der Apothekenmarkt aussieht, sondern allein der Kunde.
Koeppen erklärte aber zum Glück auch, wie die Digitalisierung gerade auf dem Land Chancen für die Versorgung bieten kann: „Wenn der Herrenausstatter auf dem Dorf geschlossen hat und man trotzdem die Möglichkeit hat, einen Anzug zu kaufen. So geht das natürlich auch mit den Medikamenten.“
Außer sie sind gefälscht. Damit die Versandkunden wissen, bei wem sie bestellen sollen und bei wem besser nicht, gibt es demnächst ein neues Siegel für Versandapotheken. Fälschungssicher. Garantiert. Sicherheitshalber sollen dennoch zusätzlich die Arzneimittel unkopierbar werden, jede Packung erhält nach EU-Plänen eine Identität. Das Nähere erklärte der Arzneimittelrechtsexperte Dr. Elmar Mand, ebenfalls beim BVDVA-Kongress.
Mand war zuletzt vor allem in der Skonto-Debatte in Erscheinung getreten. Von ihm ist die Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Skonti. Während alle auf den Prozessbeginn von AEP in Aschaffenburg warten, treibt der Markt weiter die schönsten Skonto-Blüten: 3+3, 7bis7, alles 0815 im Markt der unbegrenzten Möglichkeiten. Das kann noch heiter werden vor Gericht. Einen Vorgeschmack gab es im „Godfather-Prozess“.
Mehr Schutzgeld will auch die ABDA von ihren Mitgliedsorganisationen, Brandschutzgeld sozusagen. Im Durchschnitt fast 7 Prozent mehr sollen die Kammern und Verbände laut Haushaltsplan für 2016 nach Berlin überweisen. Aber das Plus fließt mitnichten nur in die Immobiliengeschäfte der ABDA. Neue Aufgaben müssen finanziert werden: Im nächsten Jahr soll der Geschäftsbereich Telematik aufgebaut werden. Herr Koeppen hätte zu dem Zeitplan bestimmt eine Meinung.
Lieber heute als morgen hätten die Versender das E-Rezept. Aber BVDVA-Chef Christian Buse kennt auch heute schon digitale Pfade, um endlich seinen Rx-Anteil zu erhöhen. Noch besser wären freilich freie Preise. Aber dazu müssen die Versender auf den Europäischen Gerichtshof (EGH) hoffen, der über das Schicksal der Preisbindung zu entscheiden hat.
Einen Prozess verloren hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Stada darf sein Grippostad laut dem Oberverwaltungsgericht NRW auch mit Ibuprofen auf den Markt bringen. Das Recht auf eine Dachmarke ist – verkürzt gesagt – grundrechtlich geschützt.
Seinen Prozess ebenfalls verloren hat ein Apotheker auf Husum: Weil der benachbarte Arzt in seinem Haus einen florierenden Drogenhandel betrieb, muss der Apotheker für drei Jahre ins Gefängnis. Ein spektakulärer Fall. Obwohl: Laut „Zeit“ treten Apotheker schon mal als Dealer auf.
Zu schlechter Qualität gezwungen wird nach eigenem Bekunden DAK-Chef Professor Dr. Herbert Rebscher. Die Hilfsmittelverträge seien so schlecht, weil der GKV-Spitzenverband so schlechte Vorgaben mache. „Hier stehe ich und kann nicht anders“, war das Zitat der Woche im DAK-Kalender. Für Dumpingpreise können die Kassen übrigens auch nichts – die bieten die Firmen ja selber an. „Ich wasche meine Hände in Unschuld“ ist der Spruch für die nächste Woche.