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Zwölf neue Pflichtfelder Alexander Müller, 27.06.2015 09:57 Uhr

Berlin - 

Deutschland im Jahr 2030. Das Leitbild der Apotheker wird um zehn Jahre verschoben, dafür ist endlich das e-Rezept da. Schnell folgt Ernüchterung: Mittlerweile muss der Arzt so viele Angaben auf dem Muster-16-Rezept angeben, dass der Datensatz für den Speicher auf der eGK zu groß ist. Deshalb kommt das „kleine Rosane“ zurück, etwaige Korrekturen auf dem Rezept müssen die Apotheker jetzt aber von ihrem Pharmazierat und der Queen gegenzeichnen lassen.

Zurück in die nahe Zukunft: Am kommenden Mittwoch tritt eine Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) in Kraft. Ab Juli muss der Arzt seinen Vornamen und seine Telefonnummer auf dem Rezept angeben. Ein eigenes Feld ist dafür auf den Rezeptvordrucken nicht vorgesehen. Man kann sich ohne viel Phantasie vorstellen, was demnächst zwischen Praxis und Apotheke abläuft.

Um die nächste Retaxation zu vermeiden, ruft der Apotheker beim Arzt an und weist ihn freundlich auf die fehlende Telefonnummer hin. Der Arzt fragt, ob der Herr Apotheker sie noch alle hätte. Ganz offensichtlich verfüge er doch über die Telefonnummer, sonst könne er kaum während der Sprechstunde anrufen. Doch nachdem der Apotheker ruhig das mit der AMVV und dem Arztstempel erklärt hat, wird der Kollege ruhiger. Das mit den Regressen verstehe er natürlich, der Apotheker solle einfach einen korrekten Stempel herstellen lassen und in die Praxis schicken. Den würde man dann gerne künftig immer verwenden.

Doch auch wenn der Stempel stimmt, Retaxfallen gibt es mehr als genug. Die Rechenzentren haben sich bei der Kontrolle einiges an Expertise draufgeschafft und können ihre Kunden so vor mancher Retaxation bewahren. Allerdings sollen sie sich jetzt zurückhalten, mahnt die ABDA in einem Schreiben an die Unternehmen. Korrekturen der Images sind tabu, das Rezept muss immer in die Apotheke zurück. So viel zur digitalen Agenda.

Da die Krankenkassen bei der Prüfung schon lange nicht mehr auf das Papierrezept setzen, ist die Zweitkorrektur im Rechenzentrum anscheinend lange nicht aufgefallen. Doch als Sonderkennzeichen auf den Images auftauchten, die es in Wirklichkeit gar nicht gab, schlug der GKV-Spitzenverband Alarm. Tatsächlich kann man verstehen, dass Kassen misstrauisch werden, wenn pharmazeutische Bedenken rückwirkend auf Nachfrage zu entstehen scheinen. Und immerhin sind auch der DAK schon Fehler bei Retaxationen passiert.

An der Entschärfung einer Retaxfalle – namentlich der Nichtbeachtung eines Rabattvertrags – arbeitet derzeit Ratiopharm. Die Fundamentalkritik an den Ausschreibungen gehört der Vergangenheit an, heute bekennt man sich in Ulm zur kostengünstigen Versorgung und schlägt mit Zuschlägen ordentlich zu. Mutterkonzern Teva wünscht sich, dass die Apotheker und ihre Kunden möglichst immer zur Zwillingsmarke greifen können. Neuer Slogan: Da gibt’s bald nur noch Ratiopharm.

Vereinfachte Lagerhaltung ist sowieso das Gebot der Stunde. Denn Phoenix will seine Retourenregelung umstellen, ebenfalls zum 1. Juli. Dann darf alles zurückgeschickt werden, man muss sich nur superschnell dazu entschließen. Denn nach wenigen Tagen erlischt das Rückgaberecht und weil die Retourenquote komplett gestrichen wird, greifen sofort ziemlich schmerzhafte Abschläge.

Der zweite Grund, jede Bestellung beim Großhandel wohl zu bedenken, ist das Mindestlohngesetz. Weil die Großhändler seit Anfang des Jahres auch ihre Fahrer anständig bezahlen müssen, ist die Logistik teurer geworden – und wird vielleicht noch teurer. Aber wofür hat man schließlich Handelspartner? Phoenix kassiert ab Juli 1,38 Euro „Mindestlohnbeteiligung“ pro Tour bei den Apotheken. Auch Sanacorp-Chef Dr. Herbert Lang hat bei der Vertreterversammlung eine Andeutung fallen gelassen. Unter Genossen versteht man das.

Apotheker haben es da nicht so leicht: Sie dürfen sich selbst keine Rechnung schreiben. Sagt Heinz Lanfermann, und der sollte sich mit Apotheken auskennen, war er doch mal gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. Heute ist er Ombudsmann der PKV, was ein natürlicher Karriereschritt ist. Aber dass Ärzte Sondertarife bekommen, wenn sie sich untereinander behandeln, Apotheker sich aber angeblich an ihrem eigenen Honorar zu Unrecht bereichern können, ist eine merkwürdige Logik.

Eine vollkommen stringente Logik ist es hingegen, sich ein neues Apothekerhaus an der Berliner Heidestraße zu bauen, wenn man unter einem Dach, zentral, funktional und repräsentativ residieren möchte. Es gibt dann sogar kaum Alternativen. Kritik daran ist billig. Dass es dann ein Terassenhaus mit Türmchen und sechs Parkplätzen werden soll und der Bauherr ein russischer Milliardär mit einem Faible für Impressionisten ist – nein, es macht keinen Spaß mehr, das noch zu kommentieren.

Kritik aus den Reihen ist bislang nur vereinzelt zu hören. Nach der angedrohten Revolte der Apothekerkammer Nordrhein hat unter der Woche Dr. Jörn Graue, Chef des Apothekervereins in Hamburg, nachgelegt. Die ABDA hätte immer gebaut, was sie wollte, koste es, was es wolle. Keine Kritik war von Berlins Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt zu hören, sie war aber wohl auch nicht erwartet worden.

Was für ein 1. Juli. Bei Klosterfrau kommt es zum Generationswechsel: Der ehemalige Merz-Chef Dr. Martin Zügel übernimmt das Ruder und wird oberster Klosterfrau-Mann. Zum Jahresende scheidet auch noch der bisherige Deutschlandchef Friedrich Neukirch endgültig aus. Möge der Übergang gut gelingen. Für immer aus gehen dagegen die Lichter bei Müller Göppingen: Zum Jahresende stellt der Hersteller seine Geschäftstätigkeit ein, die 70 Mitarbeiter haben ihre Kündigung bereits erhalten.

Wohl dem, der ohne Geldsorgen lebt. Die Queen zu Beispiel. War diese Woche mal wieder zu Besuch in Deutschland – eine Apotheke am Brandenburger Tor musste extra gesichert werden. Sinn für Tradition hat aber nicht nur Ihre Majestät, Elisabeth II., sondern auch Doris Lüdke. Sie rettete Hamburgs älteste Apotheke vor dem Aus. Die Oberdörffers-Apotheke an der Hoheluftchaussee bleibt erhalten. Im alten Haus.