Die Apotheker trauen dem Braten nicht. Zwar will der Gesetzgeber die Kassen zwingen, über das Thema Null-Retaxationen zu verhandeln, nur wann? Die ABDA fordert daher, dass ein Stichtag ins Gesetz geschrieben wird. Dass es auf den Tag genau bei Retaxationen gar nicht so genau ankommt, mussten die Apotheker in dieser Woche lernen.
Ganz wichtig ist: Retax ist relativ. Beispiel Zytostatika-Versorgung: Weichen die Angaben auf dem – meist nachgereichten – Rezept mit denen auf dem vorab zur Herstellung eingereichten Anforderungsschein ab, dürfen Krankenkassen retaxieren. Hat das Landessozialgericht Darmstadt mal entschieden. Das ist zwar für Apotheker bitter, aber irgendwie nachvollziehbar: Das Rezept zählt.
Das Rezept zählt nicht. Die Kassen retaxieren nämlich bei Zytorezepturen auch, wenn der Arzneimittelpreis zum Zeitpunkt der Herstellung günstiger war als zum Zeitpunkt der Abgabe. Dann zählt der Anforderungsschein. Auch darin liegt eine gewisse Logik: Warum soll nicht der Preis veranschlagt werden, der aktuell war, als die Lösung hergestellt wurde? Andererseits: Bei Fertigarzneimitteln fragt auch niemand nach, wann in Fernost die Tablettenpresse angelaufen ist.
Retax ist also auf der Zeitachse eigentlich immer möglich, unabhängig davon, wann der Arzt verordnet hat. Das Raum-Zeit-Kontinuum ist anscheinend privatversichert. Was die Kassen noch nicht aus der Welt schaffen konnten ist das Ursache-Wirkung-Prinzip: Die Rezeptprüffirma GFS muss jetzt zurückrudern, weil sie sich verretraxiert hat. Die Apotheker sollten dringend versuchen, sich diese Retaxklausel von den Kliniken besorgen, bei der ein falscher Vorwurf die Kassen bares Geld kostet.
Die nächste Baustelle (sic!) der ABDA heißt aber Nullretax. Nachdem das Bundessozialgericht den Kassen einen Freifahrtschein ausgestellt hatte, wollten die über das Thema nicht mehr reden. Jetzt will die Politik mit dem GKV-VSG eine Gruppentherapie verordnen. Die Apotheker haben aber Sorge, dass GKV-seitig niemand erscheint. Daher der Wunsch nach einem Stichtag: Wenn bis zum 30. Juni keine Einigung da ist, soll ein Schiedsrichter her – Dr. Hess könnte das Datum im Kalender vielleicht schon mal vormerken.
Der Tag der Abrechnung reicht den Herren vom Finanzamt übrigens nicht aus. Tagesabschlussbon? Nicht mit den Betriebsprüfern. Die wüssten schon gern auf die Millisekunde genau, welches Arzneimittel der Apotheker zu welchem Preis abgegeben hat. Ansonsten könnte ja der Umsatz zipp-zapp verkürzt worden sein.
Natürlich sind für dieses übergroße Misstrauen auch Einzelne mit verantwortlich, bei denen der Kittel eher schwarz als weiß ist. Aber Landesfinanzminister wie Norbert Walter-Borjans (SPD) können noch so oft beteuern, den Berufsstand nicht insgesamt verurteilen wollen, wenn sie genau dass dann immer tun. Ob sich der Fiskus allerdings auf rechtlich sicherem Grund bewegt, wenn er sich beidhändig Daten aus der EDV in die Taschen stopft, klärt jetzt der Bundesfinanzhof (BFH). Am 10. Dezember wird in München verhandelt, ob Apotheker tatsächlich Daten herausrücken müssen, die es gar nicht geben müsste.
Was Apotheker anscheinend recht unaufgeregt herausrücken, ist das nicht-retaxierte Bargeld aus ihrer Kasse. Jedenfalls wenn Besuch mit Strumpfmaske vorbeischaut. Gleich 13 Mal hat ein Räuber in Berlin Apotheken aufgesucht. Sein Argument: Apotheker geraten nicht so schnell in Panik. Ein Kompliment von unerwarteter Stelle. Im Knast kann er sich bald mit dem anderen Apothekenräuber (vier Apotheken) austauschen, der in Berlin ebenfalls verknackt wurde.
Die Hoffnung: Im Untergrund setzt sich nach und nach die Erkenntnis durch, dass Gesundheitsminister, Krankenkassen, Großhändler und andere Player der organisierten – naja also, dass die Apotheken schon „ausgenommen“ sind.
Ein Mitspieler hat sich in der Vergangenheit allerdings zu viel genommen: Die Banken müssen ihre Standard-Kreditgebühren zurückzahlen. Hier haben auch die Apotheker den Bundesgerichtshof (BGH) auf ihrer Seite. Also: Erst freundlich fragen, dann notfalls klagen. Und wieder gilt: Achtung, Stichtag! In der Silvesternacht können die Banken jeden Einspruch feiern, der nicht eingereicht wurde.
Bald ein Jahr im Amt ist auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Dass man davon nicht viel bemerkt, hat einen guten Grund: Der Job ist ein Schleudersitz, also lieber ruhig verhalten. In Brandenburg wurde Gesundheitsministerin Anita Tack (Die Linke) von Parteikollegin Diana Golze abgelöst, im Saarland muss Andreas Storm (CDU) seinen Platz im Kabinett räumen, hier übernimmt Monika Bachmann (CDU). In Rheinland-Pfalz wird Alexander Schweitzer (SPD) jetzt Fraktionschef, auf ihn folgt im Ministerium die frühere Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD).
Noch krasser in der Slowakei. Gesundheitsministerin Zuzana Zvolenska musste wegen einer Korruptionsgeschichte mit Krankenhäusern zurücktreten. Passenderweise ist ihr Nachfolger Dr. Viliam Cislak selbst Unfallchirurg. Aber wer will auch Gesundheitsminister werden, wenn selbst US-Präsident Barack Obama seine Gesundheitsreform nicht retten kann. Das wird eine harte Zeit bis zur nächsten Präsidentenwahl.
Apropos lame duck: Die ABDA organisiert sich neu. Ob dieses „alles-unter-ein-Dach“ zu mehr Klarheit führt oder das genaue Gegenteil bewirken soll, wird sich zeigen. Alle unter ein Dach ist auch der Titel der Haussuche. Angeblich sollen bei der Mitgliederversammlung im Dezember Projekte vorgestellt werden. Einen Stichtag für den Umzug muss es aber nicht geben. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte es in der Debatte um das Mendelssohn-Palais sehr schön und beruhigend gesagt: „Eine Ruine sind wir nicht.“
Das schönste Zitat der Woche kommt aber von einer Grünen: „Das AMNOG ist für die FDP das, was Hartz IV für die SPD war“, so Kordula Schulz-Asche.
APOTHEKE ADHOC Debatte