Das Gutachten zum Apothekenhonorar ist noch nicht veröffentlicht, aber das Ergebnis steht schon länger fest. Einige meinen von Anfang an. Und zwar: Die Apotheken bekommen viel zu viel Geld, mindestens 1,7 Milliarden Euro. Und weil die alte Regierung nicht mehr so viel Zeit hat, sammelt die scheidende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) einen Vorschuss direkt in den Apotheken ein.
Mit dem Geldtransporter geht es quer durchs Land. Weil man im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) noch nicht genau weiß, wie sich die Überschüsse auf die Apotheken verteilen, und niemand überfordert werden soll, kassiert das Ministerium zunächst nur eine Anzahlung von 10.000 Euro pro Betriebsstätte. Die müssen allerdings sofort und in bar bezahlt werden, sonst wird gepfändet oder zwangsgeschlossen.
Vielen Apothekern war noch gar nicht aufgefallen, dass sie auf riesigen Geldbergen sitzen. Jahrelang sollen sie viel mehr verdient haben als von der Politik angenommen. Die vom BMWi beauftragten Zauberkünstler kommen jedenfalls offenbar zu dem Ergebnis, dass die Apotheken 1,7 Milliarden Euro mehr haben. Oder 2 Milliarden. Bietet jemand mehr?
Nehmen wir den bislang kolportierten Höchstwert, das rechnet sich so schön einfach. Bei (ja, gerundet) 20.000 Apotheken liegen in jeder 100.000 Euro herum. Sie haben Ihre noch nicht gefunden? Na, dann suchen Sie mal lieber schnell! Vielleicht aus Versehen in die Sichtwahl eingeräumt oder zu den Impfstoffen in den Kühlschrank? Irgendwo muss die Kohle doch stecken, Sie selbst haben bei der Erstellung des Gutachtens immerhin so gewissenhaft mitgewirkt.
Doch im BMWi ist man sich nicht so sicher. Die Zahlen sollen jetzt doch noch einmal überprüft werden, so dass selbst aus dem früher benannten Zeitpunkt der Veröffentlichung am kommenden Dienstag plötzlich ein großes Geheimnis gemacht wird. Dabei ist spätestens jetzt klar, dass es nicht darauf ankommt, was unter dem Strich steht. Das Vorzeichen ist entscheidend und damit die Botschaft an die Apotheker: Ihr bekommt zu viel Geld – jedenfalls mit Sicherheit nicht zu wenig.
Die Hoffnung, dass die neue Regierung das Gutachten einfach erster Klasse beerdigen wird, ist eine relativ vage. Spätestens wenn die Apotheker mit Honorarforderungen bei der Politik vorsprechen, wird es aus der Schublade gezogen werden. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen: Eine begrenzte Zulassung von Rx-Boni in Richtung eines Höchstpreissystems ließe sich politisch wunderbar argumentieren. Nach dem Motto: Wir wissen, dass Geld im System ist, und wer im Preiskampf nicht mitmachen will, muss das ja nicht.
Dieselben Politiker werden dann auf das Urteil im Skontoprozess verweisen, dessen Begründung der Bundesgerichtshof (BGH) just in dieser Woche fertig gestellt hat. Die Karlsruher Richter erlauben den Großhändlern, ihre komplette Marge als Rabatt weiterzugeben. Weil der Gesetzgeber zwar klar gesagt hat, dass die Großhändler ihre 70 Cent behalten müssen, das aber aus Sicht des BGH nicht so klar ins Gesetz geschrieben hat. Und Wortlaut sticht Wille.
Derweil sondiert sich Jamaika unter Schmerzen weiter zusammen. Im Block Soziales haben sich CDU, CSU, FDP und Grüne schon auf Mehrausgaben von 26 Milliarden Euro verständigt. Und während sich die Kliniken schon auf eine Milliarde freuen dürfen, wurden die Apotheken bislang noch nicht bedacht.
Immerhin: Das Rx-Versandverbot steht auf der Liste der zu verhandelnden Themen – allerdings noch in eckigen Klammern. Man muss sich keine Illusionen machen: Spätestens in dieser Phase ist es ein Basar und am Ende kommt es darauf an, wie viel der Union die Apotheken wert sind. Allerdings heißt es aus der Fraktion, die Chancen stünden nicht so besonders…
Der Markt wartet naturgemäß nicht auf das politische Geschacher, sondern dreht sich lustig weiter. Die Europa Apotheek gehört jetzt wieder zur Shop-Apotheke. Nur muss man sich mal wieder vor Gericht verantworten, weil PKV-Versicherte ihre Boni versteckt erhalten. Die Apothekerkammer Nordrhein lässt sich so leicht nicht entmutigen.
DocMorris hält mit einem wahren Bonus-Gewitter dagegen und lobbyiert weiter in jede Lücke, die die ABDA lässt. Sogar der CSU-Nachwuchs, die Junge Union Bayern, lief brav mit den von Versender gesponserten Lanyards herum. Gab Gratiswerbung in der Tagesschau. Gratiswerbung in der Höhle der Löwen kann dagegen auch mal nach hinten losgehen.
Bei der EU-Versandapotheke läuft es dagegen nicht so rund. Aber die sitzt auch ihrem Namen zum Trotz in Cottbus. Die Mitarbeiter verbringen derzeit offenbar viel Zeit mit tröstenden E-Mails. In München sieht sich derweil Bienen-Apotheker Michael Grintz dem nächsten Angriff auf sein Amazon-Projekt ausgesetzt. Eine kostenlose Zweitzustellung gehöre nämlich auch für einen Versandriesen zur Pflicht, meint ein Münchener Apotheker und hat die Aufsichtsbehörde eingeschaltet. Die will sich die Sache mal ansehen.
Die Kollegen von der Aufsichtsbehörde mit Zuständigkeit für Bottrop haben dagegen in der Vergangenheit keine gute Figur abgegeben. Jahrelang wurde der mutmaßliche Zyto-Skandal übersehen. Ab Montag wird dem „Pfusch-Apotheker“ in Essen der Prozess gemacht. Auch gegen zwei PTA wird inzwischen ermittelt, weil ihre Beteiligung untersucht werden soll. Andere Zyto-Apothekern wundern sich auch, warum die Ärzte im Umfeld der Alten Apotheke nichts gemerkt haben.
Das Bundeskartellamt vermutete vor einem Jahr illegale Absprachen bei den Großhändlern und stürmte in einer spektakulären Aktion die Hauptniederlassungen. Jetzt bekamen die Großhändler Post aus Bonn. Die Durchsuchung sei nunmehr abgeschlossen, man möge sich doch bitte mal ansehen, was das Kartellamt gefunden hat, und die Dateien für die Ermittlungen freigeben. Klingt immer noch reichlich absurd.
Was leider recht vertraut klingt, sind Seniorenverbände, die sich über veränderte Notdienststrukturen aufregen. Die Apotheker seien einfach zu bequem, so der Vorwurf. Aber sollten Sie am Sonntag Notdienst schieben müssen, ärgern Sie sich nicht über solche Unverschämtheiten. Suchen Sie lieber Ihre 100.000 Euro. Viel Erfolg und schönes Wochenende!
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