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Briefflut ins BMG Alexander Müller, 21.11.2015 08:00 Uhr

Immer mehr Biefe: Apotheker schreiben an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), wenn sie Null-Retaxationen als grenzenlos ungerecht empfinden. Montage: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist beliebt. Manche sagen, er ist beliebter als der Weihnachtsmann. Jedenfalls bekommt er mehr Post. Nachdem sich ein Apotheker über eine aus seiner Sicht skandalöse Null-Retaxation beschwert hat, folgen tausende Kollegen seinem Beispiel. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) versinkt in einer Flut von Briefen. Die Poststelle wird vernagelt. Ab Montag streikt die Deutsche Post. Und Gröhe will nach unbekannt verziehen.

Vielleicht sollte sich die Pronova BKK nach einer neuen Rezeptprüffirma umsehen. Denn schon wieder steht die Kasse öffentlich schlecht da, weil ihr Dienstleister Protaxplus ein bisschen wild protaxiert. Ja genau, das ist die Firma, die mit ihren BtM-Retaxationen schon vor ein paar Jahren alle gegen sich aufbrachte – sogar einige Kassen.

Neulich erst musste die Pronova BKK ihre Rezptprüfer schon wieder zur Ordnung rufen, weil im Eifer des Gefechts Retaxationen an die falsche Apotheke rausgeschickt wurden. Bei der schieren Masse an Vollabsetzungen kann das ja mal vorkommen. Wirft aber eine rechtliche Frage auf: Gibt es so etwas wie datenschutzrechtliche Formfehler? Und wie kann man die heilen? Gleich mal Gröhe fragen. Retaxplus verweigerte unlängst die Zahlung, weil ein Apotheker sich unbedingt an die Empfehlung der Bundesopiumstelle halten wollte. Der schrieb daraufhin jenen ersten Brief an Gröhe und beschwerte sich über die „Ignoranz und der Willkür der Prüfstellen“. Eine Antwort des Ministeriums steht noch aus. Auch die Kasse ist noch nicht endgültig entschieden, wie sie mit dem Fall weiter verfährt. Vorschläge an Postfach 666, Stichwort: Wegelagerer. Aber deswegen bitte jetzt nicht fluchen. Und hier gibt es 50 Dinge, die ein Apotheker nie sagen würde. Beispiel: „Es macht mir überhaupt nichts aus, wenn Sie Ihre Rezepte anlecken, bevor Sie sie mir geben.“ Schreiben Sie doch uns einen Brief, was Sie so alles schon nicht gesagt haben. Oder Sie schreiben mal an Mary Poppins. Das Kindermädchen kümmert sich nämlich jetzt auch um Apotheken. Jedenfalls um neun davon in München, die nicht mehr mit dem Schwarm fliegen wollten, sondern mit dem Regenschirm. Also superkalifragilistikexpialinasiewissenschon! Den Bienen-Apotheken geht es derweil wie den Bienen in Europa: Ihre Zahl nimmt ab. Ob man das nun als Spaltung oder Katharsis sieht, als Spreu vom Weizen trennen oder Befreiung aus der Unfreiheit – da hat jeder seine Sicht auf die Dinge. Aber auch nach der Trennung will man „Freunde bleiben“, wenigstens Brieffreunde. Eher einseitig ist in dieser Hinsicht das Dasein von Amazon. Der Versandriese verschickt jeden Tag abertausende Päckchen, bekommt selbst aber nur ganz selten Post. Da ist es nur verständlich, wenn man sich neue Freunde sucht. Apotheker zum Beispiel: Auf der Plattform werben schon etliche Versender für ihr Angebot, inklusive Amazon-Zuschlag. Und um sich ein bisschen vertraut zu machen, hat das Versandhaus selbst schon ein paar apothekennahe Produkte an Lager. Teststreifen zum Beispiel. Die gibt es praktischerweise gleich im Sparabo, so dass diese ungefragt monatlich geliefert werden. So wird das zwar nichts mit der Apotheker-Brieffreundschaft, aber vielleicht langfristig mit dem Apothekengeschäft. Das ist ein Grund, warum viele Apotheker Angst vor Amazon haben. Andere haben Angst vor Pflegeheimen. Denn die sind manchmal wie die Krankenkassen: wollen alles umsonst und halten sich dann nicht an die Abmachung. Und wie die Krankenkassen kommen sie damit auch noch bei Gericht durch. Da gilt dann die Kündigungsfrist nur für den Apotheker, weil dessen finanzieller Ausfall nicht so schwer wiegt. Das Pflegeheim darf sich jederzeit von einer anderen Apotheke die Arzneimittel gratis stellen lassen, entschied das Oberlandesgericht Celle (OLG). Das mit dem umsonst Verblistern ist übrigens auch eine spannende Frage der Preisbindung.

Über die wird ja demnächst in Luxemburg gestritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat endlich mal wieder ein Apothekenverfahren. Weil die EU-Kommission der Bundesregierung einen „blauen Brief“ geschrieben hatte, glaubte ein Düsseldorfer Richter nicht, dass die obersten Richter des Bundes wissen, wovon Sie reden. Also schrieb er drei Fragen an den EuGH.

Und jetzt eine Aufgabe für die Juristen: Sagen Sie etwas über den Ausgang des Verfahrens, ohne einen der folgenden Ausdrücke zu benutzen: „Gottes Hand“, „auf hoher See“, „drei Meinungen“, „das kommt darauf an“. Niemand? Ach doch, Dr. Mand, bitte: „Es ist extrem unwahrscheinlich, dass der EuGH die Preisbindung aufhebt.“ Vielen Dank. Viele Apothekern trauen Centern nicht. Dafür vertrauen viele Apotheker der Noweda. Der Großhändler ist über Marktniveau gewachsen, auch wenn man mit der Marge nicht zufrieden ist. Für die Apotheken gab es Skonto statt Rabatt und nähere Erklärungen dazu gibt es heute bei der Hauptversammlung. Eines verbindet die Noweda noch mit den Apothekern: Beide wissen gern, was der Nachbar tut. Der Großhändler wird dabei von seinen Fahrern unterstützt, die Apotheken von IMS Health. Das Marktforschungsunternehmen bietet im kommenden Jahr eine neue Datenauswertung. Die standortbezogene Auswertung ist natürlich neutral, konkrete Namen werden nicht genannt. Gibt ja schließlich das Postgeheimnis. Und jetzt per Express-Brief der Rest: Ein 3-Punkte-Plan für Apotheker aus dem Bundesrat, Tipps zum Brückentage-Management und zum Erkennen gefälschter Rezepte und ein Dosetten-Service am HV-Tisch. Und ab die Post, schönes Wochenende!