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Apotheker offensiv, Schäuble lauert auf Konter

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Berlin -

„Jetzt bin ich auch am Start“, schrieb eine PhiP kurz vor der Halbzeit in ihre Fußballrunde. – „Arbeit?“ – „Ja, aber ab 18 Uhr kam keiner mehr…“ Wenn Fußball gezeigt wird, sind alle gesund. Aber nach dem Halbfinaleinzug läuft das Geschäft mit Aspirin & Co. vielleicht am späten Samstagvormittag besser an. Den Apothekern bereiteten in dieser Woche wieder andere Sachen Kopfschmerzen: die Festbeträge zum Beispiel, oder die Hilfsmittelverträge – oder Herr Schäuble. Die Spielananlyse und alle Tore im Wochenrückblick.

Ausschreibungen der Krankenkassen sind für die großen Generikahersteller ein emotional schwieriges Feld. Einerseits wird den Aktionären gern der Erfolg bei der jüngsten AOK-Runde serviert. Andererseits fressen die Rabatte nicht nur Margen, sondern auch Marken. Stada-Chef Hartmut Retzlaff findet Ausschreibungen „Aldi“. Was läge näher, als künftig nur noch mit „Aliud“ zu bieten?

Mittelständer ziehen zum Teil andere Konsequenzen. Biomo etwa schmeißt Handelsformen aus dem Sortiment, die sich nicht mehr lohnen. Wer ohne wirtschaftliche Vernunft ist, werfe den ersten Stein. Die Rabattverträge dürften allmählich ihren Zenit erreicht haben, der Preisdruck wird mit sinkender Bieterzahl nicht steigen, zumal die Zitrone ohnehin als überquetscht gilt.

Dabei werden die Kassen frisches Geld benötigen nach der staatlich verordneten Beitragsdiät. Branchenprimus TK vermeldet schon ein Minus aus dem vergangenen Jahr. Nun ja, das lag einzig daran, dass man sich den Platz an der Sonne mit einer 80-Euro-Prämie erkauft hat. Ob diese Form des Wettbewerbs unter den Kassen wirklich systemisch sinnvoll oder im Sinne des Solidargedankens ist, kann jeder für sich beantworten.

Eine andere Daumenschraube der Kassen sind die Festbeträge. Für sechs Wirkstoffe wurden zum 1. Juli neue festgelegt: Anastrozol, Ciclopirox, Exemestan, Letrozol, Levetiracetam und Tolperison. Insgesamt gab es bei 8000 PZN Änderungen. Jetzt dürfen die Patienten zuzahlen, die Hersteller Preise senken und die Apotheker im Lager Geld verbrennen – jeder bekommt von den Kassen sein Päckchen.

Deren Spitzenverband heißt übrigens so, weil er in jeder Verlautbarung eine Spitze gegen Ärzte oder Apotheker auf Lager hat. Diesmal war es die vollkommen überflüssige Pöbelei, die Apotheker sollten mal schön über das günstigste Arzneimittel aufklären, dafür würden sie schließlich sehr gut bezahlt. Bei solchen Umgangsformen fällt vielen Apothekern viel ein, wozu sie ganz ohne Bezahlung zusätzlich beraten könnten.

Schlecht beraten war die ABDA offenbar in Sachen Hauserweiterung. Die Planungen über Büro-, Schlaf- und Auslaufflächen hätte man sich im wahrsten Sinne sparen können, hätte sich irgendjemand beim Denkmalamt die gratis zu habende Absage abgeholt. Dream a little Dream.

An der Basis zündete derweil unter der Woche die zweite Stufe des neuen Tarifvertrags. Für die Angestellten gibt es moderate 1,5 Prozent mehr. Das ist für beide Seiten vermittelbar – sofern das Sprachlevel hüben wie drüben B2 ist. Künftig soll es für ausländische Mitarbeiter einheitliche Sprachtests geben.

Unverständlich ist dagegen, warum ein Nachbar aus den Niederlanden die grundlegenden Benimmregeln des Gastlandes auch nach zehn Jahren und horrenden Bußgeldern noch nicht begriffen hat: DocMorris klammert sich an seine Rx-Boni wie ein Ertrinkender – und sucht verzweifelt die unerreichbare Insel Eugeha.

Genauso illegal war von Tag 1 an das Pick-up-Modell „Vorteil24“. An dem Verstoß gegen das Preisrecht hatten auch die Betreiber selbst keine ernst gemeinten Zweifel. Das Oberlandesgericht München hat aber sozusagen posthum noch festgestellt, dass die Provision sogar die Fremdbesitzfrage aufgeworfen hatte. Dabei können die bevorteilten Apotheker vermutlich froh sein, dass ihre Partner das Weite suchten, bevor das Finanzamt auf Spurensuche ging.

Denn Apotheken sind längst zum Hobby des Fiskus geworden. Betriebsprüfer stellen sich gerne neuen Herausforderungen und wollen am liebsten alle Daten aus der Warenwirtschaft haben. Weil die Apotheker die immer seltener einfach preisgeben, trifft man sich demnächst vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Flankenschutz für den Fiskus gibt es von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dem in Sachen versteckte Umsätze Sachkenntnis nachgesagt wird.

In Hamburg streiten die Apotheker mit der AOK über den Hilfsmittelvertrag. Die historisch guten Konditionen musste die Kasse lange ertragen. Doch als sich auch noch der größere Apothekerverband aus Westfalen-Lippe (AVWL) anschloss, wurde es der Kasse zu bunt. Über die fristlose Kündigung des Vertrags wird man vermutlich noch mit den Richtern sprechen.

Was sonst noch war: Die Klinikapotheker warnen vor mafiösen Strukturen im Arzneimittelhandel, die ABDA will keine Splittergruppen im Haus, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will Tabakwerbung verbieten lassen und Saarlands Kammerpräsident Manfred Saar den Rx-Versandhandel. Der Impfstoffversand konzentriert sich weiter, GSK hat einen Sexvideo-Skandal und .apoheke ist noch zu haben. Und die Kassen treiben auch Kranke zur Arbeit. Also – bleiben Sie gesund!





 

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