Skonto nur noch nach Vorkasse APOTHEKE ADHOC, 07.10.2017 07:43 Uhr
Absolute Ratlosigkeit beim Spitzentreffen der Großhändler: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ihre komplette Marge zum Abschuss freigegeben. Die Vertreter der Unternehmen werden einen Teufel tun und sich bezüglich der Konditionengestaltung absprechen. Seit alle vom Bundeskartellamt permanent verkabelt sind, ist nonverbale Kommunikation angesagt, also angeschwiegen. Geschulte Blicke tauschend kommt man trotzdem überein, wie man dem Skonti-Urteil begegnen kann…
Der Spruch aus Karlsruhe löste zunächst einen Schock bei den Großhändlern aus: „Das stimmt doch gar nicht“, rief ein Vorstandsvorsitzender laut aus, als er den ADHOC-Sondernewsletter zum BGH-Urteil im Postfach hatte. Die Verleugnung, das Nicht-Wahrhaben-Wollen ist regelmäßig die erste Phase der Krisenbewältigung. Es folgt die Aggression, die Wut über diesen, diesen, diesen BGH und der Zorn auf die AEP-Transparenz. Und warum hatte die Wettbewerbszentrale überhaupt geklagt?!
Im Hauptquartier eines anderen Großhändlers war die Unternehmensspitze da schon in Phase 3: Depression. Wir werden alle sterben, die flächendeckende Versorgung wird zusammenbrechen und bald bekommt niemand mehr seine Arzneimittel. In dieser Phase ist der Grundstock für die spätere Verbandsmitteilung entstanden. Das hat doch alles keinen Sinn mehr. Außer – das ist die Phase, in der mit dem Schicksal verhandelt wird – wir gehen zusammen mit den Apothekern zu Herrn Gröhe und fordern mehr Honorar!
Und damit wird die letzte Stufe erreicht – Akzeptanz. Das Urteil ist da, wir müssen eine Lösung finden und das möglichst schnell. Und die sieht so aus: Skonto gibt es weiterhin, aber nur gegen Vorkasse. Apotheker bekommen 2-3 Prozent erlassen, wenn sie die Rechnung begleichen, bevor die erste Kiste gepackt ist. Vorfällige Zahlung wird definiert als vor der Bestellung, die Apotheken zahlen die Rechnung für den übernächsten Monat.
Weil das in der Praxis schwer umzusetzen ist, soll es im Handel Prepaid-Karten für den Großhandelsskonto geben. Der Apotheker lädt sein Konto mit 100.000 oder 200.000 Euro vorab auf und kann dann im nächsten Monat für diese Summe beim Großhändler einkaufen, Skonto inklusive. Ein Großhändler wird allein auf die Idee kommen, die anderen schnell reagieren und gleichzeitig nachziehen.
Das Großhandelstreffen ist zu Ende. Im Protokoll steht nur: Erörterung des BGH-Urteils. Beschlüsse: Keine. Beim gemeinsamen Abendessen ist die Stimmung gelöster. Gut gelaunt bestellt einer ein Glas Champagner. Und alle anderen rufen wie abgesprochen im Chor: „Für mich bitte dasselbe!“
In Wahrheit lief alles natürlich viel formeller ab. Es gab eine Telefonkonferenz und danach eine Erklärung. Eine mögliche Folge aus dem BGH-Urteil wurde dabei womöglich übersehen: Die Auferstehung des Direktgeschäfts. Die Hersteller warten doch nur, endlich wieder mehr eigene Päckchen zu den Apotheken zu schicken. Und die Parteien? AEP ist glücklich, die Wettbewerbszentrale nicht traurig. Und die ABDA freut sich, dass die Arzneimittelpreisverordnung mit der Entscheidung aus Karlsruhe bestätigt wurde. Sie erklärt leider nicht, warum.
Wie dem auch sei, endlich haben die Apotheker – wenn auch indirekt – bei einem wichtigen Verfahren mal wieder gewonnen. Das tut gut nach all den Retax- und Boni-Schlappen zuletzt. Doch ach, es droht schon wieder Unheil: Die SPD in Gestalt von Sabine Dittmar will als Konsequenz das Apothekenhonorar unter die Lupe nehmen. Zwar wandern die Sozis ins selbstverwählte Oppositionsexil, aber auch die Union will die Arzneimittelpreisverordnung anfassen. Und von den anderen Jamaikanern ist sowieso nicht viel Gutes zu erwarten.
Aber auf die Koalitionsbildung können die Apotheker sowieso nicht warten. Sie haben einen Alltag zu bewältigen. Seit Montag müssen sie bei Medikamenten zur Substitution doppelt genau hinsehen. Denn auf ein- und demselben Rezept können nun Präparate sowohl zur Sichtvergabe als auch für den Take-home-Bedarf verordnet werden. Die Verordnungen müssen mit dem Buchstaben „S“ und zusätzlich mit dem Buchstaben „T“ gekennzeichnet werden. Das erleichtert eine übersichtliche und nachvollziehbare Dokumentation für die Apotheken ungemein. Nicht.
Das Entlassrezept, das nach langem Hin und Her ebenfalls seit Monatsbeginn ausgestellt werden kann, sorgt bereits für Probleme in den Apotheken. Klinikärzte sind nicht dafür bekannt, den Feinheiten der ambulanten Versorgung allzu viel Beachtung zu schenken. Apotheker Eric Schmitz aus Düsseldorf hat sich stundenlang mit seinem ersten Entlassrezept herumgeschlagen. Die Klinik hatte alle Vorgaben ignoriert – und sah sich außerstande, eine neue Verordnung auszustellen. Die Uniklinik Köln hat ihr eigenes Konzept entwickelt: Die Ärzte lassen ihre Rezepte in der hauseigenen Klinikapotheke ausstellen und unterschreiben dann nur noch.
Während sich die Rezeptprüfer der Kassen über die neue Retaxfalle freuen, ist so mancher Apothekenmitarbeiter nicht mehr bereit, das Übermaß an Bürokratie zu ertragen. Eine Pharmazieingenieurin hängt nach 30 Jahren ihren Job an den Nagel und verlässt die Branche, weil für sie die Pharmazie in der Offizin auf der Strecke geblieben ist. Schlechte Bezahlung, keine Zeit für die Patienten, Fließbandarbeit am HV-Tisch. Dann noch die immer gleichen Diskussionen mit den Kunden zu führen, macht ihr einfach keinen Spaß mehr. Dem Nachwuchs wünscht sie viel Glück, dass er bald wieder bessere Zeiten erleben wird.
Die Inhaber kommen solche Entscheidungen in Zeiten des Personalmangels teuer zu stehen. Und dann ist da noch der Strukturwandel, der Dörfer und Innenstädte veröden lässt. Weil in der Gemeinde Neusäß nahe Augsburg mehrere Einzelhändler aufgeben mussten, bleibt der Raphael-Apotheke die Laufkundschaft weg. Inhaber Robert Reisewitz hat sich entschlossen, am Mittwochnachmittag zuzulassen. „Da kommen jetzt nur noch wenige Kunden.“
Thomas Preis, Verbandschef in Nordrhein, wusste in der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“ auch keine Antwort, noch nicht einmal eine Erklärung. Schade, die Gelegenheit wäre günstig gewesen.
Doch auch in vermeintlichen 1A-Lagen sind Apotheken längst keine Selbstläufer mehr. In Heilbronn finden sich gleich für zwei Ärztehäuser keine Pharmazeuten. Drei Erklärungsversuche: Nach dem Generationswechsel stecken die jüngeren Apotheker noch mitten in der Finanzierung und scheuen neue Investitionen. Die tiefe Unsicherheit über die Zukunft der Branche spielt wohl ebenfalls eine große Rolle. Und schließlich scheint der Ärztemix nicht zu stimmen.
Die richtige Mischung ist es auch, die Fußgängerzonen attraktiv macht. Leider ähneln sich die Innenstädte zunehmend, Grund sind omnipräsente Filialisten wie H&M, Pimkie, MäcGeiz und Rossmann. In der Fußgängerzone von Wiesbaden soll es noch zwölf inhabergeführte Geschäfte geben, darunter zwei Apotheken. Wie es sich anfühlt, allein unter Ketten zu sein, berichtet Anna Luh von der Schützenhof-Apotheke.
In der Fußgängerzone von Berlin Spandau hat die Spielberger-Apotheke den Besitzer gewechselt. Das an sich wäre noch nicht ungewöhnlich, wenn nicht der Namenspatron verschwunden wäre. Irgendwo in Südostasien soll Cornelius Spielberger zuletzt eine Spur hinterlassen haben, Großhändler und Hersteller hätten sich gefreut, wenn er zuvor seine Rechnungen beglichen hätte. Nun wird nach ihm gesucht, was dadurch umso brisanter ist, dass der Sohn von Elac-Gründer Rolf Spielberger in der Branche kein Unbekannter ist.
In Limburg wird man demnächst ohne Mundipharma auskommen müssen. Ende kommenden Jahres stellt der Schmerzspezialist Forschung und Entwicklung am bisherigen Stammsitz ein. Die Produktionslinien werden innerhalb Europas verlagert. Die deutlich verkleinerte Einheit für Marketing und Vertrieb muss nach Frankfurt umziehen.
Der neue Stada-Chef Dr. Claudio Albrecht verspricht dagegen zum Amtsantritt, dass es keinen Personalabbau geben wird, „weder in Deutschland noch anderswo“. Die neuen Eigentümer hatten zwar schon eine Zusicherung abgegeben, der trauten aber die Arbeitnehmer nicht. Albrecht will sogar eine dreistellige Zahl von Arbeitsplätzen schaffen, um die Biosimilars auch über Kliniken vertreiben zu können. Und dann will er auch noch Ladival zurückkaufen.
Konkurrent Omega muss keine Stellen abbauen. Der OTC-Hersteller aus Herrenberg bei Stuttgart kann froh sein, wenn morgen noch jemand zur Arbeit kommt. Im Top-Management gibt es jedenfalls seit Monaten einen Aderlass, seit Sommer sind auch Marketing- und Vertriebsleiter weg sowie die Geschäftsführerin. Aline Seifert ist jetzt bei Alliance, wo sie die Nachfolge von Nikolaus Vogler antritt.
Im Erkältungsbereich ist Omega nicht vertreten, wohl aber 62 andere führende OTC-Hersteller. An sie richtet sich die APOSCOPE-Studie „Erkältungsmarkt 2017/2018: Was das Apothekenteam empfiehlt“. 507 Apotheker und PTA haben den Markt, die wichtigsten Player und ihre Marken bewertet – mit teilweise überraschenden Ergebnissen. Wussten Sie, dass Wick eine Marke für Männer ist und Sinupret eine vorwiegend weibliche Klientel anspricht? Wer aufschlussreiche Lektüre mag, kann die 1000 Seiten starke Analyse hier bestellen. Was zum Schmökern fürs Wochenende.