Volksentscheid zum Rx-Versandverbot Alexander Müller, 12.11.2016 07:51 Uhr
Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) reden alle über ein Rx-Versandverbot als Gegenreaktion. Es gibt Gründe dafür, es gibt Gründe dagegen. Beide Seiten beanspruchen für sich, es vor allem mit dem Verbraucher gut zu meinen. Deshalb soll es jetzt einen Volksentscheid geben: Am 24. Dezember werden die Bürger darüber abstimmen, ob das Rx-Versandverbot kommt oder nicht. Das Ergebnis ist verbindlich und soll rückwirkend zum EuGH-Urteil umgesetzt werden.
Am Ende wurde es der Politik einfach zu unübersichtlich. Im Bundesrat gibt es eine Gesetzesinitiative, im Bundesgesundheitsministerium wird getüftelt und die Stimmung an der Basis wird in Petitionen und Unterschriftenlisten vorgefühlt. Deshalb ist die direktdemokratische Abstimmung die logische Konsequenz.
Damit können sich auch die Leitmedien anfreunden. In den Umfragen liegen die Gegner des Verbots derzeit knapp vorn. Dabei ist berücksichtigen, dass Meinungsforscher unter der Woche im Vertrauensindex der Bevölkerung auf Platz 147 zurückgerutscht sind, zwischen EU-Kommissar und Immobilienmakler. Die Stimmung in der Branche ist getrumpt. Alles scheint möglich beim Volksentscheid.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lässt sich von Jörg Schönenborn nicht beirren. Er lässt in seinem Haus weiter an einem Gesetzentwurf stricken. Nur sein Pharmadialoggesetz möchte er sich von europäischen Notifzierungspflichten nicht verderben lassen, weshalb er das Rx-Versandverbot aus seinem AM-VSG heraushält. Ohnehin ist die SPD nicht angetan und bleibt wohl bei Lauterbachs Nein.
Im Gesundheitsausschuss des Bundesrats gab es dagegen eine deutliche Mehrheit für ein Rx-Versandverbot. Und von den SPD-geführten „Swing-States“ stimmten sogar namhafte mit der Initiative aus Bayern. Allein: Das Ganze ist als Anhängsel ans AM-VSG gedacht und dabei ist der Minister wie erwähnt empfindsam.
Im Bundestag nutzte sein CDU-Kollege Michael Hennrich die seltene Chance, einen Bundestagspräsidenten anzuraunzen. Nicht Norbert Lammert, der hat ja den Rx-Versand nicht erlaubt und auch keinen Dienstwagen in Spanien vergessen. Nein, zur Stunde der Beratung hatte Vizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) den Vorsitz – das war einfach unglückliches Timing. Ohne „Ulla“ gäbe es die Debatte gar nicht, erinnerte Hennrich.
Auch an der Basis rumort es: Beim Abendessen einer PTA entstand die Idee zu einer Petition pro Preisbindung – aus Ärger über die Beratungsschnorrer. „Es kann doch nicht sein, dass Online-Apotheken die gleichen Rechte, aber nicht die gleichen Pflichten haben“, sagt Chris Werner, Lebensgefährte der PTA und eigentlich mit erneuerbaren Energien befasst.
Energie sparen und Kräfte bündeln will eine Apothekerin aus Siegen. Sie hat ihre Unterschriftenkampagne zum Rx-Versandverbot gestoppt, weil die ABDA nun doch aktiv werden will. Ab Dezember werden also Listen ausliegen in den Apotheken. Dann dürfte auch die Medienschlacht in die nächste Runde gehen.
Ein öffentliches Scharmützel mit den Apothekern gönnt sich von Zeit zu Zeit auch Professor Glaeske. Er testet Apotheken oder OTC-Arzneimittel und meistens schmecken ihm beide nicht. Auch die ARD testet Apotheken. Schwierig für beide: Es werden immer weniger. Laut ABDA-Statistik ist die Zahl sogar schneller gesunken als im Vorjahreszeitraum. Und selbst Dirk Roßmann ist überzeugt: Boni kosten Apotheken.
Manchmal gewähren Apotheken den Krankenkassen direkt Rabatte. Das geht bislang nur in der Zyto-Versorgung – und die Politik hat sich das jetzt lange genug angesehen; das Verbot ist auf dem Weg. Unterdessen gehen die Debatten an der Basis weiter. Onkologische Praxen beschweren sich über die Folgen der Ausschreibungen, die Kassen sehen die Schuld aber auch bei den Ärzten.
Wer Schuld hat an der mutmaßlichen Steuerhinterziehung eines Apothekers aus Chemnitz, muss erst noch vor Gericht geklärt werden. Aus seiner Sicht haben seine Berater versagt, der Fiskus hätte jedenfalls gern knapp 2 Millionen Euro zurück. Im Advent stehen noch ein paar Verhandlungstage an. Da es um eine „Holland-Connection“ geht, könnte es tatsächlich kompliziert werden. Immerhin müssen sich ausländische Versandapotheken künftig bei der Abrechnung ausweisen.
Eine eigenwillige Abrechnung hat auch Stada vorgelegt, jedenfalls sind die Marken-Verkaufszahlen für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Verzählen verboten gilt auch 2017 bei der Urlaubsplanung. Denn nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Wer schnell ist, kann mit Brückentagen schön jonglieren – allerdings sollte man den Frieden im Team im Blick behalten. Notfalls demokratisch abstimmen lassen (Volksentscheid).
Womit wir wieder beim Rx-Versandverbot wären. Für die ausländischen Versandapotheken wäre das natürlich eine Katastrophe, dabei hatten sie sich gerade so über den Boni-Freibrief aus Luxemburg gefreut. Dazu hätten sie gerne noch das E-Rezept – doch beim Innovationsfonds ging Zur Rose zunächst leer aus. Muss man vorerst weiter Papierrezepte einsammeln. DocMorris paktiert diesbezüglich offenbar in Nordrhein schon mit den Hausärzten.
Apotheken vor Ort dürfen dagegen nicht einfach Versandapotheke spielen und im Edeka-Markt um die Ecke Rezepte abfischen. Dieses Privileg haben nur Versandapotheken, die mit einem externen Logistiker zusammenarbeiten. Ungleichbehandlung? Ja, das kann man so sehen. Aber nun, ab ins Wochenende. Wer ist dafür?