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Torten-Angriff auf Christian Lindner

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Berlin -

Angenehm und freundlich fand Christian Lindner seinen Besuch bei den Apothekern. Der FDP-Chef hatte eigentlich keinen allzu herzlichen Empfang erwarten dürfen, nachdem seine Partei bei der ehemaligen Stammwählerschaft zuletzt so unfreundlich und unangenehm aufgefallen war. Und tatsächlich: Eigentlich hatten die Apotheker geplant, Lindner in einem Moment der Unaufmerksamkeit eine Sahnetorte ins Gesicht zu klatschen. Einfach mal so. Nichts für ungut.

Eier auf Kohl, Farbbeutel auf Fischer, solche Aktionen sind – ungesehen der Motivation oder Angemessenheit – irgendwie immer „saudaumm“. Diese Beschreibung wählte Sahra Wagenknecht (Die Linke), nachdem sie beim Parteitag eine Schokotorte ins Gesicht bekommen hatte. Und auch Lindners Vorgänger Philipp Rösler fand die Konditorkunst im Gesicht 2012 alles andere als lustig. Deswegen haben die Apotheker auch Abstand von der Idee genommen. Wer mit Kuchen um sich wirft, wirft nicht mehr mit Argumenten.

Aber wer den FDP-Parteitag verfolgt hat, mag sich fragen, ob nicht vielleicht die Flugfähigkeit von Argumenten der von Sahnetorten unterlegen ist. Die Parteispitze ziert sich noch, die verquere Debatte mit der en-passant-Abstimmung als Fehler anzuhaken und will das vielleicht lieber stillschweigend tun: Sollte sie in die Verlegenheit kommen, Koalitionsverhandlungen im Bund führen zu dürfen, muss das Thema ja nicht unbedingt oben auf die Agenda.

Beim Rx-Versandverbot scheinen die Liberalen tatsächlich entschieden, nicht mit der Union gehen zu wollen, aber beim Thema Apothekenketten ist die Haltung viel weniger klar. Und das ist sehr zurückhaltend ausgedrückt. Auf die neue Positionierung seiner Partei angesprochen, äußerte sich Lindner dahingehend, er sei gegen das Fremdbesitzverbot und habe den Beschluss skeptisch gesehen. Und in so einem Moment wäre ein Törtchen zur Hand vielleicht nicht schlecht. Nicht als degradierender Anschlag auf die Einzelperson Christian Linder, sondern im clownesken Sinne; als humoristische Auflösung einer fehlgegangenen Debatte.

So weit ist es tatsächlich gekommen, dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bei seinem Sommerfest die FDP als Negativbeispiel der Politik nennen musste. Dass Lindner sich trotzdem in die Höhle des Löwen wagte, spricht für seinen politischen Sportsgeist. Aber er kennt die Apotheker eben und weiß deshalb, dass die sich zu benehmen wissen. Außerdem fallen öffentliche Auftritte nach der gewonnenen NRW-Wahl insgesamt nicht so schwer; die Apotheker bewerten den Wahlausgang unterschiedlich. Für die kommenden Monate bis zur Bundestagswahl benötigen sie jedenfalls gute Nerven.

In dieser Legislaturperiode wird es wohl keine Gesetzgebung im Apothekenmarkt mehr geben. Trotzdem war das Rx-Versandverbot in dieser Woche noch einmal im Bundestag – der Gesundheitsausschuss musste sich mit einem Antrag der Linken befassen. ABDA-Präsident Schmidt legte die Zahlen seiner Leipziger Apotheke als Beweis dafür vor, dass sich eine typische Apotheke Rx-Boni nicht leisten kann. Leider glaubt der Gesetzgeber für gewöhnlich an die Zahlen, die ins politische Kalkül passen. Immerhin besucht jetzt schon Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Apotheken.

Oft sind die politischen Entwicklungen ja gefühlt weit weg von der Apotheke. Im Alltag heißen die Sorgen Retaxation (ja, noch immer!) und Personalmangel. Wurde früher eine Anzeige geschaltet, um einen neuen Mitarbeitern zu suchen, werden heute aufwändig Videos gedreht. Doch manchmal ist selbst das vergebene Liebesmüh: „Bloß nicht Apotheke“, weiß der Nachwuchs teilweise schon im ersten Semester.Und hat man eine Headhunterin gefunden, taucht diese einfach ab.Und die, die da sind, wollen demnächst mehr Geld.

Aber es gibt sie auch noch, die Mutigen, die sich mit 33 selbstständig machen, weil die „eigene“ Filiale plötzlich zum Verkauf steht. Hat zumindest einen Vorteil: Die Stammkunden sind schon ab Tag 1 da. Und es gibt auch immer noch die treuen Seelen: Irmchen war 54 Jahre in derselben Apotheke. Wer so lange hinter dem HV-Tisch steht, hat vermutlich alles schon gesehen und lässt sich auch von den Lindners dieser Welt nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Oder von der Prüfung und Herstellung von Dronabinolkapseln.

Mit etwas Distanz blickt man vermutlich auch gelassener auf die jährlichen Tops & Flops der Erkältungssaison, weil jedes Jahr eine neue kommt. Außer wenn es herstellerseitig zu absurd wird. Es heißt zwar, in der Liebe und im Krieg sei alles erlaubt. Aber Dr. Fischer strapaziert diese Weisheit für das eigene Marketing. Kennt irgendjemand ein gutes Schwarzwälder-Kirsch-Rezept?

Wenige Aufreger hält für gewöhnlich das Fernsehprogramm bereit. Auch das war in dieser Woche anders: Die Pharmabranche zitterte vor Lauterbach. Nicht vor dem mit der Fliege, der muss vielmehr um sein warmes Plätzchen im Bundestag fürchten. Nein, vor dem Schauspieler Heiner Lauterbach, der im Anti-Pharma-Spielfilm die TV-Gemeinschaft davon überzeugen sollte, dass gefälschte Arzneimittel die größte Bedrohung der Deutschen sind. Mit anschließender Doku natürlich, One-Stop-Shopping à la ARD.

Und dann summen noch die Bienen. Das Pilotprojekt von Amazon Prime Now läuft in München seit gut einer Woche. Doch jetzt wurde das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht auf das Projekt aufmerksam gemacht, die Wettbewerbszentrale ebenso. Amazon sucht derweil in den USA einen Chefapotheker für die eigene Versandapotheke. Surprise, surprise.

Und im Großhandel: Celesio bezieht den neuen Bunker und die Noweda bunkert Vesikur für die Genossen, um Defekte abzupuffern. Um ihren Bedarf zu belegen, sollen die Apotheker aber die Rezepte schicken. Klingt gut, aber ob sich dieses Modell in der Fläche – alle Großhändler, alle Engpass-Kandidaten – durchsetzen lässt?

Noch ein Appell zum Schluss: Machen Sie Ihre Apotheke barrierefrei. Sie helfen Ihren Kunden und am Ende helfen Sie auch sich selbst. Wenn Sie die gute Arbeit der Sozialhelden unterstützen und sich eine Wheelramp bestellen, unterstützen wir Sie mit einem Zuschuss. Einfach machen! Schönes Wochenende (mit Kaffee und Kuchen/Torte).

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