Schwarze Kasse! Apotheker-Märchen nur gekauft? Alexander Müller, 24.10.2015 08:09 Uhr
Es war das Frühsommermärchen der Apotheker. Im Mai 2009 siegt in Luxemburg die Vernunft und das Fremdbesitzverbot bleibt. Im Apothekerhaus knallen die Sektkorken, im ganzen Land tanzen Freiberufler auf der Straße. Jetzt der schreckliche Verdacht: War der Erfolg gekauft? In der Kaffeekasse in der Jägerstraße fehlen 1,32 Euro. Trotz Compliance-Richtlinie kann niemand mit Sicherheit sagen, was mit dem Geld passiert ist.
Der Skandal kommt zur Unzeit – stehen die Apotheker doch demnächst wieder vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Zumindest indirekt, denn es geht um die Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Die ist der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) ein Dorn im Auge. Zumindest indirekt, denn für die Mitglieder geht es um Rx-Boni der Rx-Boni-Versandapotheke DocMorris. Deren Anwälte vertreten denn auch gleich die DPV, was konsequent ist, weil in eben jener Kanzlei der europäische Versandapothekenverband EAMSP zu Hause ist.
Auf der anderen Seite steht die Wettbewerbszentrale, zumindest indirekt aber die Apotheker. Zunächst hatte sich eine Apothekerkammer in Bad Homburg über die Rx-Boni beschwert. Als das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) das Verfahren dann dem EuGH vorlegte, übernahm Dr. Claudius Dechamps das Mandat. Und den hatte die ABDA schon beim Frühsommermärchen aufgestellt.
In den Stellvertreterkampf haben sich weitere mittel- oder unmittelbar Betroffene eingeschaltet: Die EU-Kommission ist gewohnheitsmäßig gegen die Interessen deutscher Apotheker, die Niederlande sprechen sich aus naheliegenden Gründen ebenfalls für eine gesetzliche Ausnahme für niederländische Versender aus. Wenig überraschend auch, dass der deutsche Gesetzgeber die deutsche Gesetzgebung nicht für Unsinn hält. Schweden und Italien nicken der Preisbindung ebenfalls zu. Alles bereit für den nächsten Showdown in Luxemburg.
Nur DocMorris kann natürlich nicht warten und versucht es weiter mit Rx-Boni. Diesmal mit 5-Euro-Gutscheinen, die angeblich nur an poststreikgeschädigte Stammkunden ausgegeben wurden. Ja, aber selbstverständlich. Als der Gutscheincode dann auf dem Pfennigfuchserportal MyDealz verbreitet wurde und es interessierte Nachfragen gab, stellte DocMorris den Bonus schnell ab. Die unbezahlten Ordnungsgelder sollen anscheinend möglichst unter der Millionengrenze bleiben.
Einen anderen Prozess haben die Apotheker dagegen schon gewonnen – zumindest indirekt: Sie dürfen laut dem Landgericht Aschaffenburg auch weiterhin Skonto erhalten, wenn sie ihre Rechnungen an den Großhandel innerhalb von zehn Tagen bezahlen. Die Klage der Wettbewerbszentrale gegen AEP wurde abgeschmettert.
Der Großhändler mit der gläsernen Kondition vermutet auf der Gegenseite wiederum eine schwarze Kasse: Der Phagro oder wenigstens ein Mitglied stecke eigentlich hinter der Klage, ist man in Alzenau überzeugt. Deswegen springe auch niemand AEP, dem Skonto oder den Apothekern im Prozess bei, „in einem Boot“ hin oder her. Nachdem das Landgericht sogar die 70 Cent Fixpauschale der Großhändler zur Disposition gestellt hat, wird der zweite Akt im Skonto-Prozess vor dem OLG Bamberg noch spannender. Noch spannender!
Für den einzelnen Apotheker kann es aufregend genug sein, wenn seine neue Apotheke auf einem Dutzend Lkw geliefert wird. So erging es Detlef Dittrich: Am Mittwoch kamen seine easy-Container aus der Slowakei. Ab dem frühen Morgen wurde die Apotheke auf dem Rewe-Parkplatz montiert. Das erste Modul steht endlich. Ob die Idee funktioniert, wird sich zeigen.
Ohne gutes Personal geht sowieso nichts in der Apotheke. Das Problem fängt schon eine Ebene vor der Offizin an. Auch die PTA-Schulen kämpfen in politisch unsicheren Zeiten um den Nachwuchs. Manchmal mit allen Mitteln. Sex sells, dachte sich die PTA-Schule Niederrhein. Vielmehr dachten viele, dass sich die Schulleitung das bei ihrem Werbeplakat für den Tag der offenen Tür gedacht hatte. Das rote Kleine mit dem halb an- oder ausgezogenen Kittel darüber war aber ganz anders gemeint: Eine PTA ist immer PTA, auch bei ihrem Abiball.
Manchmal dekoriert eine PTA nicht sich selbst, sondern ganze Schaufenster. Mit durchschlagendem Erfolg. Das ist mehr als willkommen. Denn Experten zufolge lassen die Apotheker in diesem Bereich viel zu viel liegen. Also nicht im Schaufenster, sondern bei dessen Dekoration.
Denn dass man mit Kleinigkeiten viel falsch machen kann, musste die Apotheken Umschau schmerzlich erfahren. Ein Anzeigenkunde hatte nicht nur brav auf die Apotheke vor Ort, sondern auch auf den direkten Onlinebezug und in diesem Zusammenhang sogar auf eine Versandapotheke verwiesen. Der Wort & Bild Verlag entschuldigte sich prompt, um solche Fehltritte zu verhindern gibt es eigentlich interne Regeln.
Das gilt umso mehr, da sich der Versandhandel laut einer Hochrechnung in den kommenden Jahren auch ohne fremde Hilfe fast verdoppeln soll. Naja, man wird sehen. Gehört aber auch zum Apothekerberuf, oder nicht? Das muss man Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) fragen. Der hat einen 10-Punkte-Plan verabschieden lassen und die Apotheker damit gegen ihren Willen definiert. „Videothekerin“ Ann-Kathrin Kossendey kocht.
Und als wäre das nicht genug, zählt Google jetzt Apothekenkunden und plant einen Pillen-Preisvergleich. Protaxplus retaxiert jetzt schon irgendwelche Apotheken, wird dafür aber immerhin von den eigenen Auftragskassen zur Räson gerufen. Und ein echter Apothekenfan in den USA hat sein Herz an eine Kette verschenkt. War aber auch geschmiert... Schönes Wochende!