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Rezeptur-Testkauf im Nachtdienst

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Berlin -

Nachtdienste haben der Apothekerin nie viel ausgemacht. Sie kann gut wach bleiben und mag die Herausforderung, im Notdienst auch mal improvisieren zu müssen. Sie hat „from dusk till dawn“ auch wirklich schon viel erlebt – doch die Begegnung in dieser Nacht war eine der besonderen Art: Da erscheint um 2:30 Uhr ein etwas steifer, aber freundlicher Herr an der Klappe und verlangt Linimentum aquosum mit Olivenöl. Er sei vom Landesamt, sagt er, und das hier sei ein Testkauf.

Auf den fragenden Blick der Apothekerin führt der Tester weiter aus, dass sich viele ihrer Kollegen bei der Aufsicht beschwert hätten, weil die Testkäufe während der normalen Öffnungszeiten den Betriebsablauf störten. „Und weil die meisten von uns tagsüber sowieso schlafen, werden wir jetzt nachts in die Apotheken geschickt“, sagt der Herr vom Landesamt und zuckt hilflos gleichgültig die Schultern.

Das war ein Scherz. Er benötige gar kein Linimentum aquosum mit Olivenöl. Die Apothekerin möge bitte Hydrochlorothiazid-Kapseln (HCT) herstellen, das sei bei Testkäufen jetzt der letzte Schrei. Auf ihren noch immer fragenden Blick, sagt er freundlich: „Ich warte solange.“ Darauf nimmt er sein Buch – Franz Kafkas „Der Prozess“ – aus er Tasche und setzt sich auf den Stuhl, den die Apothekerin in der Offizin für ihre älteren Kunden bereithält.

Das war auch ein Scherz. Der Testkäufer liest „Das Seelenleben der Tiere“ von Peter Wohlleben. Aber das mit den HCT-Kapseln ist Realität, wenigstens in Brandenburg. Da kommen die Testkäufer zwar – wegen der Nachtaktivität der wieder wachsenden Wolfspopulation – immer noch tagsüber, haben bei der Darreichungsform aber Sonderwünsche.

Das mit dem Warten war auch ein Scherz. Die Apotheker haben mindestens eine Woche Zeit, wenigstens in Brandenburg. In Schleswig-Holstein ist es kein Scherz. Da wird die angefertigte Rezeptur vom Amtsvertreter gleich mitgenommen. Im vergangenen Jahr ist jede zweite Apotheke durchgefallen. Weil das mehr als 1000 Euro kostet, ist in diesem Jahr nur noch jede fünfte durchgefallen. Und weil die Kammer noch mehr zum Thema Herstellung schult.

Apothekerin Theresia Weigel betreibt ihre Apotheke in Brandenburg, kann sich die Herstellung ihrer Testrezeptur-HCT-Kapseln also zeitlich frei einteilen. Das heißt in ihrem Fall: Sie kommt am Sonntag in ihre Apotheke und arbeitet in Ruhe. Da könnte der Tester eigentlich genauso gut im Notdienst kommen. Das war ein Scherz.

Der Vorteil an angekündigten Testkäufen ist, dass der Inhaber den Besuch mit seinen persönlichen Arbeitszeiten in Einklang bringen kann. Zwar sind Apotheker (noch) nicht zur Stechuhr verpflichtet, wohl aber zur persönlichen Leitung. Dies in Wochenarbeitsstunden auszudrücken, wäre nicht zielführend und wird auch nicht gemacht. Anders bei Filialleitern: Da muss zumindest laut Arbeitsvertrag eine Vollzeitstelle bestehen.

Wie viele Stunden Eurim-Chef Andreas Mohringer wöchentlich hinter dem HV-Tisch seiner Althof-Apotheke steht, ist nicht verbrieft – der Personalplan wird nicht veröffentlicht. Vielleicht gibt es eine Feuerwehrstange aus seinem Büro über der Apotheke. Am Ortsausgang von Saaldorf-Surheim dürfte der Publikumsverkehr sich ohnehin in Grenzen halten. Vielleicht wird die Apotheke nur gebraucht, um Ärzte zu beliefern. Das wäre nicht so nett für jemanden, der von der Importquote ziemlich gut lebt.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten hat dagegen eine ganze Apothekengruppe in Osnabrück. Das Sanierungsverfahren läuft, doch zwei der fünf Apotheken des Inhaberehepaars sind mittlerweile geschlossen. Weil eine davon eine easy-Apotheke war, wird natürlich intensiver als üblich über die Gründe diskutiert. In Wahrheit handelt es sich wohl um einen sehr speziellen Einzelfall, der weder mit der Lage noch mit dem Konzept erklärt werden kann. Es kann einem auch so gehen, dass man in einem Center pleite macht und während der Sanierung das Center pleite macht.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Apotheken ist der Gartenzaun. Prinzip guter Nachbar, schlechter Nachbar: Wer bringt nur Frequenz, wer die richtigen Kunden? Apotheker sollten sich in ihrem Viertel gut auskennen – und notfalls rechtzeitig fliehen. Lieber öfter nachsehen, wer links neben der Apotheke mietet. Achtung: Mit dem Nagelstudio kommt der Tod. Auch der Handyladen gegenüber verheißt nichts Gutes. Ware abverkaufen und bei der Kammer den Umzug anmelden.

Gut für das eigene Geschäft sind Einzelhändler mit Waren des täglichen Bedarfs. Noch besser, wenn diese nicht Teile des Apothekensortiments kapern: In dieser Woche gab es Bepanthen bei Rossmann und Magnetrans bei Globus. Dr. Hauschka ist nur noch halbherzig apothekenbekennend, will aber trotzdem ein Comeback feiern, in diesem Fall mit früher gut gelaufenen Kosmetiklinien. Derweil geht in Apotheken die „On-Pack-Orgie“ verschiedener Hersteller weiter.

An der Spitze der Hersteller stehen oft sehr interessante Persönlichkeiten. Wenn Sie wissen möchten, ob die überhaupt „was Anständiges gelernt“ haben, sei Ihnen diese Liste ans Herz gelegt. Bei Stada hatte es Hartmut Retzlaff vom Außendienst bis an die Spitze gebracht. Jetzt hat sich der ehemalige CEO mit dem Aufsichtsrat endgültig auf die Trennung geeinigt.

Noch nicht beendet ist das Tauziehen um den Generikakonzern, das jeden Moment zu einer öffentlichen Schlammschlacht auszuarten droht. Einer will damit bestimmt nichts zu tun haben: Thomas Strüngmann, in einem früheren Leben Hexalgründer, dementierte schnell das Gerücht, er sei einer der Köpfe und Geldgeber hinter dem aggressiven Investor. Auch Claudio Albrecht (Ratiopharm/Actavis) und Jörg-Thomas Dierks (Meda) wollen nicht Retzlaffs Erbe antreten.

Apropos aggressiv: Die Krankenkassen haben in ihrer Stellungnahme zu Minister Gröhes Pharmadialog-Gesetz mal wieder gegen die Apotheken getreten. Die hätten dem BMG bei der vorgesehenen Honorarerhöhung für Rezepturen und BtM nämlich die Feder geführt. Die Kassen beklagen einen „eklatanten Mangel an objektiven und aussagekräftigen Zahlen“. Wenn ein Kostenträger keine 8,35 Euro (minus Kassenabschlag) für ein individuell hergestelltes Arzneimittel mit aufwändiger Dokumentation bezahlen möchte, ist die Frage nach aussagekräftigen Zahlen eigentlich geklärt.

Die Kassen finden außerdem, dass das Bundeswirtschaftsministerium erst in Ruhe rechnen soll, bevor das Apothekenhonorar angefasst wird. Ach ja, und die Kassen finden, dass das Apothekenhonorar sofort gedeckelt gehört, auf 36,70 Euro bei Hochpreisern. Damit wäre wohl auch die Frage nach „eklatanten Mängeln“ geklärt.

Mag der Kassenhass gegen die Apotheker traurige Gewohnheit geworden sein, haben die Herstellerverbände VFA und BPI mit ihren Spitzen überrascht. Entsetzt über die Verlängerung des Preismoratoriums führen sie das Grundgesetz gegen das Rezepturhonorar ins Feld. Die Ärzte wollen nicht nur das Geld der Apotheker, sondern auch die kompletten Datensätze der Rechenzentren.

Es sei denn, die Kassen bringen einen eigenen Kabinettsentwurf in Umlauf und fälschen auf allen Dokumenten Gröhes Unterschrift. Das war ein Scherz. Unterschriften werden nicht gefälscht. Außer eine Kasse will dringend Mitglieder gewinnen und beauftragt mittelseriöse Subunternehmer.

Auch für Apotheker ist es schwer, gutes Personal zu finden. Manchmal hilft Ironie: „Biete niedrigen Lohn und bittere Kälte“, offerierte ein Apotheker. Er hat jemanden gefunden. Viel Erfolg allen Suchenden! Und ein schönes Wochenende mit bitterer Kälte! Das war ein Scherz.

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