Revision? D'OH! Alexander Müller, 13.02.2016 07:53 Uhr
Der Apotheker ist an diesem Morgen extra früh aufgestanden, hat gebadet und einen frisch gebügelten Kittel angezogen. Er ist als Erster in der Apotheke, staubt noch einmal – zum dritten Mal – alle Regale ab und legt eine neue Fußmatte in den Eingang. Denn heute ist ein großer Tag. Heute ist Revision.
Schon als die Ankündigung zur Begehung ankam, war die Aufregung in der Apotheke groß. Der Apotheker hat die Checkliste der Kammer ausgedruckt, sein Approbierter das Protokoll der letzten Revision herausgekramt. Das ganze Team hat sich gewissenhaft auf den Termin vorbereitet. Denn jeder weiß: Der Pharmazierat ist streng, aber gerecht – jedenfalls solange er gut gelaunt ist.
Denn als Apothekenprüfer mit einigen Jahren Berufserfahrung hat man bei seinen Begehungen schon so ziemlich alles gesehen: Abzüge, die offenbar zum Mülleimer umfunktioniert wurden oder Laborarbeitsflächen zum Buffet. Es gibt aber auch viele kleine Fallstricke, die Checkliste ist lang. Und die Prüfer kennen ihre Kandidaten: „Man sieht, ob durchgängig geschludert wird oder ob es einfach gerade nicht geht“, berichtet ein erfahrener Pharmazierat. Aber grundsätzlich werde in den meisten Apotheken ordentlich gearbeitet, so sein Fazit.
Nicht ganz so genau hinsehen durften die Pharmazieräte allerdings in dieser Woche im Rheinland. Während des Karnevals geht es dort etwas lockerer zu als sonst. Man muss den unmittelbaren Gesundheitsbezug beim Kölsch-Ausschank in der Offizin schon weit auslegen oder zu den historischen Wurzeln des Brauens zurückkehren, um sich noch im Rahmen der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zu bewegen. Andererseits darf man unterstellen, dass es an Weiberfastnacht in Köln bei einer Ermahnung bleibt: Mach et jot ävver nit ze off.
Ob der Feuerlöscher vorschriftsmäßig in einer Höhe zwischen 80 und 120 Zentimeter hing, war in einer Mühlhausener Apotheke leider irrelevant: Das Feuer brach in der Nacht aus, vermutlich ein technischer Defekt. Vorübergehend diente ein Wohnwagen vor der Apotheke als Anlaufstelle für die Kunden, jetzt gibt es eine „Container-Apotheke“ als Ersatz. Das Labor hat wegen einer – zum Glück nicht blockierten – Brandschutztür überlebt, der Pharmazierat einer Übergangslösung zugestimmt.
Zu hohe Temperaturen können aber auch ohne einen Brand entstehen. Und die Lagertemperatur ist bei der Revision tatsächlich ein heißes Eisen – wenn auch nicht in dieser Jahreszeit. Ganzjährig Probleme bereitet dagegen wenig überraschend die Zeit, genauer die Haltbarkeit. Weil es schneller geht, verzichtet manche Apotheke beim Wareneingang auf die Eingabe des Verfalldatums. Das birgt das Risiko, abgelaufene – und damit nicht verkehrsfähige – Ware an Lager zu haben, vor allem Apotheken mit Kommissionierer und vollautomatischer Einlagerung sind offenbar anfällig. Nur die Streber von Rowa haben schon eine Lösung gefunden, die sogar die Pharmazieräte begeistert.
Gegen jede Auflage und quasi die pharmazeutische Ursünde ist es, ein falsches Präparat abzugeben. In diesem Fall war es anscheinend eine Verkettung unglücklicher Umstände: Die PTA hatte Clozapin statt Clopidogrel bestellt, vor der Auslieferung an die Kundin wurde offenbar nur mit dem Lieferschein und nicht mit dem Rezept abgeglichen. Ergebnis: die Kundin musste ins Krankenhaus, die PTA und ihre Chefin vor Gericht. Beide erhielten jeweils einen Strafbefehl mit Bußgeld.
Das wäre vermutlich nicht passiert, wenn während der Bestellung ein Pharmazierat zugegen gewesen wäre. Denn gemäß der eigenen internen Vorgaben werden nicht nur Aktenordner und Reagenzien kontrolliert, sondern neuerdings auch die Beratung. Was man in der Offizin halt alles so aufschnappt, während man auf den Apotheker wartet. Angeblich wird das Feedback aber stets sehr positiv aufgenommen, ist bestimmt eine Frage des Tonfalls.
Stilistisch über jeden Zweifel erhaben bleibt der anonyme Schmähbrief – besonders gern gesehen, wenn er in Kopie auch Kollegen zugestellt wird. So erging es einem Bochumer Apotheker, der eine PTA mit Kopftuch beschäftigt. Nachdem er das Schreiben einer empörten Kundin und seine Antwort veröffentlicht hatte, bekam er nicht nur viel Zuspruch und ein Bier ausgegeben, sondern auch neuerdings Post. Darin wird er über die Zusammenhänge von Islam und Gewaltverbrechen „aufgeklärt“. Dummheit lässt sich eben nicht so gut verschleiern wie Haare.
Traditionell hitzig diskutieren Homöopathiekritiker mit Verfechtern der alternativen Medizin. In dieser Woche war es „Netzwerk Homöopathie“ (der Name ist offenbar ein Arbeitstitel), das die Kügelchen aus der Apotheke verbannen möchte. Man kann das so und so sehen. Dazu auch: Die Ärzte sehen die Cannabis-Freigabe kritisch, die Kassen fürchten vor allem, dass die Apotheker viel zu viel daran verdienen.
Noch immer nicht einig sind sich Apotheker und Krankenkassen beim Thema Nullretax aufgrund von Formfehlern. Von wegen „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – die zweite Verhandlungsrunde wurde ergebnislos vertagt. Oberschiedsrichter Dr. Rainer Hess sieht verhärtete Fronten, aber das Bemühen, sich zu einigen. Im April trifft man sich wieder.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne hat nicht nur in einer niedersächsischen Apotheke Notdienst geschoben, er wünscht sich auch eine Retax-Friedenspflicht, bis die Kuh vom Eis ist. Doch leider gibt die Kuh für einige Kassen zu gut Milch, so dass aus der Melkpause wohl nichts wird. Die Ergotherapeuten haben dagegen schon gezeigt, wie es geht und die AOK Niedersachsen dazu gebracht, dass ein Arzt seine Unterschrift auf dem Rezept nachholen durfte.
Unterschrieben ist der Verkauf von Meda: Mylan wird sich die Schweden für 9,9 Milliarden US-Dollar einverleiben, wenn jetzt noch genug Aktionäre unterschreiben. „Appetit ist unser Antrieb“, sagte Meda-Chef Dr. Jörg-Thomas Dierks vor einem Jahr im Interview mit APOTHEKE ADHOC. Das Leben ist eben Fressen oder Gefressenwerden.
Und manchmal auch Selbstzerfleischung um der Sache Willen: Die Apothekerkammern dürfen das Apotheken-A nicht nutzen, wie sie möchten. Die Vorgaben der Markensatzung sind streng und die ABDA ist es auch. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe hat ihr Logo also angepasst und so gestaltet, dass niemand mehr aus Versehen eine Apotheke damit assoziieren wird.
Und zum Schluss die Personalien im Schnelldurchlauf: Gehe besetzt den Norden neu, eine Hamburger easy-Apotheke ist unbesetzt, und eine Apotheke musste wegen Unterbesetzung schließen. Das hatte aber nichts mit dem Pharmazierat zu tun, sondern schlicht und einfach mit Personalmangel. Also, nehmt euch mal den Rest des Wochenendes frei.