In Berlin reden jetzt alle von dieser flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln. Und dass sie in Gefahr sein soll, weil für Versender aus dem Ausland andere Regeln gelten als für die Apotheke im Dorf. Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) wollte sich vor Ort selbst überzeugen und in der Adventszeit alle Apotheken auf dem Land persönlich besuchen. Weil er keinen eigenen Wahlkampfbus besitzt, benötigte er eine Mitfahrgelegenheit. Also stellte er sich mit erhobenem Daumen an die Autobahnauffahrt. Nach kurzer Zeit hielt ein grüner Bus.
DocMorris hatte den Natürlich-wollen-wir-Arzneimittel-abgeben-Bus eigentlich schon stillgelegt, aber für eine Tour über die Dörfer wurde schnell ein SPD-rotes Nummernschild beantragt. DocMorris-Strategiechef Max Müller war auch froh, dass er sich nicht ständig bei den Grünen oder auf Twitter oder Xing über ein Rx-Versandverbot streiten muss. Denn das macht ihm eigentlich schon lange keinen Spaß mehr.
Und so fuhren sie also zusammen los und sahen, dass sie nichts sahen: Dieses sogenannte Apothekensterben gibt es doch gar nicht. Seit dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni am 19. Oktober haben bundesweit nur sehr vereinzelt Apotheken geschlossen. Darüber musste die Welt informiert werden, da Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) so vorschnell vor der Apothekerlobby einknickt war, ganz zu Schweigen von SPD-geführten Ländern im Bundesrat.
Müller gewann für einen DocMorris-Spot die Bundeskanzlerin, jedenfalls hatte sich Merkel auf die SMS nicht zurückgemeldet, was man als Ja werten durfte. Und Lauterbach veranstaltete – zurück in Berlin – eine Gesprächsrunde und schrieb einen Brief an die Genossen. Es ist ja kein Geheimnis, dass Lauterbach 2013 gerne Bundesgesundheitsminister geworden wäre. Vor der Bundestagswahl hatte er sogar damit geprahlt, in vier Jahren als Minister könne er „die Sache rund machen“. Durfte er bekanntlich nicht. Und er ist auch nicht mit im Bus gefahren. Und der hat auch keine Zulassung. Das waren und sind alles nur Hirngespinste. Schwamm drüber. Zurück zur Realität. Da hat der echte Minister Gröhe tatsächlich einen Entwurf für ein Rx-Versandverbot vorgelegt. Weder Lauterbach mit seiner Gesprächsrunde noch die ABDA mit ihrer Unterschriftenaktion konnten den Minister davon abhalten. Das Rx-Versandverbot sei – Achtung ein Merkel-Zitat – „alternativlos“ und überhaupt hätten sich die Versender das jetzt selber eingebrockt. Es ehrt den Minister, dass er sich das Gestaltungsrecht im Gesundheitswesen nicht aus der Hand nehmen lassen will. Neben einigen verbalen Streicheleinheiten offerierte der Minister in seiner Begründung auch eine Klarstellung zum Botendienst. Sogar die Rezeptübergabe an der Haustür ist damit möglich – solange die Apotheke nur in ihrem Sprengel aktiv ist. Liebling der Apotheker kann Gröhe in dieser Woche trotzdem nicht werden. Dieser Titel geht – auch wenn es mancher Apotheker nur ungern zugibt – eindeutig an den Wort & Bild Verlag. Der Spot „Danke, Apotheke!“ hat den allermeisten aus der Seele gesprochen. Eine PTA sieht die Werbung sogar als existentielle Hilfestellung: „Es geht um unsere Jobs.“ Ein beteiligter Apotheker wurde durch den Spot plötzlich zum Schauspieler – nachdem er die Rolle 30 Jahre am HV-Tisch einstudieren durfte. Mit so viel Berufserfahrung hat man Vieles schon erlebt. Lieferengpässe zum Beispiel. Die sind derzeit wieder sehr aktuell, vor allem seitdem die AOK Rheinland/Hamburg doppelte Defektbelege verlangt (einer der Unwort-Kandidaten). Der nächste Apotheker hat sich in der Sache an die Politik gewandt. Und wer weiß, bei den Form-Retaxationen kam die Botschaft ja auch irgendwann an. Die Zielgruppe erreichen wollen auch Bionorica und Hexal, das TV-Duell zwischen Sinupret und Solvohexal hat begonnen. Dabei finden die Kollegen vom SWR, dass man sich die paar Kräuter doch auch im Kräuterladen um die Ecke für einen Bruchteil der Kosten selber besorgen kann. Auch mit dem „Erzfeind“ Ratiopharm duelliert sich Hexal aktuell – dabei geht es aber um Glivec-Generika. Die Holzkirchener haben derzeit in der Tat viele Baustellen: Das komplette Rx-Sortiment soll bis Ende 2018 im neuen Gewand erscheinen. Die notwendige Anpassung wegen Securpharm nutzt der Hersteller, um seine Packungen sicherer vor Fälschungen und die Arzneimittel sicherer in der Anwendung zu machen. Den Relaunch der Packungen hat der Hersteller Wala für seine Kosmetikserie Dr. Hauschka schon hinter sich. Sicherheitsmerkmale gibt es nicht, aber die sind auch nicht notwendig. Denn Wala möchte genau wissen, wer die Ware verkauft. Die Großhändler Noweda, Sanacorp und Pharma Privat wollten bei der Kontrolle der Apotheken offenbar nicht mitspielen, so dass sie nun ebenfalls gestrichen werden. Weil die anderen Großhändler schon länger nicht mehr an Bord sind, gibt es Hauschka demnächst nur noch direkt. Den meisten wird es egal sein – nur etwa jede zehnte Apotheke führt die Serie. Deutlich mehr Apotheken dürften ihren Kunden einen Pollenflugkalender als besonderen Service anbieten. Dabei sollten die Apotheker aber vorsichtig sein, was sie auf ihrer Homepage präsentieren. Denn die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst mahnt derzeit Apotheken ab, die ohne Lizenz die Grafik der Stiftung verwenden. Das sind kleinere Verfehlungen im Vergleich zu der Apotheke aus Bottrop mit ihren mutmaßlich gestreckten Sterilrezepturen. Jetzt schlägt sogar das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Alarm: Weil in der Apotheke auch Präparate für klinische Studien zubereitet wurden, müssen womöglich ganze Prüfprogramme wiederholt werden. Die Sponsoren werden gebeten, sich zu melden. Direkt angesprochen wurde dagegen Christiane Döring vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Und zwar vom CDU-Politiker Dietrich Monstadt bei der Anhörung zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG). Zwar hat der BVMed eigentlich keine Haltung zu Zyto-Ausschreibungen, Dörung aber sehr wohl. Das mag daran liegen, dass sie auch Geschäftsführerin der GHD GesundHeits GmbH ist. Von der zur Gruppe gehörenden Profusio werden patientenindividuelle Infusionslösungen hergestellt und über Apotheken an die onkologischen Praxen ausgeliefert. Wie Monstadt auf die Frage gekommen war, wollte er nicht sagen. Offenbar steigt man in Berlin manchmal einfach in den Bus ein, der vor einem anhält.
Sollten Sie als Tourist in der Stadt sein, nehmen Sie die Linie 100. Die fährt an den meisten Sehenswürdigkeiten vorbei. Schönes Wochenende!
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