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Machste mal den Deckel, Gabi?

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Berlin -

Der Abend war lang und nur noch wenige Gäste sind in der Eckkneipe „Zur Großen Koalition“. Am Tresen sitzen zwei Pharmalobbyisten, im Dialog mit Hermann. Sie sehen unglücklich aus. Daneben ein Versicherungsmensch bei seinem dritten Champagner. Er sieht auch unglücklich aus. An einem Tisch in der Ecke haben Fritz und Fridl gerade ausgetrunken. „Machste mal den Deckel, Gabi?“, ruft Fritz – und beißt sich sofort auf die Zunge.

Deckel. Das verbotene Wort. War unter der Woche plötzlich in einem „Grundlagenpapier“ der führenden Gesundheitspolitiker von Union und SPD aufgetaucht. Die wollen das Apothekenhonorar deckeln, damit die Apotheker an den Hochpreisern nicht mehr so viel verdienen. Den meisten Apothekern war das noch gar nicht aufgefallen – insbesondere denen mit einer Form-Retax zu einem Revlimid-Rezept.

Aber die CDU-Abgeordneten Michalk und Hennrich und ihre SPD-Kolleginnen Mattheis und Stamm-Fibich wollen den Apothekern gar nichts Böses. Das Honorarminus soll nämlich mit einem Plus bei Rezepturen und BtM mindestens ausgeglichen werden. Inwiefern die Waage auf lange Sicht ausgeglichen bleiben soll, ist allerdings fraglich. Denn Salben werden in der Apotheke immer seltener angerührt, wie jüngste Zahlen belegen. Auf Strecke könnte es also doch weniger geben für die Apotheker – zumal der Trend bei den Arzneimittelpreisen in die andere Richtung zeigt – Pharma-Dialog hin oder her.

Noch gibt es keinen Grund zur Panik – der Deckel ist noch nicht drauf. Und im Bundesgesundheitsministerium (BMG) zeigt man sich von dem Vorschlag nicht besonders begeistert. Zumindest inoffiziell. Spannend bleibt trotzdem, welche Vorschläge aus dem 13-Punkte-Papier die Fraktionen in die Gesetzgebung einbringen werden. Die AMG-Novelle könnte schon als Vehikel benutzt werden, wurde am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag verabschiedet.

Final durchgewinkt wurde das Anti-Korruptionsgesetz. Dabei ist der Regierung aus Schludrigkeit offenbar ein Fehler unterlaufen: Gewohnheitsmäßig wurden die Apotheker gestrichen – wie bislang aus jedem Gesetzentwurf. Nur diesmal war es zu ihrem Vorteil. 1,5 Prozent Skonto beim Großhandel führen jetzt doch nicht direkt in den Knast.

Auf der Zielgeraden wurde es aber noch einmal wild mit dem Anti-Korruptionsgesetz. Erst verständigten sich die Rechtspolitiker der Fraktionen auf Änderungen, die von Rechtsexperten seit Monaten gefordert wurden. Insbesondere die unberechenbare Berufsrechtsanbindung. Aber dass die Apotheker auch noch beim Bezug von Arzneimitteln ausgeklammert werden sollten, wurde Professor Dr. Karl Lauterbach zu viel. Lauterbach und das Anti-Korruptionsgesetz, das passt wie Arsch auf Eimer. Oh nein, das klingt nach Schmähkritik… gemeint waren Topf und Deckel.

Jedenfalls wollte „Karlchen überall“, wie er in seiner Fraktion liebevoll genannt wird, plötzlich nicht mehr mitspielen. So könne das Anti-Korruptionsgesetz jedenfalls nicht kommen. Nur so oder gar nicht, konterte Maria Michalk (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Union. Die Rechtspolitiker der SPD erklärten Lauterbach und den anderen Gesundheitspolitikern der Fraktion, warum es auch ohne Berufsrecht keine Strafbarkeitslücken gibt. Die Kritiker bekamen gesichtswahrend zwei Sätze für die Gesetzesbegründung und es war wieder Frieden.

Nur SPD-Gesundheitssprecher Dr. Edgar Franke konnte sich die eine oder Spitze vor der Abstimmung im Bundestag am Donnerstag nicht verkneifen, warb aber dennoch für Zustimmung zu seinem Gesetz. Der Rest war Formsache – und alle wahrten die Form: Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) kann sich bei Apothekern mehr Korruption vorstellen als bei Hebammen und die Linken forderten eine namentliche Abstimmung um später Korruptions-Ross und -Reiter benennen zu können. Lauterbach schwänzte die Debatte.

Obwohl die Apotheker also weiter als Kaufleute einkaufen dürfen, gehen einige Hersteller lieber auf Nummer sicher: Verla-Pharm kündigt seine Partnerverträge mit mehreren 100 Apotheken und streicht den Verkaufsschlager „Magnesium Verla N Dragées“ aus dem Vertrag. Bei Nahrungsergänzungsmitteln bleibt alles wie gehabt.

Noch ärgerlicher für einige Apotheken war aber die kurzfristige Absage des Herstellers Dr. Theiss Naturwaren. Der hat nämlich einen Deko-Wettbewerb zu Proff kurzerhand gecancelt. Dabei hatten sich manche Apotheken-Teams schon künstlerisch verausgabt und mächtig ins Zeug gelegt. Die Begründung für die Absage: das Anti-Korruptionsgesetzes. So macht man sich keine Freunde.

Das Potenzial dazu hat auch die jüngste Aktion von Reckitt Benckiser (RB). Der Hersteller bewirbt seinen Nurofen-Kühlstick in bewährter Kooperation mit Spiegel-Online. Der geneigte Leser wird dort marktschreierisch zum direkten Kauf beim Versender Apo-Discounter angehalten. Für eine vergleichbare Aktion hat Boehringer schon einmal eins auf den Deckel bekommen.

Damals mit von der Partie: DocMorris. Doch die Geschäfte der niederländischen Versandapotheke liefen offenbar trotzdem nicht besonders rosig. Zur Rose weist einen Umsatzeinbruch aus. Und auch in neuen Geschäftsfeldern droht Konkurrenz: Im baden-württembergischen Hüffenhardt gibt es jetzt eine Rezeptsammelstelle, lange bevor DocMorris seinen geplanten Automaten aufstellen konnte. „Ich bin schon da“, sagte der Igel. Und zu allem Überfluss ist man in Karlsruhe schon wieder mit einer Verfassungsbeschwerde abgeblitzt, die gezahlten Herstellerabschläge sind endgültig weg.

Der Versender Sanicare hat eine ganz andere Baustelle. Mitinhaber Dr. Volkmar Schein betreibt die Apotheke in einer OHG zusammen mit Christoph Bertram. Das Problem: Schein wohnt gar nicht mehr in Niedersachsen, sondern ist ins Saarland zurückgekehrt. Da diese Distanz selbst bei reisefreudigen Inhabern gewisse Probleme mit der Präsenzpflicht beinhaltet, interessiert sich jetzt die Apothekerkammer Niedersachsen für Scheins Aufenthaltsort.

Personalsorgen sind aber ein generelles Problem der Branche, es herrscht akuter Fachkräftemangel. In Spanien dagegen herrscht akute Arbeitslosigkeit. Beide Probleme gleichzeitig zu lösen, ist Apotheker Jan Möller-Holtkamp angetreten, er vermittelt deutschen Kollegen spanische Apotheker. Obwohl er auf der Iberischen Halbinsel gut vernetzt ist, übersteigt die Nachfrage sein Angebot. Die Kooperation Migasa organisiert etwas ähnliches für ihre Mitglieder. Und Apothekerin Stefanie Thalhauser hat es umgekehrt versucht und einen Teil ihres praktischen Jahres in Barcelona absolviert. Vielleicht ist der EU-Austausch eine gute Antwort auf die Nachwuchssorgen der Apotheker.

Sorgen um den Nachwuchs macht sich auch ein Apotheker aus Berlin-Neukölln – allerdings sehr allgemeiner Natur. Der überzeugte Katholik ist kein Fan von Verhütungsmethoden und steckt eine entsprechende Botschaft in jede Kondompackung, die er verkauft. Das hat ihm mal wieder Ärger in den Sozialen Netzwerken eingebracht.

Die Apotheker verärgert hatte eine Journalistin, die sich in der Berliner Zeitung über die Breite des Warenlagers mokkierte und den Pharmazeuten riet, weniger Krams zu verkaufen und Platz für Arzneimittel zu schaffen. Apothekerin Kerstin Kemmritz verbiss sich wütende Kommentare und lud die Dame stattdessen zu sich in die Apotheke ein. Und das hat sich gelohnt, nach drei Stunden Gespräch war Verständnis eingekehrt. So einfach ist das manchmal. Die Kollegen feiern sie im Forum zurecht.

Im Netz kursieren übrigens auch zahllose Witze über Apotheker. Einen hab ich noch: Kommt ein Pferd in die Apotheke und fragt: „Haben Sie Vomex?“

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