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Kartellamt stürmt Expopharm Alexander Müller, 15.10.2016 07:53 Uhr

München - 

Der Tipp kam von einem Insider. Vor den Toren Münchens, versteckt in drei großen Hallen, werde sich heimlich quasi die gesamte Pharmabranche treffen. Das Bundeskartellamt witterte dunkle Geschäfte und illegale Absprachen – und schlug zu. Die Expopharm wurde gestürmt.

Das Kartellamt hatte alles akribisch geplant. Um 10 Uhr drangen die Beamten von allen Seiten in die Messehallen ein – unterstützt von zwei Hundertschaften der Polizei und einer Spezialeinheit des SEK. Zum Beschlagnahmen des umfangreichen Beweismaterials an den geheimen Ständen der „Aussteller“ wurden eigens zwei PTA-Klassen angeheuert.

Etwas enttäuscht zeigte sich der Einsatzleiter, dass so wenige Pharmahersteller auf der „Messe“ vertreten waren. Dass auch die Großhändler sich rar gemacht hatten, fand er dagegen nicht so schlimm. Da war man ja zuletzt schon. Das große Missverständnis konnte zum Glück noch aufgeklärt werden, also jetzt auf der Expopharm. Die Polizei zog ab, die vorläufig Festgenommenen wurden freigelassen. Nur ein Kassenmanager, der versucht hatte, Diagnose zu verkaufen, musste über Nacht auf der Wache bleiben.

Viele Aussteller zeigten sich zufrieden mit dem Verlauf der diesjährigen Expopharm. Und die Bilder belegen das auch. Ein paar Eindrücke, willkürlich ausgewählt: Linda holt den Greenwash nach, die Apotheken können unter anderem pflanzliche Arzneimittel in schmucken Holzkisten präsentieren. Emser bringt eine salzfreie Neuigkeit mit und die Noweda Barbara Becker; als Botschafterin für die Eigenmarken.

Klosterfrau kümmert sich dagegen um die Männer und drückt die Kampagne „Männergrippe“ mit Macht in die Branche. Beispiel: „Ab 37 Grad wird aufgerundet.“ Wer den Plakat-gepflasterten Weg von der U-Bahn-Station Messe-Ost zum Eingang der Messehalle hinter sich hatte, fühlte sich gleich ein bisschen gesünder – schon aus Selbstachtung.

Parallel zur Expopharm findet immer der Deutsche Apothekertag (DAT) statt, oder jene parallel zu diesem. Jedenfalls mehr als gleichzeitig. Das galt in diesem Jahr doppelt, und Schuld daran war Fritz Becker.

Der hat als Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) hoheitliche Aufgaben im abgedunkelten Saal der Hauptversammlung und als Vorsitzender seines baden-württembergischen Landesapothekerverbands eheliche Pflichten auf der Messe: Sein LAV heiratet die Noventi, strategische Partnerschaft nennen das die Unromantischen unter uns. Der Frank-Sinatra-Blues-Brothers-Auftritt von AvP war allerdings in Sachen Coolness unschlagbar.

Am letzten Tag der Expopharm wechselt das Publikum traditionell noch einmal durch – auch weil der DAT meist schon freitags beendet werden kann und einige Delegierte abreisen. Diesmal war sogar schon am Freitagmittag Schluss, ob aus Effizienzgründen oder Mangel an Diskussionsfreude (oder gar Mangel an Themen) ist jedem Beobachter selbst überlassen. Die ABDA will jedenfalls keine App-Geschäfte machen.

Ein Thema wurde der Hauptversammlung von den Terminplanern des EuGH gewissermaßen vorenthalten: Weil die Luxemburger Richter erst am kommenden Mittwoch über Rx-Boni entscheiden, konnte man in München nicht über die Folgen des Urteils sprechen. Allenfalls prophylaktisch in Form einer Resolution. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) scheint jedenfalls noch bei Laune zu sein, auch wenn die Apotheker ihm kein Einser-Zeugnis ausstellen.

Wer zum DAT den großen Showdown zwischen ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und seinem Herausforderer Kai-Peter Siemsen erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Schmidt hatte auch gleich in seiner Eröffnungsrede alle auf Einigkeit eingeschworen und mit seiner Bergtour-Methaphorik alle so verhext, dass die nicht Schwindelfreien vergaßen zu klatschen.

Den Gipfel der Freundlichkeit hat unterdessen schon die TK erklommen, die sich für die Apotheker um die Defektbelege kümmern möchte. Nachweise sind dann nicht mehr notwendig, die Kasse weiß einfach schon, dass eigentlich doch genug Ware im Markt war. Die Apotheker haben bei APOSCOPE ihre Lieblingslieferanten und -kontingentierer gewählt. Hier gehts zu den Ergebnissen.

Und wo der Lieferengpass ist, kann der Personalengpass nicht fern sein. Beide gehören leider zum Alltag vieler Apotheken. In einigen herrscht geradezu „Notbetrieb“. Andere können sich glücklich schätzen, etwa die Berliner Apotheker, die den PTA des Jahres in ihren Reihen weiß. Und der ist auch noch Metaller.

Aber was nützt das beste Personal, wenn der Kunde schon über den Flyer so erbost ist, dass er den Weg in die Offizin verweigert und stattdessen anonym und unfrankiert seinem Ärger postalisch Luft macht. Der so gescholtene Apotheker wusste sich nicht anders zu helfen, als seine Replique bei Facebook zu posten. Freundlicher Hinweis, dass das im Online-Shop verglichene Präparat nicht das gleiche ist (halbe Dosierung) und der Kunde vermutlich auch keine vermeintliche günstige Maxipackung benötige. Wohl pariert. Schönes Wochenende!